Heidrick-and-Struggles-Studie zeigt: Personalverantwortung ist nur Lippenbekenntnis

Deutsche Bosse haben für DV kein Feeling

16.10.1987

DÜSSELDORF (lo) - Für Informationstechnik sowie Personalwesen hat der GmbH Geschäftsführer keine Zeit. Diese Ergebnisse einer Studie der Düsseldorfer Unternehmensberatung Heidrick and Struggles International Inc. hinterlassen im internationalen Vergleich zumindest den Eindruck mangelnder Weitsicht in bundesdeutschen Chefetagen.

Information und Qualifikation der Mitarbeiter besitzen als wichtige Produktionsfaktoren weltweit anerkannte Priorität. Sie bestimmen künftig in hohem Maß die Wettbewerbsfähigkeit in den Segmenten Produktion, Handel sowie Dienstleistung, sind sich Experten einig.

Der Geschäftsführer hierzulande zeigt ein ausgewogenes Selbstverständnis: Er habe die Aufgabe wahrzunehmen, das Überleben des ihm anvertrauten Unternehmens langfristig zu sichern. Dazu trägt ein Salär zwischen 70 000 Mark und über 500 000 Mark bei. Enthalten sind Barleistungen einschließlich Gewinnbeteiligungen, jedoch ohne Dividende.

Indes ist diesem geschäftsführenden Manager Mangel an Weitsicht zu attestieren, legen Ergebnisse der Studie "Geschäftsführer in Deutschland 1987" der Düsseldorfer Berater nahe. Denn gerade die Bedeutung von Informationstechnik sowie "Human Resources" scheinen deutsche GmbH-Bosse falsch zu gewichten. Damit hinken diese Entscheider hinter Kollegen aus USA und Japan offensichtlich kräftig hinterher.

Zwar fühlt sich etwas mehr als ein Viertel der Geschäftsführer aus Gesellschaften für die neue Technik direkt verantwortlich. Im betrieblichen Alltag bringen sie für Datenverarbeitung und Bürokommunikation jedoch kaum Zeit auf. Laut Heidrick and Struggles widmen befragte Entscheider diesen Technologien von allen Verantwortungsbereichen den weitaus geringsten Teil ihrer Arbeit: Bescheidene drei Stimmen markieren beispielsweise gegenüber 100 Nennungen für Marketing und Vertrieb die Prioritätenverteilung.

Die Düsseldorfer Berater mußten bei der Untersuchung im Zeitraum 1986/87, an der rund 350 Geschäftsführer teilnahmen, feststellen, daß sich die wenigsten von ihnen im Laufe ihrer Tätigkeit auf EDV spezialisiert haben. Der größte Teil hält ausschließlich klassische betriebswirtschaftliche Kenntnisse, etwa in Rechnungswesen, Bilanzierung und Finanzierung für unabdingbar.

Allerdings sind die deutschen Geschäftsführer auf die veränderten Anforderungen eines raschen Strukturwandels aufmerksam geworden. Als überaus wünschenswert schätzen sie nämlich Fachkenntnisse in DV und über Kommunikationssysteme ein. Ein Anteil von gut 63 Prozent der Nennungen (im Vergleich: Marketing und Vertrieb je 30) belegt diese Annahme. Nicht ohne Grund sind deshalb technische Mitarbeiter zu über 75 Prozent unternehmensinterne Kommunikationspartner des Führungsmannes.

Erst mit qualifizierten Mitarbeitern läßt sich jedoch die Effizienz moderner Technik steigern. Die Düsseldorfer Rechercheure notierten zu diesem Punkt beim deutschen Unternehmensleiter Verständnisschwierigkeiten: Ebenso wie das Thema Daten- und Informationsverarbeitung steht der Produktionsfaktor Personal nämlich am Ende seiner Prioritätenliste. Bezeichnet sich fast die Hälfte aller befragten Chefs als für das Personalwesen direkt zuständig, ernüchtern indes die Ergebnisse über ihre geringe Bereitschaft (acht Nennungen), Aufgaben des Personalwesens tatsächlich anzugehen.

Der Ratschlag von Marcus Bierich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bosch GmbH in Stuttgart und erklärtes Karrierevorbild seiner Kollegen, lautet deshalb: mit Blick auf den internationalen Wettbewerb mehr denn je "die Mitarbeiter dafür zu gewinnen, sich den Herausforderungen durch eine intensive Aus- und Weiterbildung zu stellen".

Immerhin initiierten wiederum 70 Prozent der geschäftsführenden Manager die Stillegung von Betriebsteilen. Über die Hälfte aller Teilnehmer an dieser Studie regte zudem Entlassungen von Mitarbeitern an und setzten diese auch selbst durch. Kontakte zu dem Betriebsrat sind dabei "eher selten". Dennoch, so zumindest die Werte der Düsseldorfer Studie, nehmen die Geschäftsführer die soziale Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit ernst. Sie steht auf der Liste wichtiger Ziele an herausragender Stelle.