Deutsche Anwender zweifeln am Facilities Management

17.08.1990

Facilities Management (FM) gehört zu den zahlreichen Facetten professioneller

Serviceleistungen. Während FM weltweit zunehmend an Bedeutung gewinnt,

halten sich sich die deutschen Anwender nach wie vor zurück. Das wird sich, so

Manfred Frey*, voraussichtlich erst ab Mitte der 90er Jahre langsam ändern.

Bundesdeutsche Anwender haben 1989 rund 61 Prozent ihrer externen DV-Ausgaben in Hardware und deren Wartung angelegt. Der Rest von 39 Prozent entfiel auf Software und Services. Diese Situation dürfte sich nach IDC-Einschätzung in den kommenden Jahren gravierend ändern.

Die Marktbeobachter erwarten, daß bis 1994 mehr als die Hälfte der hiesigen DV-Ausgaben in die Taschen von Software- und Serviceanbietern fließen werden. Die Ursachen hierfür liegen auf der Hand: Sowohl die Nachfrage nach Standardsoftware als auch nach Professional Services hält unvermindert an.

Zu den Professional Services zählen eine ganze Reihe unterschiedlicher Dienstleistungen: Sie reichen von der DV-Beratung und Bedarfsanalyse über Auftragsprogrammierung und Schulung bis hin zum Facilities Management, dem Abwickeln der Datenverarbeitung einer Anwenderfirma durch ein externes Dienstleistungsunternehmen. Dabei ist zwischen externem und internem Facilities Management zu unterscheiden.

Als extern wird die Beauftragung eines anderen Unternehmens mit Design, Entwicklung und Implementierung von DV-Lösungen für das eigene Unternehmen bezeichnet. Der Anbieter stellt Experten zur Unternehmensanalyse ab, die zusammen mit den verschiedenen Geschäftsbereichen Spezifikationen für die Entwicklung und Implementierung von Anwendungen festlegen. Zusätzlich übernimmt das FM-Unternehmen die gesamte Informationsverarbeitung, einschließlich taktischer und strategischer Planung von Informationssystemen sowie deren Finanzkontrolle.

Unter internem Facilities Management versteht man die Beauftragung eines externen Unternehmens mit einer oder mehreren innerbetrieblich durchgeführten Aktivitäten im Bereich der Informationsverarbeitung. So haben viele Unternehmen externe Fachleute mit der Verwaltung des eigenen Rechenzentrums und den zur RZ-Steuerung benötigten Komponenten (Systemprogrammierung, Kommunikationsfunktionen, herstellerspezifische Softwareprodukte) betraut.

Das Marktwachstum hält mit andern Branchen mit

Auch die externe "Steuerung" der eigenen Programmierabteilung ist keine Seltenheit mehr. Dem Anwenderunternehmen unterliegt zwar weiterhin die Kontrolle über die Geschäftsanalyse, es beauftragt das externe Unternehmen aber typischerweise mit der Systemintegration. Das Anwenderunternehmen verfügt damit nur noch über eine geringe Kontrolle der verwendeten Plattformen, und die Mitarbeiter in den betroffenen Abteilungen werden oft Angestellte der FM-Gesellschaft. Finanzielle Kontrolle sowie taktische und strategische Planung werden im allgemeinen in einer Matrix organisiert. Diese Überlegungen verdeutlichen, daß Facilities Management eng verzahnt ist mit anderen Facetten des Professional-Services-Geschäfts wie etwa Systemintegration oder Schulung.

Im weltweiten Maßstab ist Facilities Management eine vom Anwender akzeptierte Dienstleistung. IDC schätzt die FM-Umsätze des Jahres 1989 auf weltweit rund 1,44 Milliarden Dollar. Das entspricht immerhin einer Marktausweitung um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresvolumen von 1,2 Milliarden Dollar.

Die landläufig geäußerte Meinung, bei Facilities Management handele es sich um ein vergleichsweise kleines Marktsegment, läßt sich angesichts dieser Zahlen kaum aufrechterhalten. Auch ein anderes Vorurteil - FM werde vornehmlich von Behörden eingesetzt - wird durch jüngste IDC-Untersuchungen widerlegt. So entfallen 51 Prozent der weltweiten FM-Umsätze auf privatwirtschaftliche Unternehmen, hauptsächlich auf Großkonzerne. Die andere Hälfte des Geschäftes wird mit Behörden aller Art erzielt.

Die künftigen Aussichten des internationalen Marktes für Facilities Management sieht IDC als gut an. Zwar werden sich andere Services wie etwa die Systemintegration in Zukunft noch stärkerer Beliebtheit erfreuen. Doch mit einer durchschnittlichen jährlichen Zuwachsrate von elf Prozent ist die Entwicklung im FM-Markt zweifellos als gesund zu bezeichnen.

FM - ein Geschäft für Großunternehmen

Getragen wird das Geschäft überwiegend von Großunternehmen. Das gilt sowohl für die Anwender- als auch für die Anbieterseite. Zu den Nachfragern gehören vornehmlich Anwender, die die Leistungen kompletter Mainframe-Rechenzentrum von Externen einkaufen. Diese Gruppe stellt über 90 Prozent der gesamten FM-Marktes.

Auf der Anbieterseite überwiegen die großen Dienstleister, die sich auf Professional Services in unterschiedlichsten Facetten - und damit auch auf Facilities Management - konzentriert haben. Über die Hälfte des internationalen FM-Marktes wird von den "Großen Drei", Electronic Data Systems (EDS), Andersen Consulting und Sema Group, abgedeckt. Hierbei bringt es allein EDS auf etwa ein Viertel des Marktes (einschließlich des Geschäfts mit der EDS-Muttergesellschaft General Motors).

