Deutsche Geschäftsführer wehren sich zunehmend gegen amerikanische Managementmethoden:US-Druck schlägt auf Softwarekunden durch

22.08.1986

Bei vielen amerikanischen Softwareunternehmen in Deutschland scheint derzeit das schon traditionelle Spannungsverhältnis zwischen internationalem und nationalem Management die Belastungsgrenze erreicht zu haben. Lasche Produktpolitik, eingeschränkte Handlungsfreiheit und überzogene Umsatzvorgaben, so die Vorwürfe aus deutschen Niederlassungen, seien auf Dauer keine Basis, um den Anwender zufriedenzustellen.

Bei den Wahnsinnsvorstellungen der Amerikaner platzt auch dem engagiertesten Geschäftsführer irgendwann der Kragen, kommentiert Wolfgang Arnold, Ex-Chef der Computer Associates GmbH, Weiterstadt, die gereizte Atmosphäre in etlichen deutschen Geschäftstellen. "Wachstumsraten von 40 bis 50 Prozent selbst über Jahre hinweg sind den Amerikanern zuwenig". Er räumte im April 1986 nach achtjähriger Tätigkeit bei CA seinen Stuhl als Geschäftsführer. Seiner Ansicht nach werden die deutschen Statthalter jährlich mit Umsatzvorgaben konfrontiert, die nicht selten auf Kosten der Anwender durchgepeitscht werden.

Von den US-Managern in vieler Hinsicht bereits überdehnt, macht sich die Forecast-Spirale nämlich vor allem bei der Kundenbetreuung negativ bemerkbar: "Um den Umsatz zu steigern, werden zum Beispiel im Hauruckverfahren zusätzliche Vertriebsdecken eingezogen", klagt ein Verkäufer, "so entsteht die Situation, daß ein Kunde, der VM, DOS und OS auf seiner Anlage fährt, schließlich von drei verschiedenen VBs angesprochen wird."

Die tollsten Blüten, so der Tenor aus deutschen Vertriebsetagen, treibe die amerikanische "Verkaufspolitik bei solchen US-Firmen, die an der Börse notieren; hier stünden die "Earnings per share" als oberstes Gebot auf den Unternehmensfahnen. Um die vorgegebenen Zahlen zu erreichen, würden bei nahendem Quartalsende die Produkte oft in Sonderaktionen verschleudert; im darauffolgenden Vierteljahr gelte jedoch wieder der volle Preis. Dazu ein betroffener Mitarbeiter: "Wenn man das ein paarmal bei einem deutschen Kunden gemacht hat, erklärt der einen für verrückt - da leidet die Glaubwürdigkeit des Herstellers."

Nicht nur den auf kurzfristigen Gewinn ausgelegten "Verkaufsmätzchen" vieler US-Hersteller stünden die deutschen Anwender im allgemeinen weitaus ablehnender gegenüber als ihre amerikanischen Kollegen, sondern sie beurteilten ihre Lieferanten auch nach anderen Maßstäben, berichten deutsche Geschäftsführer. Klaus Luft, Vorstandsvorsitzender der Nixdorf Computer AG, Paderborn, brachte jüngst diese Kriterien auf einen Nenner. Eine Frage, was aus internationaler Perspektive wesentlichen Charakteristika des europäischen DV-Marktes seien, beantwortete er gegenüber der amerikanischen Zeitschrift Datamation: "Einen Zulieferer beurteilen europäische Anwender nach seiner technologischen Effizienz und seinen innovativen Fähigkeiten, nach seiner langfristigen Produktpolitik und der Fähigkeit, kontinuierlichen Support für die Anwenderinstallationen zu leisten."

Unterzieht man diese aus der Sicht der Anwender zu wertende Meßlatte einem formalen Gegen-Chek bei europäischen Anbietern, stimmen die Fakten offensichtlich überein. Eine Umfrage der Zeitschrift Wirtschaftswoche in Zusammenarbeit mit dem Bielefelder Emnid-Institut über die Wettbewerbsfähigkeit Europas im Weltmarkt ergab eine erstaunliche Kongruenz: Von 251 Inhabern, Vorstands- oder Geschäftsmitgliedern international tätiger deutscher Unternehmen glauben immerhin 90 Prozent der Befragten, daß europäische Stärken wie Lieferpünktlichkeit, Qualität und Service wieder größere Bedeutung gewinnen.

Diese Einstellung europäischer Zulieferer und Kunden geht nach Meinung des früheren Geschäftsführers der Candle GmbH, Franz Niedermaier, konform mit einem sich weiter ausprägenden Qualitätsbewußtsein. In diesem Punkt verleiht er den heimischen Anwendern gar das Prädikat "äußerst pingelig". "Wenn da nicht alles hundertprozentig stimmt, hat man immer einen unzufriedenen Kunden, erklärt der Münchner DV-Profi, der Mitte Juli diesen Jahres aus der Candle-Niederlassung in der bayerischen Metropole ausschied. Ein US-User mache dagegen normalerweise weder bei der Hard- noch

bei der Software großes Federlesen: "Bei den Programmen reichen ihm realisierte 80 Prozent seiner Anforderungen; dem installierten Maschinenpark gesellt er notfalls einfach eine Anlage hinzu".

Dieser gravierende Mentalitätsunterschied der beiden Anwendergruppen zwängt nicht wenige Geschäftsführer namhafter deutscher US-Ableger häufig in die Rolle eines, Prellbocks". Zum einen sollen sie die nationalen Interessen vertreten, zum anderen aber auch die in USA vorgegebenen Direktriven oft eins zu eins übernehmen, um das Bild der "Company Identity" zu pflegen. Gefürchtet sind dabei insbesondere Werbeaktionen, die aus den Stauten in die Geschäftsstellen flattern - das Thema vergleichende Werbung löst bei den deutschen Statthaltern oft schiere Verzweiflung aus.

"Die Amerikaner versuchen immer wieder, deutsche oder europäische Niederlassungen nach den gleichen Prinzipien zu führen, wie sie es bei ihrem Stammhaus in den Vereinigten Staaten gewohnt sind", formuliert Franz Niedermaier seine bisherigen Erfahrungen mit US-Managern. "Die meisten der amerikanischen DV-Führungskräfte sind jedoch noch nie in Europa gewesen und können sich deshalb die hiesigen Gepflogenheiten nur schwer vorstellen." Im Laufe der Zeit könne sich ein Geschäftsführer aber einen Handlungsfreiraum erkämpfen, solange die Umsatzzahlen und der Profit stimmten. Niedermaier: "Wenn nicht, wird wieder rigoros amerikanischer Kurs gefahren."

Von einer eventuellen "Amerika-Müdigkeit" scheinen deutsche Geschäftsführer allerdings weit entfernt. Rainer Zimmek, Managementpartner bei der Düsseldorfer Personalberatung Heydrick & Struggles, sieht keine Schwierigkeiten, diese Positionen zu besetzen; dafür seien sie einfach zu attraktiv. Gleichwohl aber nähmen die Geschäftsführer Vorgaben aus Amerika nicht mehr so kritiklos hin, wie noch vor einigen Jahren. Zimmek: "Der devote Statthalter hat sich zum selbstbewußten Manager gemausert."