Big Blue macht vier Werke in Europa zu Independent Bussines Units

Deutsche IBM zerlegt Produktion in vier Tochtergesellschaften

09.04.1993

Von der Umwandlung in unabhaengige Geschaeftseinheiten betroffen sind die Halbleiter- und Mainframe-Fabriken in Montpellier und Valencia. Darueber hinaus agieren kuenftig die Massenspeicher- Fertigung im englischen Havant sowie das Druckerwerk im schwedischen Jarfalla ebenfalls als umsatz- und gewinnverantwortliche Geschaeftseinheiten. Allerdings berichten die Manager vor Ort, die die Dienstleistungen ihrer Units kuenftig auch Dritten anbieten sollen, weiterhin an die jeweiligen nationalen Niederlassungen der IBM. Die ab sofort wirksame Umorganisation der Fertigungsstaetten war notwendig geworden, weil sie fuer die bisherigen IBM-Kunden - die Enterprise Systems, die Technology Group und die Massenspeicher-Tochter Adstar - in der momentanen Geschaeftssituation ueberfluessig sind.

Zwoelf Monate haben die Verantwortlichen Zeit, in die Gewinnzone zu gelangen. Das "Experiment", berichtet die "Financial Times", werde nur weitergefuehrt, wenn die Werke zufriedenstellende Gewinne machen. Sollte nach einem Jahr keine Besserung der Situation eintreten, muessten neue Ueberlegungen angestellt werden. Die Fabriken wuerden aber dann "nicht automatisch" geschlossen, teilte die IBM-Europe auf Anfrage mit. Allerdings gilt die Zukunft der insgesamt 4876 Mitarbeiter angesichts des angekuendigten Stellenabbaus der IBM als ungesichert. In Montpellier beispielsweise sollen in den naechsten zwei Jahren 500 Beschaeftigte gehen.

Wenn sich die Spekulationen als richtig erweisen, wonach der neue IBM-Chef Louis Gerstner bis zu 100 000 Stellen abbauen will, muessten auch die IBM-Dependancen in der Alten Welt, die inzwischen fuer ein Viertel der IBM-Gesamtverluste (1992: 4,97 Milliarden Dollar) verantwortlich sind, scharenweise Beschaeftigte entlassen.

Die Produktionsstaetten der IBM Deutschland werden ebenfalls restrukturiert, wobei die Stuttgarter allerdings einen anderen Weg verfolgen als die uebrigen europaeischen Filialen. Die Halbleiter- und Leiterplattenfabriken in Boeblingen sowie das Werk in Mainz firmieren kuenftig als GmbHs und Toechter der IBM Deutschland Produktion GmbH. Dabei gehoert das Mainzer Werk, in dem Magnetplatten und Plattenlaufwerke fuer mittlere und grosse Systeme hergestellt werden, ab dem 1. Januar 1994 als IBM Deutschland Adstar GmbH zur Massenspeicher-Tochter von Big Blue.

Mit dieser Massnahme, so die IBM Deutschland, duerften die Halbleiter und die Leiterplatten GmbH fuer den Ausbau des OEM- Geschaefts geruestet sein. Gleichzeitig soll mit der Gruendung beider Unternehmen eine "bessere Ausgangsbasis fuer moegliche Partnerschaften geschaffen werden". Damit sind laut Sprecher Stefan Schuetz allerdings keine Kapitalbeteiligungen gemeint, sondern Kooperationen, die der groesseren Auslastung der Werke dienen.

Besonders die Halbleiter-Produktion in Sindelfingen und Boeblingen war in den vergangenen zwei Jahren immer wieder wegen zu hoher Produktionskosten ins Gerede gekommen. Die Bedrohung des Standorts nahm zu, als sich IBM dafuer entschied, den mit Siemens gemeinsam entwickelten 64-Mbit-Chip nicht in Deutschland, sondern nur in den USA zu produzieren.

Die Mittelstand GmbH wird 600 Mitarbeiter beschaeftigen

Die Werksleiter Klaus Kuhnle (Sindelfingen) und Walter Meizer (Mainz) fuehren die Umstrukturierung durch. Dabei haben beide gute Chancen, spaeter zu Geschaeftsfuehrern der Gesellschaften ernannt zu werden.

Ende des vergangenen Jahres beschaeftigte die Produktions GmbH 6400 Mitarbeiter, bis Dezember 1993 sollen es 1100 weniger sein. Von den Verbleibenden arbeiten ab Juli diesen Jahres je 800 Beschaeftigte bei der Halbleiter- und der Leiterplatten GmbH. 2200 Angestellte wird die Adstar GmbH aufweisen, und 1500 IBMer bleiben in der Produktions GmbH. Letztere werden nach Angaben der IBM kuenftig produktionstechnische Services anbieten - und zwar intern wie extern.

Bei der vierten neuen Tochter handelt es sich um die IBM Deutschland Mittelstand GmbH. Sie soll ab Januar 1994 die Gesamtverantwortung fuer den mittelstaendischen Markt uebernehmen und mit einem "erweiterten Loesungsangebot sowie einer besser zusammengefassten Fachkompetenz den Marktanteil der IBM bei kleineren und mittleren Unternehmen spuerbar erhoehen". IBM-Veteran Horst Rose (55) zeichnet fuer die Verwandlung des bisherigen Geschaeftsbereichs in eine GmbH verantwortlich. Das neue Unternehmen mit Sitz in Stuttgart wird 600 Mitarbeiter beschaeftigen.

Rose verspricht sich von der Auslagerung der Mittelstandsorganisation, die hauptsaechlich auf die AS/400- und RS/6000-Palette als Hardwareplattformen setzt, auch eine Imageverbesserung: "Bisher wird die IBM vor allem mit Grossunternehmen und Large accounts in Zusammenhang gebracht. Aber wir generieren bereits heute einen Jahresumsatz von einer Milliarde Mark mit mittleren und kleineren Unternehmen." Von der flexibleren, massgeschneiderten Organisation, wie man sie in der GmbH realisieren koenne, erhofft sich der designierte Geschaeftsfuehrer Kostensenkungen und eine bessere Ausrichtung auf die Klientel.