US-Softwarevereinigung bläst die Jagd auf Raubkopierer ab

Deutsche Copyrigt-Schützer lehnen das Denunziantentum ab

27.03.1992

HANNOVER/MÜNCHEN (CW) - Noch auf der CeBIT haben zwei Interessenverbände der PC-Software-Industrie ihre Differenzen beigelegt. Der Verband der Software-Industrie Deutschlands (VSI) konnte die amerikanische Schwesterorganisation Business Software Alliance (BSA) dazu bewegen, einen Aufruf zur Denunzierung von Raubkopierern zu unterlassen.

Die BSA hatte kurz vor der CeBIT die Deutschen quasi zu Weltmeistern in Sachen geistigen Diebstahls ernannt. Nach ihren Angaben habe die Software-Industrie in Deutschland aufgrund von Raubkopien 1990 einen Umsatzausfall von 1,86 Milliarden Dollar erlitten, mehr als in jedem anderen Land. Der Industrieverband hatte die US-Regierung aufgefordert, gemäß der amerikanischen Verfahrensrichtlinie"Special 301 " des Handelsgesetzes von 1988 unter Androhung von Wirtschaftssanktionen die deutsche Regierung zum Eingreifen gegen Raubkopierer zu zwingen.

In einem zur Veröffentlichung vorgesehenen Papier unter dem Titel "Fact Sheet" wollte die BSA Wissende aufrufen, ihnen bekannte Fälle von Softwarepiraterie bei der Pariser Europafiliale der BSA oder beim VSI in München anzuzeigen. Der deutsche Verband VSI hatte sich dagegen verwahrt, als Anlaufstelle für Denunzianten genannt zu werden.

"Sicherlich würden unsere Mitglieder gerne wissen, wer ihre Software illegal einsetzt", sagte Johannes Krüger, Geschäftsführer des VSI, zu dem Vorfall. "Aber ein Aufruf zur Anzeige der Raubkopierer wäre uns wenig dienlich."

Der VSI möchte nicht einzelne "kleine Raubkopierer auf dem Schulhof" verfolgen, sondern durch Aufklärung dafür sorgen, daß in den Unternehmen lizenzierte Originalprogramme statt Raubkopien eingesetzt werden. Spektakuläre Polizeiaktionen, die die BSA im Fact Sheet schon meldete, gingen an den Intentionen des VSI vorbei.

Ohnehin gibt es in Deutschland kaum Rechtsmittel, die solche Einsätze zulassen. Noch gilt das "Inkasso-Urteil", wonach nur eine erhebliche "Werkhöhe" an substantieller Neuarbeit einem Programm Schutzwürdigkeit verleiht. Die damit gesetzte Hürde ist hoch. Eine wesentliche Verschärfung der Bestimmungen erfordert eine EG-Richtlinie vorn 14. Mai 1991, auf welche die BSA hinweist, die aber erst bis zum 1. Januar 1993 von den EG-Mitgliedsstaaten in nationale Gesetze übernommen werden muß.

Nach kurzen, aber heftigen Auseinandersetzungen in Hannover verständigten sich BSA und VSI darauf, daß die BSA das Fact Sheet nicht veröffentlichen und hierzulande im wesentlichen der VSI-Taktik folgen wird. Der VSI hat in Hannover darauf hingewiesen, daß es langsam Zeit wird, die EG-Richtlinie innerhalb der gesetzten Frist im deutschen Recht zu verankern.

Die Vorlage eines Referentenentwurfs des Bundesjustizministeriums ist von Ende letzten "Jahres auf Ende März 1992 verschoben worden. Jetzt drängt VSI-Chef Krüger: "Der Entwurf muß schnellstens dem Parlament vorgelegt werden, damit die Umsetzungsfrist bis zum 31. Dezember 1992 eingehalten werden kann."