IT in Banken/Vollautomatisches Optionsschein-Handelssystem

Deutsche Bank präsentiert Star: In Sekunden das Geschäft gemacht

07.05.1999
Ein automatisches Optionsschein-Handelssystem der Deutschen Bank, genannt "DB-Star", ermöglicht mit Java-fähiger Datenbanktechnologie den Brückenschlag zum Endkunden. Rolf Bastian* schildert das neue Sytem.

Die Deutsche Bank ringt um Wettbewerbsvorteile auf dem heißumkämpften Markt für Optionsscheine. Mittel zum Zweck ist DB-Star, das vollautomatische Handelssystem auf Basis einer 3-tier-Internet-Architektur. Damit erhalten Intermediäre und institutionelle Kunden, ob über Internet, Intranet oder Standleitung, Zugriff auf Optionsscheinangebote der Deutschen Bank. Den Intermediären steht frei, ihren Kunden den Direktzugriff per Internet zu ermöglichen. Das System berechnet automatisch die Preise, und der Handel wird per Mausklick bestätigt. Die interne Abwicklung zwischen den beteiligten Finanzdienstleistern ist ebenfalls automatisiert. Das System wurde von der Deutschen Bank in Zusammenarbeit mit Sybase Professional Services und der Hamburger ACS Systemberatung GmbH entwickelt und beruht auf Sybase-Datenbank- und Connectivity-Technologie für Internet-Applikationen.

Je turbulenter das Börsengeschehen, desto risikobeladener, aber auch interessanter wird der Handel mit Optionsscheinen. Kein Wunder also, daß in diesem Bereich in den letzten Jahren schwindelerregende Wachstumsraten erzielt wurden. So stehen den rund 1000 an der Börse notierten Aktien inzwischen bereits weit über 7000 Optionsscheine gegenüber, die von den großen Geldinstituten emittiert werden. Gehandelt wird dabei das Recht, Papiere zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem vereinbarten Kurs zu kaufen oder zu verkaufen. Der Preis für dieses Recht ist weit geringer als der Preis der betreffenden "Underlyings", das heißt der zugrundeliegenden Aktien, Indexwerte oder Futures.

Mit relativ geringem Einsatz lassen sich also ungleich höhere Summen bewegen, so als würde man physikalisch einen sehr langen Hebel benutzen. Eben darum reagieren die Preise von Optionsscheinen umgekehrt auf kleinste Börsenschwankungen mit enormen Ausschlägen und sind volatiler als die Aktienkurse selbst.

"Uns war daran gelegen", so Rolf Lüders, Projektleiter bei der Deutschen Bank, "ein vollautomatisches System zu entwickeln, das den Kunden faire, sekundenaktuelle Preise gewährleistet, damit die von uns emittierten Optionsscheine ebenso attraktiv wie leicht zu handeln sind." Die Erfahrungen mit dem Wettbewerb zeigen schließlich, daß elegante IT-Lösungen auf der Emittentenseite direkte Auswirkungen auf das Verhalten der Intermediäre und Anleger und damit auf Marktanteile haben.

Die zentrale Komponente der Lösung ist ein Realtime-Pricing-System, das durch entsprechende Reuters-Meldungen automatisch ausgelöst wird.

Immer wenn für relevante Börsenwerte ein neuer Kurs eingeht, berechnet das System in Sekundenbruchteilen die neuen Preise sämtlicher davon betroffener Optionsscheine. Daraus ergaben sich nach Lüders Aussage sehr hohe Anforderungen an die Messaging-Funktionen. "Kursänderungen müssen direkt am Bildschirm dargestellt werden, bei den beteiligten Händlern müssen Messages aufpoppen - das wäre mit zwei Schichten nicht abzubilden gewesen. Und den Aufwand, im Applikations-Server selbst eine mittlere Schicht zu programmieren, wollten wir nicht treiben."

Also beschloß man, auf Grundlage vollständig neuer Technik ein Dreischichtenmodell aufzubauen, mit Sybase und der Hamburger ACS Systemberatung als Entwicklungspartnern. "Neben der Technik von Sybase war für uns einer der wichtigsten Gründe für diese Entscheidung, daß das Haus die Gesamtfunktionalität abdecken konnte, die wir brauchten: von der Datenbankschicht über die Middleware bis zu den Internet-orientierten Front-end- Tools", erläutert Lüders die Wahl seiner Partner. Seine Bilanz bestätigte die Entscheidung.

Seit 15. März 1999 wird DB-Star von den Händlern im Haus voll produktiv eingesetzt, und zwar plattformunabhängig unter NT-, Sun- oder AIX-Oberflächen. Gleichzeitig ist die Bank24 als erste Direktbank dazu übergegangen, mit dem neuen System zu handeln.

Ruft ein Kunde zum Beispiel im Call-Center der Bank24 an, um Optionsscheine zu kaufen oder zu verkaufen, kann der Mitarbeiter ihm unverzüglich den aktuellen Preis nennen. Dazu genügt die Eingabe einer Wertpapierkennnummer oder das direkte Anklicken des betreffenden Optionsscheins auf dem Handelsbildschirm. Und wenn der Kunde zu diesen Konditionen den Auftrag erteilt, genügt ein Mausklick, und das Geschäft ist ohne weitere manuelle Eingriffe "gemacht".

Der Endkunde kann direkt handeln

Durch Einbindung in ihre Internet-Applikationen haben Intermediäre und Makler die Möglichkeit, ihren Kunden die Benutzeroberfläche des Handelsbildschirms auf ihrem PC bereitzustellen. Auch wenn geschäftlich stets die Intermediäre gegenüber Kontrahenten der Emissionsbank als Kunde/Käufer fungieren, kann dann der Endkunde über Internet direkt mit den von der Deutschen Bank emittierten Optionsscheinen handeln.

