Bitkom verbreitet Krisenstimmung

Deutscher IuK-Markt ist erstmals rückläufig

27.09.2002
MÜNCHEN (CW) - Die deutsche IT-Industrie geht in puncto Wachstum am Stock: Der hiesige IuK-Markt wird in diesem Jahr um 1,3 Prozent auf ein Volumen von 136 Milliarden Euro erstmals schrumpfen. Gleichzeitig kündigte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) einen umfangreichen Forderungskatalog an die im Amt bestätigte rot-grüne Bundesregierung an.

Offenbar ganz bewusst hatte der Bitkom noch am vergangenen Freitag knapp vor der Bundestagswahl seine kritische Einschätzung der Lage veröffentlicht. Das voraussichtliche Minus von 1,3 Prozent sei vor allem in seiner grundsätzlichen Tendenz verheerend, teilte der Verband sinngemäß mit. Noch nie habe es in der deutschen IT- und TK-Industrie insgesamt einen Rückgang gegeben. Bislang hätten stets "einzelne sehr dynamische Segmente" die Verluste schwächerer Bereiche ausgleichen können. In diesem Jahr würden aber fast alle Segmente mit Ausnahme der TK- und Internet-Dienste rote Zahlen schreiben. Selbst die Wachstumsträger Software und IT-Services hätten ihre Zugkraft verloren. Auch in den meisten anderen Ländern sei die Situation schwierig, allerdings würden Frankreich, Italien und die skandinavischen Länder immerhin noch Zuwächse von rund zwei Prozent erzielen. "Deutschland ist international das Schlusslicht", stellt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder fest.

Mit der jetzigen Prognose korrigiert der Bitkom bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Erwartungen nach unten. Noch im März hatte der IuK-Dachverband eine Zunahme des Marktvolumens um 4,2 Prozent auf 143,6 Milliarden Euro vorhergesagt. Im Juni erklärte Bitkom-Präsident Volker Jung dann, man werde im laufenden Jahr nur "knapp über der Nulllinie liegen" und etwa auf dem Vorjahresniveau von 1,7 Prozent Wachstum bleiben.

Am stärksten von der Branchenkrise betroffen sieht der Bitkom das Segment Hardware. Die Anbieter von Geräten und Infrastruktursystemen müssen in diesem Jahr vermutlich einen Rückgang des Marktvolumens um 10,3 Prozent auf 38,1 Milliarden Euro hinnehmen. Doch damit nicht genug: Nachdem die Hersteller von Geräten und Systemen bereits im Vorjahr mit einem Nachfragerückgang zu kämpfen hatten, geraten nun erstmals auch Softwarehäuser und IT-Dienstleister in schwieriges Fahrwasser.

Minus bei Software und Services

Laut Bitkom werden die Umsätze mit Software im Jahresverlauf 2002 voraussichtlich um 0,8 Prozent auf 15,1 Milliarden Euro schrumpfen; das Marktvolumen bei IT-Services geht ebenfalls leicht um 0,3 Prozent auf 29,2 Milliarden Euro zurück. Erstmals seit Anfang der 90er Jahre sei, so der Bitkom weiter, auch die Zahl der in der IuK-Branche Beschäftigten rückläufig. Für dieses Jahr geht der Verband von einem "Sinken des Beschäftigungsvolumens" von 819000 auf 791000 Stellen aus.

Zurückhaltend kommentiert man den Ausgang der Bundestagswahl. Man habe mit der rot-grünen Koalition in den vergangenen vier Jahren "gut, aber natürlich nicht völlig problemlos" zusammengearbeitet, äußerte sich ein Sprecher. Man setze diese Zusammenarbeit nun ohne Vorbehalte fort, sehe aber mehr denn je "Handlungsbedarf in wesentlichen Politikfeldern". Man werde deshalb die Bundesregierung mit einem neuen, zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog konfrontieren. (gh)

Abb: Minuswachstum

Keine Entwarnung: Wenn die Prognose des Bitkom vom Freitag vergangener Woche keine politische Panikmache war, steht es schlecht um die IT-Branche. Quelle: Bitkom