Deutsche IT-Manager planen schlecht

30.01.2006
Analyse, Transparenz und Planung kommen in den IT-Organisationen zu kurz. Das ergab eine Gemeinschaftsstudie der Technischen Universität München (TUM) und der COMPUTERWOCHE zum Thema IT-Management.
Mehr als die Hälfte der befragten Firmen hält ihr IT-Budget nicht ein.
Mehr als die Hälfte der befragten Firmen hält ihr IT-Budget nicht ein.
IT-Funktionen mit Relevanz fürs Kerngeschäft scheiden meist aus.
IT-Funktionen mit Relevanz fürs Kerngeschäft scheiden meist aus.

Nur 43 Prozent aller IT-Vorhaben der vergangenen drei Jahre waren erfolgreich. Das ist ein Resultat der gemeinsam von der computerwoche und dem Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der TUM vorgenommenen Untersuchung. 48 Prozent der Technikprojekte waren dagegen nur teilweise erfolgreich: Entweder wurde der Zeitrahmen gesprengt (nahezu 30 Prozent), das Projektbudget nicht eingehalten (fast zehn Prozent) oder der Inhalt des Vorhabens maßgeblich verändert (10,5 Prozent).

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

570241: Weg mit der defensiven Sparlogik! (Ratgeber);

569697: Der RoI sagt nur die halbe Wahrheit (Ratgeber);

569368: So werden IT-Kosten transparent;

568602: BASF schafft Kostentransparenz (Projektbericht).

Hier lesen Sie …

• woran IT-Projekte in deutschen Firmen scheitern;

• wo die organisatorischen Schwachstellen in der IT liegen;

• was den größten Anteil des IT-Budgets verschlingt:

• wo die IT-Leistungsverrechnung noch Unzulänglichkeiten aufweist;

• wie Unternehmen IT-Funktionen auslagern.

Die Studie

Um herauszufinden, wie es hierzulande um das IT-Management bestellt ist und unter welchen Bedingungen die IT einen optimalen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann, hat der Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität München (TUM) in Kooperation mit der computerwoche unter der Leitung der promovierten Volkswirtin Christiane Mauch eine Untersuchung vorgenommen. Von Juli bis Ende Oktober 2005 wurden IT-Verantwortliche zu den diesbezüglichen Gegebenheiten und Verfahrensweisen in ihren Unternehmen befragt. An der qualifizierten Studie "Erfolgsfaktoren für das IT-Management" haben 65 überwiegend international agierende Firmen teilgenommen. 27 Prozent der befragten Unternehmen erzielen einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro, bei nahezu einem Fünftel liegen die Einnahmen über zehn Milliarden Euro.

Die Gewinner

Unter den Studienteilnehmern haben wir fünf Eintrittskarten für die hochkarätige Management-Veranstaltung "Münchner Management Kolloquium (MMK)" am 7./8. März 2006 ausgelost.

Die Gewinner sind:

• Ulrich Torrek

• Uwe Hoch

• Georg Roth

• Gerhard Büchner

• Bodo Deutschmann

Problemzone Projektlaufzeit

Laut Untersuchung tendieren die Unternehmen offenbar dazu, vom Idealfall auszugehen, und beziehen mögliche Negativeinflüsse nicht in ihre Projektplanung ein. So besteht beispielsweise die Gefahr, dass eventuelle technische Verzögerungen nicht hinreichend berücksichtigt werden. Die weit verbreitete zeitliche Fehlkalkulation mag nicht zuletzt auch darin begründet liegen, dass zwei Drittel der Unternehmen ihre IT-Mitarbeiter auf zwei und mehr Vorhaben gleichzeitig ansetzen: Der damit einhergehende erhöhte Koordinationsaufwand wird nach Ansicht von Betriebswirtschaftsprofessor Horst Wildemann, an dessen Lehrstuhl die Umfrage vorgenommen wurde, unterschätzt. Das könne eine sinnvolle Priorisierung erschweren sowie personelle Engpässe und dadurch längere Projektlaufzeiten nach sich ziehen.

