Erneute Kritik am "Anwendungsstau"

Deutsche IuK-Branche bläst zur Wachstumsoffensive

27.03.1998

1997 ist der deutsche IuK-Markt um knapp sieben Prozent auf 180 Milliarden Mark gewachsen. Für das laufende Jahr gehen beide Fachverbände von einer weiter steigenden Nachfrage aus, die den Markt auf ein Volumen von über 190 Milliarden Mark anheben dürfte. 1999 soll dann, wie Harms und Mecklinger betonten, die 200-Milliarden-Mark-Schwelle klar überschritten werden. Von dieser dynamischen Entwicklung gingen auch starke Impulse auf die Beschäftigungssituation aus. Harms sprach von der Schaffung rund 100000 neuen Arbeitsplätzen in den kommenden zwei Jahren und einem "Silberstreif am Horizont des Arbeitsmarktes".

Der deutsche IT-Gesamtmarkt, also Hardware, Software und Services, gewann Harms zufolge wieder spürbar an Fahrt. Das "leichte Zwischentief" des vergleichsweise geringen Zuwachses von fünf Prozent im Jahr 1996 sei überwunden. 1997 seien die Umsätze der deutschen IT-Firmen um 6,3 Prozent von 80 auf 85 Milliarden Mark gewachsen. Für dieses Jahr rechnen die Experten des Fachverbands Informationstechnik mit einer Zunahme von 7,7 Prozent auf 92 Milliarden Mark. 1999 werde sich diese Rate sicherlich weiter steigern lassen, hieß es.

1997 sei der IT-Servicemarkt in Deutschland um elf Prozent auf 16,9 Milliarden Mark gewachsen. 1998 dürfte dieser Bereich um 13 Prozent auf 19 Milliarden Mark zulegen, führte Harms aus. Das Softwaregeschäft entwickle sich "auf hohem Niveau erfreulich" und werde aller Voraussicht nach in diesem Jahr einen Anteil am Gesamtumsatz der Branche von zehn Prozent erreichen. Bereits 1997 habe der Softwaremarkt um 9,2 Prozent auf ein Volumen von 20 Milliarden Mark zulegen können.

Der Bereich Hardware (ohne Bürotechnik) wuchs 1997 um fünf Prozent auf 35,7 Milliarden Mark; für 1998 geht Harms von einer Steigerung um 6,3 Prozent auf 38 Milliarden Mark aus.

Wenn man so wolle, leide die Hardware momentan ein wenig unter dem Boom bei Software und IT-Services, führte Harms weiter aus. Die Umstellung großer DV-Systeme auf das Jahr 2000 und den Euro erfordere bei Anwenderunternehmen in Deutschland derzeit jährliche Ausgaben in Höhe von etwa zehn Milliarden Mark. Inbesondere im Hardwarebereich würden deshalb Investitionen zurückgestellt, die jedoch in zwei bis drei Jahren "nachgeholt" werden dürften. Zu den auf jeden Fall auch 1998 boomenden Hardware-Geschäftsfeldern dürften NT-Server mit einem Plus von 36 Prozent auf ein Volumen von zwei Milliarden Mark, LAN-Equipment mit einem Zuwachs von 13 Prozent auf ebenfalls zwei Milliarden Mark sowie mobile PCs mit einer Steigerung von zwölf Prozent auf vier Milliarden Mark gehören.

Der deutsche Markt für Telekommunikation (Dienste und Technik) ist nach Angaben Mecklingers 1997 um sieben Prozent von 88,2 auf 94,5 Milliarden Mark gewachsen. Für das laufende Jahr erwartet der Vorsitzende des Fachverbands Kommunikationstechnik ein Wachstum um sieben Prozent auf über 100 Milliarden Mark. Bei den TK-Services scheine, so Mecklinger, unter optimistischen Annahmen sogar eine Steigerung von zehn Prozent realisierbar. Damit würde der Dienstemarkt auf ein Volumen von 83,5 Milliarden Mark wachsen. Gehe man indes von einer "hohen Preissensibilität" der Nachfrage aus, ergebe sich für 1998 eine Wachstumsabschwächung auf fünf bis sechs Prozent und im kommenden Jahr sogar auf vier bis fünf Prozent, warnte Mecklinger vor den aus Sicht der Industrie eher negativen Folgen eines anhaltenden Preiskampfes im deutschen TK-Markt.

Kritisch setzten sich beide Spitzen-Manager erneut mit der hierzulande fehlenden Bereitschaft auseinander, neue Technologien einzusetzen. Die deutsche IT-Infrastruktur müsse "weltweit keinen Vergleich scheuen", betonte Harms. In puncto geschäftlicher Nutzung des Internet rangiere Deutschland aber weit abgeschlagen. Harms wörtlich: "Wenn wir als führende Wirtschaftsnationen bestehen wollen, müssen wir den Wandel vom Grund-Boden-Stahl-und-Stein-Geschäft zum Electronic Business schaffen."

Mecklinger hob vor allem die Rolle der deutschen TK-Ausrüsterfirmen hervor. Diese müßten sich in diesem Jahr auf den erwarteten Volumenrückgang nach dem Abschluß der Digitalisierung des Telekom-Netzes einstellen - eine Tatsache, an der auch die Investitionen der neuen Netzbetreiber von jährlich ein bis zwei Milliarden Mark nichts änderten. Gleichwohl habe man mit der Beendigung besagten Projekts "in Weltrekordzeit" erst die Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb geschaffen. Nicht zuletzt deshalb sei deutsche TK-Technik weltweit "zum Exportschlager" avanciert. Um so bedauerlicher sei es, daß hierzulande immer noch zuviel über Tarife und zuwenig über "brillante Lösungen und Anwendungsperspektiven" gesprochen werde.

Mecklinger sprach sich in diesem Zusammenhang für die Prägung des Begriffs "Telecom Valley" in Deutschland als eine Art globales Markenzeichen aus. Deutsche TK-System- und -Anwendungstechnik sei mit ISDN, GSM-Mobilfunk und bereits auch der Erprobung von ADSL weltweit führend und müsse mit einem "entsprechenden Branding" versehen werden. Der Verbandschef appellierte an Hersteller, Netzbetreiber und Anwender gleichermaßen, mehr Mut zum Risiko und damit zu Investitionen zu zeigen: "Henne-Ei-Probleme, bei denen neue Multimedia-Anwendungen nicht kommen, weil das Netz sie nicht verkraftet, und das Netz nicht ausgebaut wird, weil es nicht genug Verkehr gibt, dürfen gar nicht erst entstehen.