Business-Anwendungen im Internet / Der Publizitätspflicht als AG im Internet genügen

Deutsche Börse nützt das Netz für den Neuen Markt

20.03.1998

Kurs- und Stammdaten, historische Rückblicke und Aktuelles - die Informationen auf der neuen Web-Page der Börse http://www.neuer-markt.de sind umfangreich. Entsprechend aufwendig war die DV-Implementierung des seit Anfang März 1997 existierenden Handelssegments Neuer Markt. Bislang gab es bei der Deutschen Börse keine vergleichbare Anwendung in Lotus Notes/ Domino.

Das Systemhaus der Deutschen Börse AG mußte zunächst einige Hürden nehmen, bis es den einzelnen Emittenten sowie den Partnerunternehmen des Neuen Marktes eine stabile Basis für den Informations- und Handelsaustausch gewährleisten konnte. Immerhin ist das Web-Engagement kein reines Marketing-Projekt, sondern ein Teil des Wertpapiergeschäfts. Besonders Privatanleger erhalten hier die Möglichkeit, sich umfassend und aktuell zu informieren.

Der Neue Markt unterstützt die Unternehmen bei der Umsetzung der hohen Transparenzanforderungen. Man gestaltete das Web-Engagement so, daß die Emittenten, also die dort präsenten Unternehmen, eigene Web-Foren nutzen können.

Hier können sie selbständig Personalien, Unternehmensportraits, Hauptversammlungen, Quartalsberichte oder auch Kursentwicklungen plazieren. Die Firmen loggen sich dabei per Paßwort direkt in die Datenbank ein. Für den Inhalt zeichnen die Emittenten verantwortlich. Die Quartalsberichte der einzelnen Unternehmen erscheinen noch am Tag der Veröffentlichung im Internet. Damit kommen die Aktiengesellschaften ihrer Publizitätspflicht nach. Zudem sollte das World Wide Web den Interessenten den Abruf aktueller Kurse sowie einer 30- und 90-Tage-Historie ermöglichen. Dies alles ist heute mit Hilfe der Java-Technologie realisiert. Spezialisten der What 039;s up AG in Unterhaching bei München übernehmen im Auftrag der Ready Group AG die Programmierung. Dieser wiederum oblag das Projekt-Management und die technische Implementierung; zudem pflegt sie derzeit die Inhalte.

Für die Notes-Lösung sprach, daß Fachabteilungen ihre Daten ohne größeren Programmier- oder Editieraufwand selbst aufbereiten konnten. Eine mit Microsoft Word erstellte Presseinformation beispielsweise läßt sich mit der Import-Funktion auf den Web-Server kopieren. Der Ersteller des Dokuments darf allerdings nur ganz bestimmte Felder editieren. Nach Eingabe der erforderlichen Informationen wird der Text per Knopfdruck freigegeben und ins Internet übertragen. Ist dafür noch eine weitere Person zuständig, erhält diese automatisch eine E-Mail mit dem entsprechenden Link auf das Dokument.

Mit der Hypertext-Markup- Language-(HTML-)Programmierung hätte mehr Personal länger für diese Lösung gebraucht. Beim Einsatz eines HTML-Servers muß jede Änderung quasi als neues HTML-Dokument erstellt werden. Selbst eine simple Pressemitteilung ist an die Programmierabteilung weiterzuleiten, die das Dokument zunächst in HTML entwickelt, abstimmt, erneut freigibt und anschließend auf den WWW-Server überspielt. Auch Änderungen durch die notierten Unternehmen durchlaufen diese Prozedur. Die realisierte Lösung dagegen konvertiert die Formulare automatisch in HTML. Ein weiterer Vorteil lag darin, daß sich so die gewohnte Systemumgebung Notes beibehalten ließ.

Im Rahmen des Projekts wurden Formulare entwickelt, die der Mitarbeiter aus der Fachabteilung direkt editieren kann. Sämtliche Grafikelemente sind vorgegeben; der Autor arbeitet nur an dem zu ändernden Teil. Wichtig war auch, daß sich alle von den notierten Unternehmen vorgenommenen Änderungen nachvollziehen lassen. Die Protokollierung übernahm deshalb eine eigens erstellte Software.

Dennoch ist auch bei dieser Lösung nicht alles perfekt. So gibt es beispielsweise keine Standardstatistiken, die bei reinen HTML-Lösungen wiederum kaum Probleme bereitet hätten. Eine weitere Schwierigkeit brachte die kryptische Darstellung der Web-Adresse von Lotus Notes mit sich. Sich eine solche URL (Uniform Resource Locator) abzuschreiben oder gar zu merken, ist nahezu unmöglich. Doch auch hierfür gab es eine Lösung. In der nächsten Ausführung, die noch im ersten Quartal dieses Jahres online geht, wird über die Domino-Konfigurations-Datei automatisch eine lesbare URL erzeugt.

Wie immer bei derartigen Projekten stand die Sicherheit an höchster Stelle. Immerhin wird der Web-Server des Neuen Marktes zuerst intern betrieben, wogegen die Server, auf denen die anderen Seiten der Deutschen Börse liegen, beim Provider stehen. Ein gut gesichertes Rechenzentrum schiebt einem Mißbrauch schon einmal einen Riegel vor. Zusätzlich ist der Server durch zwei sehr restriktiv konfigurierte Firewalls geschützt. Schließlich handelt es sich bei den dort publizierten Daten um Informationen, die Investitionsentscheidungen beeinflussen können.

Im Neuen Markt notiert

Aixtron AG

BB Biotech AG

Bertrandt AG

Beta Systems Software AG

EM. TV & Merchandising AG

LHS Group Inc.

Lösch Umweltschutz AG

Mensch und Maschine Software AG

Mobil Com AG

Mühl AG

Qiagen N. V.

Refugium Holding AG

Sachsenring Automobiltechnik AG

Saltus Technology AG

SCM Microsystems Inc.

SER Systeme AG

Singulus Technologies AG

(Stand: 31. Januar 1998)

Partner des Neuen Marktes:

ABN Amro Bank AG

Arthur Andersen

Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank AG

Bayerische Vereinsbank AG

Burson-Marsteller GmbH

Commerzbank AG

Deutsche Bank AG

Heinrich Fleischhacker KG

Börsenmakler Jones, Day, Reavis & Pogue

KPMG

Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG

Auszug

Angeklickt

Der Neue Markt existiert als Handelssegment an der Frankfurter Wertpapierbörse seit Anfang März. Ausschlaggebend war eine konzertierte Aktion von Wirtschaft, Politik, Finanzinstitutionen und Investoren. Sie soll jungen, innovativen und wachstumsstarken Unternehmen die Suche nach Eigenkapital erleichtern. So bringt der Neue Markt diese Unternehmen mit risikobewußten Investoren aus dem In- und Ausland zusammen. Das über die Börse aufgenommene Kapital legt den Grundstein zur Realisierung des vorhandenen Wachstumspotentials. Den Investoren eröffnet der Neue Markt wiederum Anlagemöglichkeiten mit einem attraktiven Chancen-Risiko-Profil. Die Deutsche Börse unterstützt sowohl die Investoren als auch die Emittenten. Neue Dienstleistungen helfen den Unternehmen, die im Neuen Markt geführt werden, bei der Erfüllung ihrer höheren Publizitätsanforderungen.

Anja Maria Seelig ist Mitarbeiterin des Kompetenzzeentrums Architektur und Technologie bei der Deutschen Börse System AG in Frankfurt am Main.