Herstellergemeinschaft und Regierung wollen Branche aus Dornröschenschlaf wecken:

Deutsche DV- Industrie zieht an einem Strang

16.09.1983

BONN (CW)- Die von Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung angekündigte Förderung der informationstechnischen Industrie trägt offensichtlich erste Früchte. Anläßlich einer gemeinsamen Pressekonferenz des Bundesministeriums für Forschung und Technologie und 17 in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossener Unternehmen und Verbände der deutschen DV- Wirtschaft wurde jetzt in Bonn ein Katalog von Vorschlägen und Maßnahmen präsentiert, der die bundesrepublikanischen Computerbauer im verschärften internationalen Wettbewerb attraktiver machen soll.

Wie der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Klaus Luft, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Nixdorf Computer AG, vor Pressevertretern in Bonn betonte, will sich die informationstechnische Industrie mit ihrer Initiative nicht in die Rolle des Subventionsempfängers begeben. Es gehe vielmehr darum, Chancen in einem Wirtschaftsbereich mit Wachstum wahrzunehmen. Dazu sei eine industriepolitische Gesamtstrategie notwendig, um für die deutsche informationstechnische Wirtschaft in ihrer gesamten Breite die langfristigen Voraussetzungen für den Ausbau der Märkte im In- und Ausland zu schaffen, damit ihr die Finanzierung von zukunftsorientierten Entwicklungsprojekten ermöglicht werde.

Luft forderte in diesem Zusammenhang ein schlüssiges Gesamtkonzept anstelle der bisherigen punktuellen Einzelmaßnahmen und verwies dabei auf die konzentrierten Anstrengungen in wichtigen Industriestaaten, die in der zukunftsorientierten Informations- und Kommunikationstechnik einen Schwerpunkt ihrer Volkswirtschaften sehen. Als beispielhaft bezeichnet Luft die Entwicklung in Japan und den USA, aber auch die weitreichenden Maßnahmen in England und Frankreich verdienen Beachtung. Wenn die Bundesrepublik auf diesem bedeutenden Sektor nicht den internationalen Anschluß und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren wolle, konstatiert der Nixdorf- Manager, seien sowohl von der Industrie als auch vom Staat umgehend geeignete Schritte notwendig.

Die Initiatoren des Arbeitspapieres- hierzu gehören neben Nixdorf, Siemens, Triumph- Adler, AEG- Telefunken und Kienzle auch Softwarehäuser wie ADV/ Orga und Softlab- bezeichnen es als ein zwingendes Muß, daß die deutsche DV- Industrie ohne Einschränkung des Wettbewerbs stärker als bisher zusammenarbeitet. Die Arbeitsgemeinschaft schlug vor,

- Bauelemente, Komponenten und Subsysteme künftig bei Kooperationspartnern zu beschaffen beziehungsweise herstellen zu lassen, um so Kosten zu senken,

- Basistechnologien vor allem im Softwarebereich gemeinsam zu entwickeln,

- mittel- und langfristige Forschungs- und Entwicklungsprojekte zusammen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen durchzuführen.

Neben diesen Eigeninitiativen der Industrie fordert die Arbeitsgemeinschaft aber auch eine grundlegende Verbesserung der Rahmenbedingungen durch staatliche Maßnahmen. Dazu gehöre, daß sich die öffentliche Beschaffungspolitik stärker als bisher an Kriterien der technischen Innovation orientiere und öffentliche Investitionen gezielt für die Förderung neuer Techniken und ihren breiten Einsatz verwandt werden. Eine besonders wichtige Funktion kommt nach Meinung der Industrievertreter dabei der Deutschen Bundespost zu, da sie zugleich mit der Modernisierung ihrer Telekommunikations- Infrastruktur die Nachfrage, vor allem nach Endgeräten, positiv beeinflusse.

Der Bundesminister für Forschung und Technologie, Dr. Heinz Riesenhuber, zeigt sich von dem gemeinsamen Handlungswillen der Industrie beeindruckt und bezeichnet es als einen sehr bemerkenswerten Vorgang, daß sich die DV- Wirtschaft gegenüber der Bundesregierung erstmals in einer gemeinschaftlichen Aktion äußere. Riesenhuber betonte dabei, daß geeignete Rahmenbedingungen für eine erfolgversprechende und wachstumsorientierte Entwicklung der informationstechnischen Industrie von der Bundesregierung als ihre wichtigste und wirkungsvollste Gestaltungsaufgabe angesehen werde. Hierzu gehörten insbesondere eine wesentlich stärkere innovationsorientierte öffentliche Beschaffung, aber auch Anreize zur besseren Verfügbarkeit von Risikokapital für die Durchsetzung von Innovationen sowie eine breite Bildung und Ausbildung in der Informationstechnik. Die jetzige Konzeption werde thematisch alle Bereiche (Mikroelektronik, technische Kommunikation, Informationsverarbeitung, industrielle Automation) mit ihren Wechselbeziehungen berücksichtigen, alle Ressorts mit ihren entsprechenden Beiträgen einbinden und alle Förderungsinstrumente komplementär einsetzen.

Wie aus dem Memorandum der 17 Vertreter aus der DV- Wirtschaft hervorgeht, sehen sie als Gesamtziel ihres Programms den Ausbau der Informationstechnik hierzulande zu einem "Eckpfeiler industrieller Technik nach Leistungskraft, Selbstverständnis und öffentlicher Akzeptanz". Als eine führende westliche Industrienation müsse sich die Bundesrepublik auch in der Informationspolitik einen der vorderen Plätze sichern. Dies bedeute vornehmlich:

- Die Rolle des Heimatmarktes als Ausgangspunkt und Leitmarkt der informationstechnischen Wirtschaft muß durch erhöhte Innovationsbereitschaft deutlich ausgebaut werden;

- die Leistungsfähigkeit der informationstechnischen Wirtschaft muß wesentlich gesteigert werden, damit sie auf diesem Heimatmarkt wie auch auf den internationalen Märkten eine starke Position einnehmen und damit ihre Erträge langfristig sichern kann;

- zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der sonstigen staatlichen Infrastruktur müssen Einrichtungen der Informationstechnik konsequent eingesetzt werden;

- die Informationstechnik muß gesellschaftlich stabil integriert werden im Hinblick auf breites öffentliches Sachverständnis, überzeugenden Mißbrauchsschutz und eine umfassende kulturelle Einbindung.

Zusammenfassend erklärte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, Klaus Luft, daß die Ausgangssituation der deutschen informationstechnischen Industrie nicht schlecht sei. Es komme nunmehr aber angesichts der sich rasch verändernden internationalen Situation darauf an, kurzfristig einen Konsens zwischen allen Beteiligten herzustellen und eine zielstrebige nationale Kraftanstrengung zu initiieren.