Das lässt nicht nur auf Mängel im Projekt-Management schließen: Auch das Projekt-Controlling - etwa in Sachen Leistungsfortschrittskontrolle oder einer iterativen Überprüfung der Relevanz des Vorhabens - kommt hierzulande offenbar zu kurz. Die IT-Abteilung der Fressnapf Tiernahrungs GmbH kann davon ein Lied singen. So hatten sich in einigen Fällen die Marktgegebenheiten oder auch Teile der Unternehmensstrategie geändert, nachdem die IT-Leistung erbracht worden war. "Wir hatten dann eine fertige Lösung zur Verfügung, die einfach nicht eingesetzt wurde", erinnert sich Bernd Hilgenberg, Ressortleiter IT bei dem Franchise-Unternehmen für Tiernahrung und Zubehör.

Zusammenarbeit ohne System?

Die Ursachen für das Scheitern von Projekten - bei Fressnapf handelt es sich dabei um knapp zehn Prozent der Technikvorhaben - seien bislang jedoch nicht auf das Unvermögen der IT, sondern stets auf veränderte Rahmenbedingungen beziehungsweise das dynamische Geschäft des Unternehmens zurückzuführen gewesen.

Auch an der systematisierten Zusammenarbeit zwischen Fach- und IT-Abteilung scheint es noch immer zu hapern: In nur 15,6 Prozent der befragten Unternehmen erfolgt diese nach eindeutig definierten und dokumentierten Prozessen, während sich rund 56 Prozent der Firmen hier nur streckenweise an klaren Abläufen orientieren und ansonsten weitgehend "flexibel" verfahren. Definierte Prozesse und Meilensteine seien jedoch unerlässlich, wenn es darum geht, die Anforderungen der Anwender in einem möglichst frühen Stadium transparent zu machen - und in der Folge die Kosten für Anpassung und Produktpflege zu senken, verdeutlicht Wildemann den diesbezüglichen Handlungsbedarf.

IT-Budgets - Tendenz steigend

Rund 80 Prozent der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass ihre verfügbaren Technikmittel in den kommenden drei Jahren steigen (46 Prozent) oder sich auf dem gleichen Niveau halten (33,3 Prozent) werden. "Offenbar wird die IT nicht mehr primär als Rationalisierungsinstrument, sondern zunehmend als strategische Waffe im Wettbewerb angesehen", interpretiert Wildemann die Finanzprognosen der CIOs.

Beim Gros der Unternehmen (etwa 65 Prozent) macht das IT-Budget allerdings nur einen geringen Anteil des Jahresumsatzes (ein bis vier Prozent) aus. Angesichts steigender Einnahmen geht Andreas Resch, CIO der Bayer AG, für sein Unternehmen sogar davon aus, dass dieser in den kommenden drei Jahren noch zurückgehen wird - und sieht dies eher positiv: "Unser Ziel ist es, sowohl im operativen Run- als auch im Change-Bereich die Leistung zu erhöhen - bei relativ und womöglich auch absolut sinkenden Kosten." Die Frage, ob ein großes oder ein kleines IT-Budget besser zu bewerten ist, lässt sich laut Resch nur differenziert nach Run- und Change-Bereich sinnvoll beantworten. So wäre es beispielsweise absurd, stolz darauf zu sein, die im laufenden Betrieb erbrachten Leistungen morgen für mehr Geld zu schaffen. Im Change-Bereich wiederum herrscht seiner Erfahrung nach eine andere Logik: "Je mehr Projekte mit positiven wirtschaftlichen Effekten man abwickeln kann, desto besser", so der CIO. Das allerdings sei nicht gleichzusetzen mit der Devise: Je mehr Projekte, desto besser.

Immerhin knapp 30 Prozent der teilnehmenden Firmen gaben jedoch an, mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes für IT aufzuwenden. Bei gut der Hälfte davon, insgesamt 16,7 Prozent, macht der Techniketat sogar gut acht Prozent der Jahreseinnahmen aus.

Der Erhebung zufolge sind aber gut 16 Prozent der befragten IT-Organisationen nicht dazu in der Lage, ihr Budget einzuhalten: Sie teilten mit, ihren Etat in den vergangenen drei Jahren - zum Teil signifikant - überzogen zu haben. Dafür haben immerhin knapp 38 Prozent die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausgeschöpft. Doch auch die Budgetunterschreitung erachten die Studieninitiatoren als Hinweis auf planerische Schwächen: Sie sei nicht etwa als löbliches Sparverhalten zu werten, sondern deute vielmehr auf prophylaktisch eingebaute, hernach aber ungenutzte Sicherheitspuffer hin. "Offensichtlich werden die IT-Verantwortlichen im Budgetierungsprozess nicht hinreichend gefordert", bemängelt Christiane Mauch, Leiterin und Autorin der Studie.

