Zielgruppenansprache mangelhaft - Interaktion als Chance

Deutschen Firmen fehlt es an Phantasie im Web

02.07.1999
MÜNCHEN (wt) - Zahlreiche Unternehmen in Deutschland nutzen die vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten des Internet nicht einmal ansatzweise. Dadurch gehen ihnen sowohl die anvisierte Zielgruppe als auch die potentiellen E-Commerce-Umsätze verloren.

Noch Anfang 1998 äußerten sich die meisten Firmenchefs in einer Untersuchung der Wirtschaftsberatung Berlecon Research, Berlin, selbstgefällig über ihr Online-Engagement. Sie gaben sich oft mit reiner Präsentation zufrieden. Daß diese Einstellung in den Zeiten eines erwarteten E-Commerce-Booms mehr schadet als nützt, ist offensichtlich noch immer nicht allen Verantwortlichen klar.

In einer aktuellen Studie über die Internet-Auftritte von mehr als 80 namhaften Konsumgüterherstellern und Handelsunternehmen in Deutschland kommt das auf Software und Services rund um den elektronischen Handel spezialisierte Systemhaus Intouch GmbH, Bad Homburg, zu einem vernichtenden Resultat: Rund zwei Drittel aller Firmen mangelt es an einer klaren Strategie für ihren Auftritt im Web. "Es ist kaum vorstellbar, wie dilettantisch sich Markenhersteller und Handelsgesellschaften im Web präsentieren. Das wäre ungefähr so, als ob sie ihren Geschäftsbericht auf eine Rolle Klopapier drucken und an die Kunden und Aktionäre verteilen würden", kommentiert Intouch-Geschäftsführer Frank-Michael Welsch-Lehmann.

Berlecon-Chef Thorsten Wichmann bestätigt, daß Unternehmen beim Aufbau einer Web-Präsenz oft von der Konkurrenz getrieben wurden. "Dabei dürften die wenigsten Unternehmen ihren Auftritt langfristig und strategisch geplant haben", so Wichmann. Systematische Bewertungen dieser Präsenz fingen gerade erst an. Wie dringend erforderlich sie sind, zeigen die Intouch-Ergebnisse.

Nur rund ein Drittel der befragten Firmen erreicht im Internet überhaupt seine Zielgruppe, und 43 Prozent der im Rahmen der Studie untersuchten Unternehmen messen zudem gar nicht erst, ob die mit dem Web-Auftritt verbundenen Ziele erreicht werden. Die anderen 57 Prozent sammeln immerhin statistische Daten wie Zugriffszahlen und Verweildauer. Kausale Wirkungsketten wertet nicht eines der befragten Unternehmen aus: Ob beispielsweise die Web-Site tatsächlich zum Image beiträgt, bleibt völlig im dunkeln.

Bei einem Großteil der Befragten steht die reine Imagewerbung im Vordergrund. Mehr als 60 Prozent erhoffen sich von der Web-Präsenz ein besseres Renommee bei den Kunden. 37 Prozent wollen dabei vor allem ihre Firmen- oder Produktnamen bekannt machen. Für diese Unternehmen, so Intouch, ist der Web-Auftritt ähnlich wie Anzeigenwerbung und Fernsehspots eine Komponente im allgemeinen Marketing-Mix. Ganze sieben Prozent betrachten das Internet als eigenständiges Marketing-Instrument.

Positive Impulse für die Kundenbindung erhofft sich die Mehrheit der Unternehmen. Ein Viertel der Firmen allerdings bietet dem Web-Surfer nicht einmal die Chance, eine E-Mail an den Anbieter zu senden. An die Möglichkeit, via Web die Kundenkartei auf den neuesten Stand zu bringen, hat nicht eines der kontaktierten Unternehmen gedacht. "Statt Kundenbindung findet eher Kundenabschreckung statt", kritisiert Intouch-Boß Welsch-Lehmann.

Eine Steigerung des Umsatzes über das Internet haben sich lediglich sieben Prozent der Firmen zum Ziel gesetzt. Die große Mehrheit (93 Prozent) kann erst gar keine Bestellungen im Internet entgegennehmen - sie besitzt schlichtweg keinen Online-Shop. Dennoch erhoffen sich 64 Prozent eine indirekte Umsatzsteigerung, dadurch daß sich Verbraucher zunächst online informieren und die Waren später im Laden kaufen.

