Deutsche Industrie nimmt EG-Gelder nicht in Anspruch Die Wirtschaft entdeckt EDI als Tool fuer Lean Management

03.12.1993

STUTTGART (pg) - Die Rezes-sion zeigt Wirkung: Der Electronic Data Interchange (EDI) wird zum Management-Thema in deutschen Unternehmen. Waehrend die Diskussion um den elektronischen Austausch von Handelsdaten bisher meist technisch gefuehrt wurde, nahm auf dem EDI'93-Kongress in Stuttgart auch der Aspekt der Veraenderung von Geschaeftsprozessen durch EDI breiten Raum ein.

Auf dem "4. Deutschen Kongress fuer elektronischen Datenaustausch" wurde den Technikern und ihrer Definition von branchenspezifischen EDI-Nachrichten die Schau gestohlen. Zufall oder nicht, aber in der schwaebischen Hauptstadt drueckte die rezessionsbedingte Sparwelle der Diskussion ihren Stempel auf. Aufmerksamkeit erregten in erster Linie diejenigen, die mit der Betrachtung von EDI als Tool zur Effizienzsteigerung in Geschaeftsablaeufen eine bisher vernachlaessigte Dimension in die EDI-Thematik brachten.

Zielgruppe der Manager aus den Augen verloren

"Die eigentliche Schwierigkeit ist die Harmonisierung der Geschaeftspraktiken untereinander", sagte Hans-Juergen Bartels, Leiter Geschaeftsprozesse und EDI-Koordination bei der Volkswagen AG, auf der Podiumsdiskussion in Stuttgart. Der Experte erteilte damit dem Gerede um Edifact, Branchenstandards, Nachrichten und Subsets, das bisher im Mittelpunkt diverser Veranstaltungen stand, eine Absage. Insgesamt, so Bartels, machten diese Fragen nur fuenf Prozent des Problems aus.

Nach Ansicht des VW-Managers geht es jetzt vielmehr darum, zu einer prozessorientierten Organisation zu kommen. Im Klartext heisst das: Es muessen zum Beispiel fuer die Logistik Verfahren definiert werden, die als Massstab in die Harmonisierung der Geschaeftsbeziehungen einfliessen und dann, in der Folge, direkten Einfluss auf Branchenstandards oder Edifact-Subsets haben.

Rueckendeckung erhielt Bartels auch von Peter Melcher, Geschaeftsfuehrer der Unternehmensberatung KPMG. Mit einem Seitenhieb auf die Entwickler von Edifact-Subsets warnte er davor, EDI zu sehr als Selbstzweck der Techniker zu sehen. EDI muesse, so Melcher, viel staerker als wichtiges Instrument der Informationsverarbeitung betrachtet werden, das die Ablauforganisation in Unternehmen wesentlich beeinflusse.

Zustimmung fand Melcher auch mit seiner Aussage, das Thema EDI muesse kuenftig anders kommuniziert werden. Die Zielgruppe der Entscheidungstraeger, die unter Aspekten der Kosten-Nutzen-Analyse ueber den Einsatz von EDI-Verfahren befindet, sei in der Verbreitungsstrategie von EDI staerker zu beruecksichtigen. Insgesamt, so die Experten, fuehrt an dem weltweiten Standard Edifact, der ein allgemeingueltiges Regelwerk zur Erstellung von Handelsnachrichten vorgibt, kein Weg mehr vorbei. Kritik aeusserte in diesem Zusammenhang jedoch Karl-Adolf Hoewel, bei der Datev im Unternehmensbereich Grundsatzstrategien taetig. Er sieht in der branchenspezifischen Entwicklung von Edifact-Subsets einen Hemmschuh fuer die Verbreitung von EDI und dessen Nutzung in Geschaeftsprozessen, insbesondere in Companies, die branchenuebergreifend agieren muessen.

Um die EDI-Anwendung in Deutschland zu forcieren, regte Melcher die Idee einer Anschubfinanzierung an, die die EG-Kommission im Rahmen von Tedis - einem EG-Projekt zur Verbreitung von EDI in Europa - leisten koennte. Im Zuge von Tedis werden laut Hans Roden von der EG-Kommission noch bis Juli 1994 Gelder ausgeschuettet. Roden beklagte aber, dass die Beteiligung deutscher Unternehmen an solchen Projekten bisher gering gewesen sei.