Auch die Hardwarehersteller haben Facilities Management entdeckt. Über 300 Millionen Dollar setzten sie 1989 international um. Das entspricht einem Marktanteil von immerhin 21 Prozent. Führender FM-Anbieter unter den Hardwareherstellern ist - wenig verwunderlich - die IBM. Aber auch Unisys und Digital Equipment haben offensichtlich ihre Chancen in diesem Segment erkannt und preschen nach vorne. Das ist vernünftig, denn die besten Chancen im lukrativen Professional-Services-Geschäft haben Anbieter, die alle Segmente abdecken. Dazu gehört nun einmal auch das Facilities Management.

In Europa läuft ein Drittel des Geschäfts

Rund ein Drittel des weltweiten Marktes für Facilities Management entfällt auf Europa. Das entspricht einem Volumen von immerhin 495 Millionen Dollar für den Alten Kontinent. Vom FM-Gedanken am meisten angetan sind offenbar die Briten: Rund 22 Prozent des europäischen FM-Marktes wird in Großbritannien abgewickelt. Auf Platz zwei folgt Frankreich mit rund elf Prozent, auf Platz drei die Niederlande mit etwa zehn Prozent.

Für die besonders intensive Beanspruchung von Facilities-Management-Services in Großbritannien hat IDC zwei Hauptgründe ausfindig gemacht: Zum einen ist hierfür sicherlich die ohnehin starke Orientierung der Briten an der Entwicklung in den USA von Bedeutung. Außerdem hilft, daß die Übertragung der nötigen Software aus den USA nach Großbritannien aufgrund der gleichen Sprache einfacher ist als in anderen europäischen Ländern.

Ausschlaggebend für die vergleichsweise starke FM-Nachfrage der Briten dürfte jedoch die Liberalisierung des dortigen Telecom-Marktes sein. Facilities Management ist mit einem wesentlich höheren Aufwand für die Datenkommunikation verbunden als der herkömmliche RZ-Betrieb. Schließlich liegen bei FM Nutzungsstätte (Anwender) und Verarbeitungszentrum (Anbieter-RZ) oftmals geographisc weit auseinander (externes Facilities Management). Es entsteht also ein erheblicher Online-Kommunikationsbedarf

will man sich nicht auf den Batch-Betrieb beschränken.

Die deutschen Anwender geben sich konservativ

Überträgt man die Analyse des britischen Marktes auf Deutschland, so müßte sich auch hierzulande in den nächsten Jahren eine kräftige Nachfrage nach Facilities Management entwickeln. Schließlich hat die Telecom-Liberalisierung auch in der Bundesrepublik zum Juli 1990 eingesetzt. Mit dem damit einhergehenden Wettbewerb im Telecom-Markt werden zweifellos die Preise sowohl für die Leitungsnutzung als auch für Telecom-Services sinken. Damit dürften auch hierzulande die Datenkommunikations-Kosten auf ein Niveau fallen, das eine akzeptable Basis für Facilities Management darstellt.

Bislang ist der FM-Markt in der Bundesrepublik allerdings noch klein. IDC schätzt das Volumen für 1989 auf knapp 75 Millionen Dollar. Das entspricht einem Anteil von lediglich 8,6 Prozent am gesamteuropäischen FM-Markt. Nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Italien geben die Anwender mehr Geld für Facilities Management aus.

Die Ursachen hierfür liegen sicherlich nicht nur in den hohen Kosten für die Datenübertragung. Vielmehr ist die Auslagerung von DV-Aktivitäten in fremde Hände, wie sie durch Facilities Management praktiziert wird, von hoher strategischer Bedeutung für den Anwender.

Facilities Management macht den Kunden unabhängig

Die Vorteile des FM bestehen im allgemeinen in der klaren Übertragung der DV-Verantwortung an den externen Dienstleister und in einem verringerten Kostenvolumen. Insbesondere letzteres Argument gewinnt angesichts des zunehmenden Kostendrucks für immer mehr DV-Chefs an Bedeutung.

Diesen Vorteilen steht jedoch ein massiver Nachteil gegenüber: Der FM-Anwender begibt sich in eine weitgehende Abhängigkeit vom jeweiligen Dienstleister. Dieser Aspekt ist um so gravierender, als sich die Datenverarbeitung zunehmend zu einer entscheidenden Größe für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in ihren Märkten entwickelt. Die Kontrolle über dieses Instrument außer Haus zu geben erfordert zumindest eine gehörige Portion Vertrauen. Wie Umfragen verraten, scheuen deutsche Anwender häufig das damit verbundene Risiko.

An dieser Situation wird sich erst dann etwas ändern, wenn ausländische Unternehmen für die hiesige Wirtschaft spürbare Wettbewerbsvorteile durch Facilities Management erzielen.

Bis dahin rechnet IDC mit einem moderaten Wachstum im deutschen FM-Markt. Das Volumen für 1994 wird auf rund 140 Millionen Mark geschätzt. Damit dürfte Deutschland hinter der gesamteuropäischen FM-Entwicklung hinterherhinken.

So ist davon auszugehen, daß der bundesdeutsche Anteil am europäischen Markt für Facilities Management zwischen 1989 und 1994 von 8,6 auf 7,9 Prozent erst einmal zurückgehen wird. Die Hauptursache hierfür liegt in der rasante FM-Nachfrage von Unternehmen in Frankreich, Großbritannien und den nordischen Ländern. Bleibt abzuwarten, ob die deutschen DV-Anwender für ihre geringe Experimentierfreudigkeit nicht eines Tages auf dem internationalen Wettbewerbsparkett werden zahlen müssen.