Bundesländer fördern Internet-Projekte mit Millionen

Deutsche Hochschulen auf dem Weg in den Cyberspace

16.04.1999
HAGEN (CW) - Überall in Deutschland wird derzeit an virtuellen Bildungsangeboten für Universitäten gearbeitet. Die Bundesländer setzen hierbei auf unterschiedliche Konzepte. Als technischer Vorreiter gilt die Fernuniversität Hagen.

Überfüllte Hörsäle brauchen den Studenten der virtuellen Universität keine Sorgen mehr zu bereiten. Sie haben ihren Computer, der ihnen per Videokonferenz die Vorlesungen nach Hause bringt. Fragen an den Professor stellen die Zuhörer per E-Mail. Wer bei Seminaren auf CD-ROM die Lehrinhalte verstanden hat, klickt auf "weiter", wer mehr wissen will, spielt einen Lehrfilm ein oder absolviert ein animiertes Übungsprogramm.

"Gerade für eine Hochschule, die auf das Selbststudium ausgerichtet ist, bietet die Visualisierung tolle Möglichkeiten, das Lernen zu erleichtern", weiß Sonja Scharp, die an der Fernuni Hagen an der computergestützten Aufbereitung der Lehrinhalte mitarbeitet. Auch den traditionellen Universitäten bietet das Internet Vorteile, glaubt der Erlanger Dozent Walter Kugemann, der in Bayern den Aufbau einer virtuellen Hochschule koordiniert: "Das Angebot wird besser werden, weil alles, was die Universität nicht selbst im Programm hat, von anderen Orten eingekauft werden kann."

Bayern setzt auf den Verbund der Hochschulen

Nicht nur Bayern, sondern auch andere Bundesländer wie Baden-Würrtemberg, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen stricken zur Zeit an virtuellen Bildungsangeboten. Dabei versucht jedes Bundesland, sich mit unterschiedlichen Konzepten an die Spitze der Entwicklung zu setzen. In Bayern hat man sich für eine Verbundlösung entschieden: Alle Hochschulen erarbeiten ein einheitliches Curriculum, erläutert Georg Nagler, Präsident der Fachhochschule Hof, dem künftigen Zentralsitz der Online-Uni. "So können wir schnell ein breites Lehrangebot auf die Beine stellen. Die einzelnen Programme werden aufeinander abgestimmt und basieren auf einer einheitlichen Technologie." Im Herbst soll die virtuelle Hochschule den Betrieb aufnehmen.

In Baden-Württemberg setzen die Hochschulen auf die gegenteilige Strategie. "Mehrere unabhängig voneinander arbeitende Projektgruppen bringen mehr als ein künstlich geschaffener Riesenverbund", glaubt Professor Peter Hauck, Direktor des Deutschen Instituts für Fernstudienforschung an der Universität Tübingen. Das Institut fungiert als Koordinierungsstelle. Elf Programme, jeweils getragen von verschiedenen Hochschulen oder Fakultäten, sind in Arbeit. Darunter ist eine virtuelle Poliklinik mit dem Titel "Docs''n''Drugs" für angehende Ärzte. Im Herbst 1998 wurden die ersten Televorlesungen und -seminare ins Netz gestellt.

In Nordrhein-Westfalen wurde bereits vor zwei Jahren der "Universitätsverbund Multimedia" (UVM) eingerichtet. Das Hochschulnetzwerk koordiniert alle Projekte und verteilt die Mittel, die das Bildungsministerium zur Verfügung stellt. An die Förderung sind mehrere Bedingungen geknüpft. "Zum einen müssen sich mehrere Fakultäten zusammentun, zum anderen müssen sie etwas entwickeln, das später alle verwenden können", so UVM-Projekt-Managerin Ira Knapke. Dennoch könne man sich vor Anträgen kaum retten. 30 Vorhaben wurden bisher gefördert, darunter eine Lernsoftware für Gebärdensprache auf CD-ROM.

Technisch nutzt der Universitätsverbund die von der Fernuni Hagen entwickelte Plattform. Sie gilt bundesweit als Vorreiter für die Virtualisierung der Hochschulen. Bereits im fünften Semester bietet die Fernuni ihren Studenten Online-Veranstaltungen an. Rund 100 sind es zur Zeit. Auch Seminare per Videokonferenz sowie PC-Praktika vom Bildschirm aus gehören zum Programm.

Zur Finanzierung der neuen Lehrangebote gibt es verschiedene Rezepte. Meist greift zunächst der Staat in die Tasche. In Bayern hat die Staatskanzlei eine Anschubfinanzierung von rund zehn Millionen Mark zugesagt. Der laufende Betrieb soll durch Einnahmen aus dem virtuellen Campus finanziert werden, der kostenpflichtige Fortbildungsmaßnahmen anbietet.

In Baden-Württemberg stehen 50 Millionen Mark für die ersten fünf Jahre bereit. Mit der Telekom haben sich die Hochschulen zusätzlich einen privaten Sponsor ins Boot geholt. In Nordrhein-Westfalen will das Bildungsministerium allein für die Entwicklung von Lehrmodulen für Universitäten bis zum Jahr 2000 rund 26 Millionen Mark ausgeben. Für FHs und medizinische Fakultäten sowie für Technik und Infrastruktur gibt es zusätzlich Mittel.