"Man sollte meinen, daß die Unternehmen über das World Wide Web wenigstens Kostenvorteile anstreben. Aber auch damit ist es nicht weit her", moniert Welsch-Lehmann.

Das Internet ermöglicht eine gezielte Kundenansprache_VS:Auf Nachfrage gaben zwar 64 Prozent der Unternehmen an, daß sie durch die Online-Präsenz eine Entlastung der telefonischen Hotline erwarten. Nicht einmal ein Viertel hat jedoch auf seiner Site eine Liste mit den von Kunden am häufigsten gestellten Fragen und dazugehörigen Antworten (Frequently Asked Questions = FAQ) hinterlegt. Mehr als 75 Prozent der Firmen analysiert ohnehin nicht, ob wirklich weniger angerufen wird.

Dabei bietet das Internet einen entscheidenden Vorteil gegenüber herkömmlichen Vertriebskanälen: die direkte Interaktion mit dem Endkunden. Wenn sie die Klaviatur der Anwendungen beherrschten und auch nutzten, erhielten Unternehmen eine Fülle an wertvollen Marketing-Informationen über die einzelnen Nutzer, die sie wiederum zur zielgerichteten Ansprache verwenden könnten. Allerdings sollten die Verantwortlichen sich zuvor genau darüber im klaren sein, an wen sie sich eigentlich mit welchen Mitteln wenden wollen. "Lerne deinen Kunden kennen", lautet daher auch die oberste Maxime für einen wirtschaftlich erfolgreichen Internet-Auftritt, meint Gerhard Sundt, ehemals Direktor beim Beratungsunternehmen Arthur D. Little und ab dem 1. August 1999 im Vorstand der D. Logistics AG, Hofheim. Anschließend muß die Web-Site zielgruppengerecht aufbereitet werden.

Laut Intouch läuft die Interaktion in den Schritten "Wahrnehmen", "Verstehen" und "Vorhersagen" ab (siehe Kasten). Diesen wiederum sind konkrete Einzelziele wie "Neuprodukteinführung", "Entlastung des Vertriebs", "Umsatz steigern", "Kundenbindung" oder "Profilierung gegenüber Wettbewerbern" zugeordnet. Eine Fülle von Interaktionsformen kann im Internet dem Erreichen dieser Ziele dienen, liegt aber meist ungenutzt brach oder wird im falschen Kontext und noch dazu oft mangelhaft verwendet. Intouch unterscheidet zwischen "Informationsaustausch", "Infotainment" und "Entertainment".

Instrumente des Informationsaustauschs sind demnach beispielsweise Online-Helplines, FAQ, Lexika, Suchfunktionen, Demoversionen, Bilder mit Zoomfunktion, Pinnwand, Newsletter, Feedback-Mail, Verlinkungen, Firmenhistorie und Produktmerkmale. Für das Infotainment bieten sich themenbezogene Chat-Foren, Grafiken, Simulationen, Communities, Animationen und Comics an. Unter Entertainment subsumieren die Intouch-Forscher schließlich Interaktionsformen wie Quiz, Auktionen, Gewinnspiele, Börsen oder Spiele. All das auf die richtigen Einzelziele hin angewendet, eröffnet Unternehmen ungeahnte Kundenbindungs- und Absatzchancen.

Ein besonders effektives Instrument zur Herstellung und Pflege von individuellen Kundenbeziehungen ist Intouch zufolge das One-to-One-Marketing. Auf der Basis von unterschiedlichen Dialog- beziehungsweise Interaktionsformen wird der Kunde von Anfang an individuell betreut und geführt. Die persönliche Betreuung lasse sich unterschiedlich gestalten. Die Bandbreite reiche von persönlicher Ansprache, über besondere Navigationswege bis hin zu Kaufempfehlungen (Cross-Selling) oder individuellen Shop-Zusammenstellungen. Mit Hilfe von Profiling-Techniken sei es dabei möglich, den Web-Besucher genau kennenzulernen und individuell zu behandeln. Dazu müssen die Kundeninformationen in einer Datenbank gespeichert, strukturiert und ausgewertet werden.

Das Internet bietet, oft mit einfachen Mitteln, durch die direkte Kundenansprache entscheidende Vorteile vor traditionellen Handelswegen - sie müssen nur genutzt werden. Die komplette Studie "Interaktivität und die Bedeutung für E-Commerce" ist bei Intouch kostenlos erhältlich.