Vom Moment der Preisstellung an bleiben ihm einige Sekunden, in denen er das Geschäft annehmen oder ablehnen kann. Vollautomatisch generiert das System gegebenenfalls die Bestätigung des Handels und besorgt die Abwicklung mit den Back-Office-Systemen, das heißt, der Kunde erhält unverzüglich seine Ausführung und kann sehen, wieviel ihn das Geschäft gekostet oder wieviel es ihm eingebracht hat. Auch darin sieht Lüders einen attraktiven Punkt im Kampf um Marktanteile: "Der Kunde muß nicht mehr warten, bis er auf dem Postweg bestenfalls nach einem Tag seine Abrechnung erhält, sondern er kann intradaymäßig handeln, er kann gegebenenfalls in 20 Minuten dreimal kaufen und wieder verkaufen, denn in wenigen Sekunden ist das Geschäft jeweils gemacht."

Die erforderlichen Datensätze für das Risiko-Management-System werden ebenfalls ohne menschliches Zutun generiert und, je nach Art der gehandelten Scheine, in den entsprechenden Rechner nach Frankfurt oder London geschickt. Zusätzlich wird für alle deutschen Kunden die Wertpapierabrechnung im Großrechnersystem abgewickelt, um die gesetzlichen Mindestanforderungen zu erfüllen. Ferner berechnet das Handelssystem automatisch die erforderlichen Hedge-Operationen zur Absicherung des Geschäfts.

Mehr als ein Dutzend Schnittstellen zu internen und fremden Systemen mußten dafür definiert und dementsprechend anspruchsvolle Sicherheitsmechanismen eingebaut werden. Technisches Kernelement der Lösung ist in der ersten Ausbaustufe ein Jaguar-CTS-Application-Server. Kurzfristig kommt am Standort Frankfurt ein zweiter Server hinzu, um jederzeit die Hochverfügbarkeit des Systems zu gewährleisten. In der zweiten Ausbaustufe wird dieselbe Konfiguration parallel in London installiert; dabei sorgen Replication- Server für Datenkonsistenz. Diese im Rahmen einer Gesamtarchitektur konzipierte Schicht interagiert mit allen anderen Komponenten, das heißt mit den Datenbanken, den Fremdsystemen wie Reuters und den Clients bis hin zu den von ACS mit Sybase PowerI entwickelten Front-end-Applikationen.

Zugrundeliegende Datenbanken sind unter anderem das Dokumentationssystem für die Emission neuer Papiere EWMS (Electronic Warrant Management System), die Stammdatenbank und die Risiko-Management-Systeme, die auch die Marktdaten liefern, die DB-Star für die Preisberechnung braucht (Volatilitäten, Zinsen etc.).

Clients im Haus sind die Händler, die sich alle von ihnen benötigten Informationen auf den Trading Screen spielen lassen. Jeder Benutzer kann sich dabei sein Profil nach eigenen Präferenzen einrichten. Die nötige Flexibilität für die Anbindung externer Clients ist gewährleistet, denn der Server unterstützt unter anderem Enterprise Java Beans, Corba-fähige Java- und C++-Komponenten. Über die Bank24 hinaus werden weitere Intermediäre entweder direkt an das System angeschlossen oder über indirekte Kommunikationswege. Endkunden können in jedem Fall nur über die Server der Intermediäre Zugriff auf das System erhalten, denn letztere stehen gegenüber dem Emittenten dafür gerade, daß die Kunden, denen sie diesen Zugriff gewähren, auch die handelsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllen. Das gesamte System ist in der Weise offen konzipiert, daß alle Komponenten jenseits der Firewall von den Partnern auf der Intermediärsseite in eigener Verantwortung gestaltet und administriert werden.

Für den Kampf um Marktanteile gerüstet

Mit der Entscheidung für eine Java-basierte Entwicklung unterstreicht die Deutsche Bank die Zukunftsorientierung ihres neuen Systems. Zwar ist auch Java noch ein gutes Stück davon entfernt, vollkommen "betriebssystemunabhängige" Lösungen zu gewährleisten, aber Java-basierte Systeme gehen sehr in diese Richtung. Vor allem aber bleibt der Installationsaufwand auf der Client-Seite ausgesprochen niedrig, was bei einem global angelegten Projekt große Vorteile mit sich bringt. Lüders abschließend: "Wir haben Grund zu der Hoffnung, ein zukunftsweisendes Handels- und Informationssystem geschaffen zu haben, mit dem wir unsere Stellung am Markt behaupten und massiv ausbauen können.

Systemkonfiguration

Datenbanken:Sybase Adaptive Server Enterprise 11.9.2, Oracle Database auf Sun Solaris

Applikations-Server:Jaguar CTS 2.0

Server-Hardware:Sun Enterprise 10000 KSybase Replication Server 11.5J Connect für die Interaktion mit Java-basierten Front-ends

Entwicklungsumgebung:Power J 2.5 für Windows NT; Sun Workshop 4.0 für Entwicklungen mit C++ auf Solaris

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"DB-Star" zielt nicht nur auf Direktbanken, Makler und institutionelle Anleger, sondern macht es möglich, die Lücke zum Endkunden zu schließen. Als besonderen Service können Direktbanken und Makler über ihre Server den direkten Durchgriff auf das Handelssystem anbieten - dank Java-basierter Front-end-Applikationen und vollautomatischer Abwicklung.

*Rolf Bastian ist freier Journalist in Mainz.