Ein Unterschreiten des IT-Etats muss jedoch nicht zwingend im Absicherungsbedürfnis der IT-Organisation begründet sein. Bei Fressnapf beispielsweise wird zwar in der Regel nicht zu wenig ausgegeben, aber Etatunterschreitungen kommen durchaus vor - und zwar, wenn unerwartet Kosten eingespart werden können. "Mit Hilfe intelligenter Techniken ist es uns gelungen, bei der Ausweitung unserer Aktivitäten in neue Länder die Übersetzungskosten zu senken. Darüber hinaus haben wir Ausgaben für das Entwickeln und Einführen neuer Software durch Eigenleistung reduziert", nennt IT-Chef Hilgenberg Beispiele. Häufig stellten sich diese Erkenntnisse jedoch erst im Laufe des Projekts ein - demnach sei eine Unterschreitung des IT-Etats eher ein glücklicher Zufall als das Ergebnis planerischen Handelns. Das Budget zu überziehen, könne sich sein Team hingegen nicht leisten. Für unvorhergesehene Projekte seien zusätzliche Mittel durchzusetzen - und auch der Business Case müsse stimmen, erklärt Hilgenberg. Um hier für Systematik und Transparenz zu sorgen, führt der Mittelständler derzeit ein unternehmensweit einheitliches Projekt-Management ein.

Kosten und Investitionen

Der Studie zufolge entfällt der größte Anteil der IT-Budgets auf die laufenden Kosten. Das Gros dieser Aufwendungen fließt in den Bereich Software, während die Hardware in Sachen Neuanschaffungen die Nase vorn hat. Die ausschlaggebenden Gründe für Investitionsentscheidungen sind hier inzwischen nicht mehr die jeweiligen Abschreibungszyklen, sondern "Produktivitätszuwachs", gefolgt von "höheren Anforderungen neuer Software" und der "Ablösung alter Techniken".

Die Häppchenmethode

Nur 20 Prozent der Firmen fassen thematisch ähnliche IT-Vorhaben überwiegend zu Großprojekten zusammen. Das Zerstückeln in leichter verdauliche Teilprojekte unterhalb der Genehmigungsgrenze lässt laut Studie einen Mangel an überzeugenden Business Cases vermuten. "Statt einer Maschine werden hier Einzelteile gekauft und zusammengebaut", veranschaulicht Wildemann. Er befürchtet, dass IT-Verantwortliche Probleme haben, für umfangreichere Projekte die nötigen Budgets durchzusetzen. Ein weiteres Indiz für ein Denken in zu kleinen Dimensionen sei, dass nahezu 60 Prozent der IT-Projekte in den vergangenen drei Jahren ein Volumen von lediglich 100 000 Euro aufwiesen. Diese Vorgehensweise erschwere es nicht nur, das Projektportfolio zu steuern, sondern auch die Gesamtkosten zu ermitteln.

Den größten Anteil der IT-Vorhaben machen bei den hiesigen Firmen strategische Projekte und Weiterentwicklungen bestehender Systeme aus. Gesetzlich vorgeschriebene IT-Maßnahmen hingegen nahmen in den vergangenen drei Jahren noch wenig Raum ein. Ausschlaggebendes Kriterium bei der Auswahl der Projekte ist für gut die Hälfte der Unternehmen die "strategische Notwendigkeit".

IT-Organisation und -Prozesse

In nahezu zwei Dritteln der untersuchten Unternehmen (64,6 Prozent) ist die IT organisatorisch auf Vorstandsebene angesiedelt - entweder in Form eines CIO als Mitglied des Führungsgremiums oder durch einen Vorstand, der zusätzlich zu anderen Aufgaben die IT verantwortet. Bei über 70 Prozent agiert die Technikorganisation als eigene, zentrale und von den Fachabteilungen beauftragte Einheit - eine Entwicklung, die die Studieninitiatoren für eine zu begrüßende Rückkehr zu den Gegebenheiten vor fünf bis acht Jahren halten.

