Umfrage Digitalisierung

Deutsche Hochschulen digitalisieren schleppend

10.01.2018
Von 
Olaf Kempin ist Mitgründer und Co-Geschäftsführer des Darmstädter Personaldienstleisters univativ. Er beschäftigt sich mit Fragen rund um die Personalwirtschaft und den Arbeitsmarkt.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich Hochschulen mit digitalen Angeboten schwer tun. Aber warum?
Da geht noch was! Laut einer Umfrage wünschen sich Studenten mehr digitale Angebote im Studium.
Da geht noch was! Laut einer Umfrage wünschen sich Studenten mehr digitale Angebote im Studium.
Foto: ESB Professional - shutterstock.com

Vorlesungen und Kommunikation in und um die Hochschule sind heutzutage noch überwiegend oldschool. Die meisten Studierenden sind allerdings Digital Natives, also mit digitalen Medien aufgewachsen. Umso erstaunlicher, dass Hochschulen nicht die Vorbild-Rolle für die digitale Transformation einnehmen. Die Umfrage unter 900 Studenten an deutschen Hochschulen, die von univativ durchgeführt wurde, belegt erheblichen Nachholbedarf in der Digitalisierung der bestehenden Hochschullandschaft.

Vorlesungen sind noch überwiegend analog

Vereinzelt findet man bereits „gestreamte“ Vorlesungen, aber zum gängigen Unialltag gehören immer noch der Overhead-Projektor und das Handout auf Papier. Professoren arbeiten innerhalb einer Hochschule auf sehr unterschiedlichen Niveaus im Hinblick auf den Einsatz digitaler Lösungen.

Studierende erwarten heute allerdings ein flexibles Angebot, das sie jederzeit auch von unterwegs oder von zuhause aus nutzen können. So gaben 61 Prozent der Befragten als dringendsten Wunsch das Streamen der Vorlesung an, gefolgt vom Wunsch der Teilnahme an der Vorlesung per Videotelefonie (41 Prozent). Die Abgabe von Prüfungsleistungen als Upload in digitaler Form können sich 16 Prozent der Studierenden gut vorstellen.

Schwerfällige Studienorganisation

Apps und Co werden von dieser Generation längst zur Organisation des privaten Alltags eingesetzt. Die digitale Studienorganisation lässt hingegen noch einiges zu wünschen übrig. Zwar nutzen mehr als 80 Prozent die Webseite ihrer Hochschule, gut ein Viertel der Studierenden (26 Prozent) jedoch findet das Informationsangebot der Universität sehr unübersichtlich. Jeder Dritte (29 Prozent) wünscht sich eine Hochschul-App.

Ob interaktiver Stundenplan, aktuelle Raumangaben, Benachrichtigungen zu krankheitsbedingten Vorlesungsausfällen – eine digitale Studienorganisation ist leider (noch) Zukunftsmusik. Das zeigt auch der Hochschul-Bildungs-Report 2020 (Report 2017/2018), in dem der Stifterverband in Zusammenarbeit mit McKinsey herausgefunden hat, dass nur jede vierte Universität die Kursbelegung als Onlineservice anbietet. Digitale Unterstützung bei der Studienorganisation wäre für Studierende wie auch für die Hochschule sehr hilfreich. Aktuell ist hier an den meisten Unis noch deutlich Luft nach oben.

Digitales Lehr- und Lernmaterial

PDFs und E-Books anstatt ausgedrucktes Handout: Bei den Digital Natives kommen die ersten digitalen Angebote bereits gut an.
PDFs und E-Books anstatt ausgedrucktes Handout: Bei den Digital Natives kommen die ersten digitalen Angebote bereits gut an.
Foto: Black Jack - shutterstock.com

Immerhin vier von fünf Studenten können die Möglichkeit nutzen, sich Vorlesungsmaterial und Skripte herunterzuladen. Das Online-Angebot von Hochschulbibliotheken für die Nutzung von E-Books oder die Hochschulzugänge für externe Datenbanken oder Fachverlage nutzt etwa jeder Zweite. Eine hochschulinterne Lernplattform nutzen zwei Drittel der Studierenden. Hier scheint es bereits einige digitale Angebote zu geben, und diese werden gut angenommen.

Fehlende Kommunikationstools

Jeder Vierte ist unzufrieden mit der digitalen Erreichbarkeit der Professoren, jeder Dritte wünscht sich die Austauschmöglichkeit mit Professoren und Kommilitonen über Kommunikationstools wie beispielsweise Slack oder Skype. Eine digitale Sprechstunde oder kursinterne Absprachen wären damit problemlos durchführbar, doch in der Realität kann jeder vierte Studierende den Professor noch gar nicht per Mail oder Messaging-Tool erreichen.

Studierende erwarten allerdings, dass sich ihr privates Nutzungs- und Kommunikationsverhalten auch im Alltag an der Universität wiederfindet und Universitäten sollten konsequent auf einen zeitgemäßen Standard setzen. Gern genutzt wird das freie WLAN auf dem Hochschulgelände, doch klagen 41 Prozent über eine instabile Verbindung. Nur etwa jeder zweite Studierende nutzt Social Media-Kanäle der Universität. Die Vernetzung zwischen Hochschule und Studierenden ist also noch ausbaufähig.

Bedenken zur Datensicherheit

Die Kehrseite der Medaille: Einerseits fordern Studenten mehr digitale Angebote, andererseits trauen sie der Datensicherheit der Hochschulen nicht ausreichend.
Die Kehrseite der Medaille: Einerseits fordern Studenten mehr digitale Angebote, andererseits trauen sie der Datensicherheit der Hochschulen nicht ausreichend.
Foto: Billion Photos - shutterstock.com

Nur 22 Prozent der Studierenden vertrauen dem korrekten und sicheren Umgang mit Daten seitens der Uni. Ein knappes Drittel macht sich Gedanken um die Sicherheit sensibler Daten wie Prüfungsleistungen, Noten, Kursbelege oder Immatrikulationsdetails. Gefürchtet wird beispielsweise ein Datenverlust seitens des Uniservers oder sogar eine Manipulation durch Hacker oder gar Hochschulangehörige.

Ortsunabhängiges Lernen und Arbeiten und das permanente Informationsangebot ist für die heutige Generation selbstverständlich. Diesem Wunsch müssen Hochschulen nachkommen und umsetzbare Lösungen finden. Zur Weiterentwicklung der Fähigkeiten brauchen Studenten ein innovatives Umfeld, und eine enge Vernetzung von Hochschulen und Wirtschaft.

Diese würde dazu beitragen, den Studierenden durch Praxiseinblicke ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung zu vermitteln. So können die Absolventen beim Einstieg ins Berufsleben mit der nötigen Kompetenz die digitale Transformation weiter vorantreiben. Unsere Bildungseinrichtungen sollten mit Unterstützung der Politik alles daran setzen, den Studierenden ein Hochschulwesen auf dem neuesten technologischen Stand zu bieten und mit gutem Beispiel voranzugehen.