Neuer Weg der Kapitalbeschaffung?

Deutsche Start-up-Firmen wagen Privat Placement

05.09.1997

"Wir wollen Publicity erzeugen, keinesfalls aber ein Publicity-Gag sein", unterstrich Volker Rofalski, kaufmännischer Leiter und Pressesprecher von Internet 2000 in Personalunion, das ernsthafte Ansinnen seines Unternehmens. Ende Oktober, so die optimistische Einschätzung der Verantwortlichen des im April 1996 gegründeten Distributors für WWW-und Intranet-Equipment, kann die Company um 750000 Mark Fremdkapital reicher sein. Dann nämlich sind - ein Anhalten des gegenwärtigen Interesses vorausgesetzt - 2000 Aktien im Paket zu zehn Stück für 375 Mark je Anteilsschein über das Internet verkauft worden. 20 Prozent des Kapitals des erst im August von einer GmbH in eine AG umgewandelten Unternehmens würden somit breit gestreut sein - ohne die Zuhilfenahme eines Börsengangs.

"Ungewöhnliche Firmen müssen manchmal ungewöhnliche Wege gehen", rührte Internet-2000-Chef und -Gesellschafter Axel Schultze bei der Vorstellung des auch beim "Privat Placement" unabdingbaren Börsenprospekts die Werbetrommel in eigener Sache. Die Probleme hiesiger Banken mit der klassischen Kreditfinanzierung im High-Tech-Bereich seien hinlänglich bekannt und auch Venture-Capital-Firmen hätten für ein kleines Unternehmen, das selbst kein Hersteller sei, kaum Interesse gezeigt, berichtete Schultze. Und für eine normale Emission an der Börse fehlten wichtige Voraussetzungen: Das Unternehmen ist zu klein und vor allem für die Aufnahmekriterien der meisten Wertpapierbörsen noch zu jung - ganz zu schweigen von den Kosten, die Experten mit rund zehn Prozent des Emissionskapitals veranschlagen.

Schultze, 1983 Mitbegründer der Computer 2000 AG und später Chef des Netzwerk-Distributors Asonic, hat daher schon im Mai quasi als Testlauf 1050 Aktien seines Unternehmens rund 40 ausgewählten Geschäftspartnern via Internet angeboten. Nach dem, so Schultze, "überwältigenden Echo im Markt" begann die Internet 2000 AG diese Woche mit dem öffentlichen Verkauf der restlichen 950 Aktien im Web - nachdem mit der Hinterlegung eines Emissionsprospektes beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) sowie diversen Pflichtveröffentlichungen in überregionalen Börsenzeitungen die gesetzlichen Auflagen erfüllt wurden.

Viel versprechen kann Schultze seinen künftigen Mitgesellschaftern indes nicht. Die Company bewegt sich zwar seit Beginn ihrer Geschäftstätigkeit am Break-even, bescheidenen Gewinnen stehen aber ebenso bescheidene Umsätze gegenüber. Knapp zwei Millionen Mark sollen es dieses Jahr sein; 3,5 respektive sechs Millionen Mark legt der Business-Plan für 1998 und 1999 fest.

Dividende soll weiterem Wachstum geopfert werden

Schultze, der Internet 2000 hauptsächlich als Vollsortiment-Distributor im seiner Ansicht nach erst in den kommenden Jahren booomenden Intranet-Markt positionieren will, möchte daher möglichst viele Anteilseigner dazu bewegen, auf Dividendenausschüttungen zugunsten des weiteren Ausbaus der Company zu verzichten.

Effektive Wachstumsfinanzierung zu einem günstigen Preis war auch das Motiv für die Hildesheimer Pios Computer AG, Anteile am Unternehmen via Internet anzubieten. Das im Mai 1996 gegründete Unternehmen war einer der ersten deutschen Distributoren von Mac-Clones des taiwanischen Herstellers Umax und präsentierte auf der diesjährigen CeBIT den ersten "Power-PC" aus eigener Entwicklung. Der Ausbau weiterer Fertigungskapazitäten sowie die Entwicklung neuer Multiprozessorsysteme erfordern nun aber zusätzliche Mittel.

Fremdfinanzierung durch Kreditinstitute war für die norddeutschen Newcomer aber eigenen Angaben zufolge nie ein Thema. Und einen teuren sowie aufwendigen Börsengang konnte und wollte man, so Vorstandschef Stefan Domeyer gegenüber der COMPUTERWOCHE, "weder dem Unternehmen selbst noch den Anlegern zumuten". Konsequenz: Die Hildesheimer, die 1996 ein Minus von 380000 Mark bilanzierten, bis zum Jahr 2000 aber einen Umsatz von 20 Millionen Mark anstreben, verkaufen daher seit Mitte August die "P-Aktie" im Internet. Insgesamt handelt es sich um 2000 Pakete mit jeweils 50 Stammaktien zu einem Preis von 1000 Mark sowie 130 Pakete mit jeweils 100 stimmrechtslosen Vorzugsaktien für 1500 Mark.

Darüber, daß mit dem öffentlichen Aktienhandel - egal ob im Internet oder auf dem klassischen Börsenparkett - alles seine zumindest formale Richtigkeit hat, wacht besagtes BAWe, wo man laut Pressesprecher Jürgen Oberfrank "innovativen Firmen bei der Kapitalbeschaffung auf keinen Fall den Weg verbauen möchte".

Investoren, die sich für Aktienangebote im Internet interessieren, sollten demnach, so Oberfrank, bis auf weiteres eine "gesunde Portion Skepsis" mitbringen. Mehr als die Vollständigkeit des Börsenprospektes könne man derzeit nicht überprüfen. Dies sei jedoch "nicht für die Show". Kommen nach dem Verkauf im Web bei einem etwaigen sich fortsetzenden außerbörslichen Handel doch noch hauptamtliche Broker oder Geschäftsbanken ins Spiel, verfüge man bei Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen oder einer nachweisbaren Täuschung der Anleger durchaus über "Sanktionsmöglichkeiten".

Knapp und ebenso eindeutig gab sich die Deutsche Börse AG als Vertreterin der etablierten deutschen Aktienhandelsplätze in einer Stellungnahme gegenüber der COMPUTERWOCHE: "Das Internet wird nach der Überwindung von Kinderkrankheiten in Zukunft einen ernstzunehmenden Vertriebskanal darstellen." Handelsplätze würden die Kunden allerdings nach dem Angebot, der Preisqualität und den Transaktionskosten bewerten. Hier habe sich die Deutsche Börse als mit Abstand preisgünstigstes Liquiditätszentrum für alle deutschen Papiere positioniert. "Insofern werden wir zwar weiterhin mit den bisherigen Wettbewerbern, etwa dem OTC-Handel oder anderen Weltbörsen konkurrieren, sind aber kaum durch die Aktivitäten eines Internet-Newcomers zu gefährden", hieß es weiter.