Derselbe Weg führt zu verschiedenen Zielen

Deutsche Finanzdienstleister entdecken das Internet

06.09.1996

Unterschiedlicher könnten sie nicht sein - die piekfeinen Privatbankiers Gries & Heissel auf der einen, der Discount-Broker Direkt Anlage Bank GmbH auf der anderen Seite. Das in Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf ansässige Bankhaus G & H will seine Kunden rundum betreuen - von der maßgeschneiderten Altersvorsorge bis zu den Karten für das Wimbledon-Finale. Dagegen bietet die vor zwei Jahren gegründete und in München ansässige Tochter der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank Transaktion pur. "Wer zu uns kommt, muß wissen, was er will", erläutert der Generalbevollmächtigte Matthias Kröner. Etwas haben die beiden Unternehmen aber gemeinsam: Sie eröffnen ihren Kunden in diesen Tagen erstmals die Möglichkeit, ihre Geldgeschäfte über das World Wide Web zu erledigen.

Nach Automaten-, Telefon- und Homebanking via T-Online werden die Geldhäuser derzeit von der Internet-Welle erfaßt. Gewehr bei Fuß stehen auch der Direkt-Anlage-Konkurrent Consors - eine Niederlassung der Nürnberger Schmidt Bank KGaA - sowie die Vereinsbank-Tochter Advance Bank AG und der Deutsche-Bank-Ableger "Bank 24", aber auch die Hamburger Spar- und Darlehenskasse (Sparda).

So verschieden wie ihr Charakter ist auch die Motivation der Banken für den Sprung ins kalte Internet-Wasser: Discount-Broker wie die Direkt Anlage Bank oder Consors entdeckten das Internet- Banking bei ihrer Suche nach Möglichkeiten, die Depot-Kosten soweit wie möglich zu senken. "Die niedrigsten Gebühren seit der Währungsreform" will Kröner seinen 21000 Kunden bieten - sofern sie sich verpflichten, den telefonischen Kontakt nur noch im Falle eines technischen Defekts zu suchen.

Ganz anders Thomas Gries, persönlich haftender Gesellschafter von G & H. Er sieht den Schritt ins Internet als eine Dienstleistung, die er im Interesse seiner rund 1300 Privatkunden erbringt - wie das "Pocket Banking" auf der Basis der Short Messaging Services (SMS) im D2-Netz und die bereits etablierten One-way-Informationen im Internet.

Advance Bank, Bank 24, Sparda und ihre künftigen Nachahmer forcieren das Online-Geschäft aus dem Zwang zur Rationalisierung heraus. Ein Internet-Server kostet eben nur einen Bruchteil dessen, was in ein flächendeckendes Filialnetz zu investieren wäre.

Mit bunten Bildern und mehr oder weniger nützlichen Informationen sind die meisten Finanzdienstleister schon länger im WWW präsent. Für die Zweiwege-Kommunikation mit den Kunden, also das eigentliche Bankgeschäft, galt ihnen das Internet bislang als zu unsicher. Das Problem besteht darin, daß sich die Identität eines Cyber-Kunden relativ leicht imitieren läßt - sofern keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Es geht also darum, zu garantieren, daß eine Person, die ihre Geldgeschäfte via Internet erledigt, auch diejenige ist, für die sie sich ausgibt. Dazu müssen alle sicherheitsrelevanten Daten dem Zugriff durch Außenstehende entzogen werden.

Als vor neun Monaten die erste Internet-Only-Bank ihre virtuellen Schalter öffnete, nahm sie eine Lösung in Betrieb, die der Server- Lieferant Hewlett-Packard Co. (HP) konzipiert hatte. Nach dem Beispiel der Security First Network Bank ließen sich auch Gries & Heissel von HP helfen - unterstützt von der eigenen Ausgründung G & H Bankensoftware GmbH, Berlin. Die Privatbankiers und deren potentielle Online-Kunden vertrauen auf eine mehrschichtige Softwarelösung, die vom HP-Betriebssystem "Secure OS" über das vom US-Anbieter RSA ausgetüftelte "Public-Key"-Verfahren bis hin zu einer selbstentwickelten Kryptographie-Software auf der Basis von Java-Applets reicht.

Die in Böblingen heimische Brokat Informationssysteme GmbH richtet sich ebenfalls in der Marktnische Internet-Sicherheit ein. Gesetzlichen Bestimmungen zufolge darf der WWW-Pionier Netscape seinen Secure Socket Layer (SSL) außerhalb der USA nur in einer 40-Bit-Ausführung zur Verfügung stellen. Die Brokat-Entwickler bauten darauf mit Java-Hilfe ihre Verschlüsselungssoftware "X- press", die wieder die von Netscape vorgesehenen 128 Bit umfaßt. Auf dieses Pferd setzt die Direkt Anlage Bank bei ihrem Internet- Angebot "Direkt Online Depot". Eigenen Angaben zufolge ist das Böblinger Software-Unternehmen aber auch mit Bank 24, Consors und der Advance-Bank im Geschäft.

Eine auf den ersten Blick exotische Sicherheitsmaßnahme treffen die Online-Bankkunden der Hamburger Sparda. Sie schalten einen individuell kodierten Microchip zwischen Tastatur und PC und verpassen so jeder Transaktion einen elektronischen Fingerabdruck. Entwickelt und zur Marktreife geführt wurde das "Me-Chip" genannte Verfahren von der ESD Information Technologie Entwicklungs GmbH, Leipzig.

Angesichts dieses Erfindungsreichtums sind offenbar plötzlich alle Bedenken hinweggefegt - zumindest bei den Anbietern. Ob sich die Kunden mit deren Argumenten anfreunden, werden die kommenden Monate zeigen.

Bankier hinter der Technik

Thomas Gries, angriffslustiger Bewahrer "Wir sind auf aggressive Weise konservativ", bekennt Thomas Gries, persönlich haftender Gesellschafter der Gries & Heissel Bankiers. Wer die Web-Page des Unternehmens aufruft, versteht, was er damit meint. "Liebe, Glück, Familie und Zufriedenheit" heißen die Werte, die dort beschworen werden - neben der "Sicherheit", als deren Garant sich das Bankhaus dem wohlsituierten Privatkunden empfiehlt. Internet- und Handy-Banking begreift Gries weniger als Rationalisierungswerkzeug denn als ergänzende Facette der "ganzheitlichen Vermögensberatung".

Web-Adressen

- Wer Gries & Heissel online ansteuern will, tippt auf seiner Tastatur http://www.guh.de.

- Die URL der Direkt Anlage Bank ist http://www.diraba.de,

- die Adresse von Consors http://www.consors.de.

- Die Homepage der Advance Bank läßt sich anwählen unter http://www.advance-bank.de.

- Die Bank 24 residiert unter http://www.bank24.de und

- die Hamburger Sparda unter http://www.sparda-hh.de.