Hoher Anpassungsaufwand zwingt zur Branchenausrichtung

Deutsche CRM-Anbieter wagen sich auf das internationale Parkett

16.07.1999
WIESBADEN (bs) - Keine Angst vor großen Tieren zeigten die kleinen Anbieter von Customer-Relationship-Management-(CRM-)Software auf der Salestech ''99. Mit Lösungen für spezielle Branchen will man den großen Konkurrenten wie Siebel, Vantive und Clarify Paroli bieten.

Wie aus dem Dornröschenschlaf erwacht, präsentierte sich die deutsche CRM-Szene in Wiesbaden (siehe CW 27/98, Seite 15). Wenn auch Software für Vertrieb und Marketing bereits seit mehr als zehn Jahren hierzulande bekannt ist, reichte es den hiesigen Herstellern doch nie zum großen Durchbruch. Populär ist dieses Segment erst, seit amerikanische Anbieter wie Siebel nicht nur Software verkaufen, sondern ihren Kunden gleich ein Konzept dafür mitliefern, wie ein moderner Vertrieb und Marketing auszusehen haben. Nicht zuletzt der Vorstoß von ERP-Marktführern wie SAP, Oracle und Baan in diese Domäne sorgte für frischen Wind.

Insbesondere mit einer Ausrichtung ihrer Lösungen auf bestimmte Branchen möchten Anbieter wie CAS aus Pirmasens, die Saarbrücker Orbis GmbH oder Update Marketing, Wiesbaden, nun diese lukrativen Märkte international angehen. Aus Sicht von Analysten ist diese Strategie sinnvoll, um sich gegen die als Generalisten auftretenden Marktführer behaupten zu können. Mit Hilfe der Konzentration auf spezifische Marktsegemente lassen sich der Anpassungsaufwand der Software und damit verbunden die Projektlaufzeiten drastisch verkürzen. Die Angebote mit Branchenzuschnitt sind insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen von großem Interesse.

So zeigt die Praxis, daß heutige Standard-CRM-Lösungen die Bedürfnisse von Anwendern nur etwa zur Hälfte abdecken. Die restlichen 50 Prozent müssen neu entwickelt werden. CAS beispielsweise hat aus dem Zwang zur Vertikalisierung eine Tugend gemacht. Die Pirmasenser konzentrieren sich hauptsächlich auf Kunden aus dem Konsumgüterumfeld, auch auf die Gefahr hin, Anfragen aus anderen Branchen ablehnen zu müssen. Mit dem Schlagwort "CRM vor CP" (CP = Consumer Products) hat das Unternehmen seine neue strategische Ausrichtung vorgestellt: "Dank der Konzentration auf CP können wir mit den Großen der Branche international mithalten", erklärte Andreas Enders, Leiter Marketing bei CAS. So setzte sich die Company bei dem US-Lebensmittelkonzern Pilsbury (Knack & Back) gegen die Nummer eins Siebel durch.

International tätig ist auch die Orbis GmbH mit Projekten etwa bei dem Satelliten-Tefelonanbieter Iridium. Über die Partnerschaft zu Cincom hat sie vor kurzem zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Zum einen liefert Cincom einen Produktkonfigurator, der mit der Orbis-Software gekoppelt werden kann, zum anderen verkauft Cincom über seine weltweiten Niederlassungen Software von Orbis und stellt zudem Beratungskapazitäten zur Verfügung. Weitere Kandidaten mit internationalen Ambitionen sind Point Informationssysteme aus München, die mittlerweile ihr Hauptquartier in Boston aufgeschlagen haben, und Update Marketing, die bereits über eine Reihe von Auslandsniederlassungen sowie internationalen Projekten verfügt.

Hilfreich für die Expansionspläne ist neben der Branchenspezifizierung auch eine gesunde Kapitaldecke. So hegen die genannten Unternehmen Pläne für einen Börsengang am Neuen Markt, der ihnen das nötige Kleingeld einbringen soll. Insbesondere die Weiterentwicklung der Produkte sowie der Ausbau der internationalen Geschäftstätigkeiten sollen damit finanziert werden.

Allerdings ist für die Börsenaspiranten Eile geboten. Denn aus Sicht von Manfred Frey von Knorr Capital Partner AG, München, einem "Geldbeschaffer für Börsenstarter", sind fünf deutsche börsennotierte CRM-Anbieter genug - die verbleibenden Unternehmen würden gekauft, da ihnen über kurz oder lang die Finanzkraft fehle.