Bei anspruchsvollen PC-Datenbanken haben Europäer gute Chancen, aber:

Deutschen Anbietern fehlt das richtige Image

03.07.1987

Von Gerhard Pleil*

Im Bereich der PC-Standard-Datenbanken behaupten die amerikanischen Anbieter nach wie vor ihre führende Rolle. Bei den anspruchsvolleren Systemen, die auf Großrechnerlösungen basieren, verzeichnen die deutschen SW-Produzenten gegenüber der Konkurrenz aus Übersee indes durchaus Erfolge. Allerdings: In Sachen Imagepflege müssen die Softwerker zwischen München und Kiel noch dazulernen.

Angesichts des immer noch andauernden Hardware-Preisverfalls wird das Problem der rationellen Erstellung leistungsfähiger, individueller PC-Software immer gravierender. US-Softwarehäuser wie Ashton-Tate oder Microsoft haben dies schon sehr früh erkannt und PC-Standard-Datenbanken wie dBase II oder rBase auf den Markt gebracht. Dank der US-typischen weltweiten Vermarktungsstrategie sind sie heute weit verbreitet und scheinen die PC-Datenbanklandschaft völlig zu beherrschen. In jüngster Vergangenheit zeichnet sich jedoch ein Trend zu anspruchsvolleren Non-Standard-Datenbanken ab, deren Funktionsumfang von Großrechner-Datenbanken abgeleitet ist. Und hier sehen deutsche Software-Entwickler plötzlich viel besser aus.

Amerikanische Kunden sind risikofreudiger

Daß US-Softwarehäuser bei den PC-Datenbank-Standardprodukten eine überragende Rolle spielen, hat verschiedene Ursachen, bei denen vor allem zwei wesentliche Gründe herausragen: Zum einen haben sie sich erheblich früher mit dem entstehenden Bedarf beschäftigt. Zum anderen haben sie von Anfang an auch auf eine internationale Verbreitung gesetzt und dabei ein konsequentes Marketing betrieben, was europäischen und vor allem deutschen Softwarehäusern heute noch schwerfällt. Die deutsche Denkweise ist im Regelfall kontinental, die der Amerikaner international.

Hinzu kommen unterschiedliche Auffassungen über den Grad der notwendigen Funktionssicherheit, Qualität und Vollständigkeit - sowohl von seiten der Software-Hersteller als auch der Software-Benutzer. US-Anwender sind eher bereit, kleinere Ungereimtheiten in Kauf zu nehmen ("Hauptsache, man kann damit arbeiten") als die auf 100prozentige Leistungserfüllung erpichten deutschen Anwender.

User werden oft für dumm verkauft

Schaut man sich nämlich das aktuelle Angebot an PC-Datenbanken etwas näher an, so sind unter der hübschen Verpackung gravierende Leistungsunterschiede erkennbar. Dies gilt vor allem für die Zugriffs- und Speichertechniken oder die Transaktionsmanagement-Verfahren, die zum Teil äußerst simpel ausgeführt sind oder sogar gänzlich fehlen.

Es ist kein Geheimnis, daß mit dem qualitativ hochwertigen Begriff "Datenbanksystem" von manchen PC-Softwareproduzenten mitunter sehr "großzügig", wenn nicht sogar leichtfertig verfahren wird. Wenn es zum Beispiel in der Praxis heißt "Die Größe einer Datei ist auf den Umfang des Hauptspeichers begrenzt" oder "Anfragen werden prinzipiell durch sequentiellen Zugriff auf alle Sätze einer Datei beantwortet", dann sind erhebliche Zweifel berechtigt, was die Verwendung des Namens "Datenbanksystem" betrifft.

Daß der Anwender hier leicht über den Löffel balbiert wird, macht ein weiteres Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit deutlich. Bei einem mit viel werblichem Aufwand auf den Markt geworfenen "PC-Kalkulationspaket mit Datenbankfunktionen" entpuppten sich die Datenbankfunktionen bei näherem Hinsehen schnell als simple "Sortier- und Suchfunktionen" in einer Kalkulationstabelle. Das Produkt ist sicher nützlich für Kalkulationsaufgaben, erweckt aber völlig falsche Erwartungen in Richtung "Datenbanksystem".

Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der PCs dank der 32-Bit-Prozessoren und der sich abzeichnenden PC-Vernetzung nehmen bei Profi-Anwendern und bei den Software-Entwicklern die Ansprüche an PC-Datenbanksysteme rapide zu. Auf der einen Seite soll der Funktionsumfang von Großrechner-Systemen erreicht werden, auf der anderen Seite werden "leicht verständliche" und möglichst interaktive Schnittstellen gefordert.

Mit der zunehmenden Verbreitung der PC-Netzwerke können heute auch Mehrbenutzer-Umgebungen geschaffen werden, wobei die Kontrolle des konkurrierenden Zugriffs und der Behandlung fehlerhafter Zustände dem Datenbanksystem übertragen wird. Und schließlich müssen moderne Datenbanksysteme als Bestandteil eines "Werkzeugkastens" in die neueren Methoden des Software-Engineering integrierbar sein. Dies alles führte dazu, daß der Markt für PC-Datenbanken stark in Bewegung geraten ist.

Die Kenntnis über die Schwachstellen heutiger PC-Standard-Datenbanken hat in den letzten Monaten eine Flut von Neuvorstellungen und Produktankündigungen hervorgerufen. So haben große US-Softwarehäuser vor kurzem Pläne veröffentlicht, die eine Erweiterung ihrer PC-Software um einen Datenbankmanager vorsehen. Auf der anderen Seite planen Anbieter von Großrechner-Datenbankmanagement-Systemen verstärkt PC-Versionen oder bieten diese bereits an. Vor diesem Hintergrund bekommen die bereits existenten und funktionierenden Datenbanksysteme deutscher Softwarehersteller zusätzliche Bedeutung.

Da es sich dabei im Vergleich zu den amerikanischen Anbietern um eher kleine Softwarehäuser handelt, fehlt es ihnen jedoch im Regelfall an dem Bekanntheitsgrad und der Marketingkraft ihrer amerikanischen Konkurrenten. Man darf nicht vergessen, daß US-Softwarehäuser dank großzügiger Risikokapital-Investoren von Anfang an über ganz andere Mittel verfügten.

Gute Produkte allein reichen nicht aus

Deutlich wird der Unterschied zur amerikanischen. Konkurrenz auch, wenn man sich das Marketing deutscher Softwarehäuser genauer anschaut. Viele von ihnen haben noch nicht erkannt, daß Image, Bekanntheitsgrad und Marketing heute mindestens so wichtig sind wie die Produkte selbst.

Nach einer Untersuchung von IDC stellt das Marketing die "Schwachstelle Nummer eins" der meisten deutschen Softwarehäuser dar. Grund dafür ist neben der früher üblichen Auftragsprogrammierung das fehlende Verständnis für diese "artfremden Funktionen". Wer heute im immer härter werdenden Software-Wettbewerb überleben will, kommt an einer systematischen Marketingarbeit nicht mehr vorbei.

Im Bereich hochwertiger, individueller Datenbanksysteme besteht heute für deutsche Anbieter gleichwohl kein Anlaß mehr zu Minderwertigkeitskomplexen gegenüber den High-Tech-Unternehmen amerikanischer Provenienz.

* Gerhard Pleil ist Inhaber der Unternehmensberatung PMI/Pleil Marketing in Stuttgart.