Den häufig propagierten Ansatz, IT-Leistungen als Produkte mit festgeschriebenem Preis-Leistungs-Ausweis anzubieten, scheinen die hiesigen Technikorganisationen aber noch nicht hinreichend verinnerlicht zu haben: Etwa 64 Prozent der Unternehmen verfügen über einen IT-Leistungskatalog mit bis zu 100 Komponenten - laut Untersuchung scheinen hier Ordnungsprinzipien vonnöten. "Das gleicht einem Bauchladen und ist viel zu viel", bemängelt Wildemann.

Das Gießkannenprinzip

Den Ergebnissen zufolge ist der Wettbewerb bei der IT-Leistungsvergabe weitgehend ausgeschaltet. So werden die technischen Dienstleistungen in rund 55 Prozent der befragten Unternehmen grundsätzlich intern beschafft. Des Weiteren legen nur elf Prozent der Firmen der Leistungsvergabe und -verrechnung Marktpreise zugrunde. Offenbar scheuen die Firmen den Aufwand, externe Preise einzuholen - und die IT-Organisationen den Vergleich mit externen Dienstleistern. Infolgedessen fallen die IT-Kosten nicht selten höher aus als notwendig.

Lediglich 16 Prozent der Teilnehmer verrechnen die erbrachten IT-Leistungen in Profit-Center-Manier ausschließlich über die auftraggebende Fachabteilung. Weitere 46,8 Prozent handhaben dies ebenso - allerdings nur, wenn sich die Services eindeutig zuordnen lassen. Wenig Interesse an Wettbewerbsstrukturen zeigen hingegen jene 37 Prozent, die sich nicht die Mühe machen, ihre erbrachten Leistungen zuzuordnen, und die Kosten im reinen Umlageverfahren verrechnen. "Hier findet eine Quersubventionierung statt, die auf eine unzureichende IT-Leistungsverrechnung hindeutet", moniert Wildemann.

Das Management ihrer Service-Level-Agreements (SLAs) erfolgt bei rund 45 Prozent der Unternehmen je nach Situation unterschiedlich, während sich in gut 30 Prozent der Fälle ein gemischtes Team aus Vertretern der Fachabteilung und der IT dem Thema widmet. Als positive Tendenz wertet es die Studie, dass immerhin rund zehn Prozent der Firmen bereits einen SLA-Manager beschäftigen. Bayer-CIO Resch ist hier anderer Meinung: Für ihn besteht - abgesehen von einer Übergangsphase im Aufbau - kein triftiger Grund, das Management der SLAs von der Delivery zu trennen. "Es ist immer prekär, wenn die Qualitätssicherung aus dem Prozess herausgenommen und dann irgendwo ein weiterer Bereich aufgebaut wird, um die Nachbesserung zu steuern", gibt der IT-Manager zu bedenken.

Der Wirt spricht Deutsch

Überraschende Ergebnisse lieferte der Fragenkomplex zum Thema Outsourcing: Die Unternehmen bevorzugen beim Auslagern von IT-Funktionen eindeutig den deutschsprachigen Raum (87,9 Prozent). Erst an zweiter Stelle liegt Nearshore in Westeuropa mit 6,4 Prozent, gefolgt von Nearshore in Osteuropa (4,2 Prozent). Das Schlusslicht bildet das Offshore-Outsourcing.

Als wesentliche Gründe für die Fremdvergabe von IT-Funktionen wurden Kostenreduktion (61,5 Prozent) und die Konzentration aufs Kerngeschäft (58,5 Prozent) genannt. Angesichts dieses Ergebnisses überrascht es, dass jedes vierte Unternehmen im Vorfeld der Outsourcing-Entscheidung keine umfangreiche betriebswirtschaftliche Analyse vornimmt. Das mag nicht zuletzt der Grund dafür sein, warum nur sehr wenige Teilnehmer Angaben zu der mittels Auslagerung erwarteten Einsparung machen konnten. Nach einem Hypothesentest der TUM besteht jedoch ein direkter Zusammenhang zwischen Outsourcing-Entscheidungen, die auf Basis von Analysen getroffen wurden, und der Zufriedenheit der Firmen mit dem Kostenergebnis.

Auf die Frage, anhand welcher Kriterien für oder gegen die Auslagerung von Technikleistungen entschieden wird, nannten die Unternehmen die Relevanz für das Kerngeschäft an erster Stelle: So geben 83,6 Prozent kerngeschäftsrelevante sowie stark zur Wettbewerbsdifferenzierung beitragende IT-Leistungen nur ungern in fremde Hände.