Zukunft des Desktop/PC-orientierte Client-Server-Systeme sind "Dinos" der IT-Evolution

Desktop-Rechner der Zukunft sind einfach, billig und abhängig

18.09.1998

In den 80er Jahren schienen die immer stärkeren PCs die Datenverarbeitung preiswert zu machen. Doch der Aufschrei der Controller ließ nicht lange auf sich warten. Der Traum von der Vereinfachung der Arbeitsabläufe oder gar dem papierlosen Büro war für viele Unternehmen bald verflogen. Günstigen Einstandspreisen und attraktiven Anwendungen standen allzu häufig eine aufwendige Systempflege und damit höhere Kosten gegenüber.

Fundamentale Änderungen der Betriebssysteme und kurze Release-Zyklen der Software beschleunigten diese Entwicklung noch. Wiederholte Modifika- tionen der Programmabläufe erhöhten zwangsläufig die Fehlerquote. Hinzu kamen Aufwendungen für eine jeweilige Schulung der Mitarbeiter.

Natürlich ist der Status quo nicht durchweg ein Horrorszenario. Mittlerweile sind Anzeichen für einen Wandel auf dem Markt spürbar. Seit geraumer Zeit gibt es eine steigende Nachfrage nach zentraleren Architekturen und weniger aufgerüsteten Systemen an den Arbeitsplätzen. Zudem beherrscht ein Begriff die Gedanken der Finanzverantwortlichen: TCO, Total Cost of Ownership.

An die Stelle der inzwischen "fetten" PCs treten Thin Clients, die zwar robust und äußerst leistungsfähig, doch auffallend schlank konzipiert sind. Alle Nutzer greifen auf Programme zu, die auf den leistungsstarken Servern installiert sind. Trotzdem weisen die Systeme eine extrem gute Performance auf. Doch ist die Thin-Client-Technologie nun ein Rückschritt in die Zeit der Großrechner oder ein wirklich evolutionär zu nennender Wandel? Die Frage ist mehr ideologischer Natur. Sie wird auch nicht sehr nachhaltig diskutiert, weil es anhand praktischer Beispiele alsbald um Kosten-Nutzen-Vergleiche geht.

So übertreffen Netzwerkcomputer (NC) inzwischen deren aktuelles Referenzprofil. Diese Geräte verfügen über NC-Navigator-Browser und Java-Interpreter. Außerdem unterstützen sie optional MPEG-1, Digitalvideo und 100Base-TX.

Sie erlauben heute den Zugang zur Welt der PC- und Legacy-Anwendungen ohne Abstriche in puncto Audio und Video. Sie können sämtliche Daten von jedem Host in einem unternehmensweiten Netzwerk nutzen. Diese Leistungspalette kostet Geld, allerdings deutlich weniger als bei PC-Netzwerken. Kostenreduzierungen um bis zu 70 Prozent werden prognostiziert.

Erste Einsätze in der Praxis bestätigen diese Einschätzung. Die Siemens AG, Siemens Electrocom GmbH und Huels Infracor GmbH verwenden seit Jahren die Vorteile der Thin Clients. Die Installationen zeugen sowohl von der Sicherheit und Verläßlichkeit des Systems als auch von ihrer Funktionalität. Im Tagesgeschäft belegen sie die Möglich- keit, digitale Videos abzuspielen und nebenbei ohne Leistungsverluste Web-Browser, Java und Windows-Anwendungen zu nutzen.

Auf ähnliche Erfahrungen verweisen die schwedische Credit-Bank und die US-amerikanische Wells Fargo Bank. Bei den schwedischen Bankern gibt es insgesamt zirka 12000 Netzwerkcomputer. Die amerikanischen Finanzdienstleister haben mittlerweile mehr als 20000 Geräte im Einsatz. Neben der Arbeit mit maßgeschneiderter und standardisierter Software ist das problemlose Plug and play eine wichtige Anforderung an die Systeme.

Und die Kosten? Unabhängige Untersuchungen bestätigen, daß durch Netzwerkcomputer nur 20 Prozent der Wartungskosten entstehen, die bei einer PC-Lösung anfallen. Hochgerechnet auf zehn Jahre, verringert sich dieser Prozentsatz auf rund zwei Prozent.

Ein weiteres Beispiel bietet die Frankfurter Leicht Küchen AG. Die bislang eingesetzten X-Terminals waren von der Unternehmenskommunikation ausgeschlossen. Zudem ließen sich diese Systeme nicht für die neue Office-Standardsoftware gebrauchen. Sie durch neue PCs zu ersetzen hätte rund 800000 Mark gekostet.

Die Entscheidung für Netzcomputer brachte die gleichartige Bedienung standardisierter Arbeitsplätze und eine sehr effiziente Zentralisierung der Systemverwaltung. Durch die monatlichen Zeiteinsparungen in den diversen Arbeitsabläufen war der Return on Investment (ROI) schon nach etwa sieben Monaten erreicht.

Eine Investition im DV-Bereich muß heute möglichst multifunktional sein. Der Anwender muß mit Hilfe seines Endgeräts auf diverse Plattformen zurückgreifen können. Ob Local oder Wide Area Network, inzwischen laufen Host-basierte Systeme mit ihrer Flexibilität herkömmlichen Lösungen den Rang ab. Anwendungen lassen sich unabhängig vom Betriebssystem weiterverwenden. Niemand muß auf NT, Unix oder Java verzichten.

Die Server bleiben auch von der Entwicklung der Datenübertragung langfristig unabhängig. Auf sie, nicht auf PCs, zielen Techniken wie ATM oder 100baseT zuerst. Der Einsatz der Fibre Channel erfordert keine Abschreibung bisheriger Investitionen.

Auch einer verstärkten Nutzung von Multimedia, etwa für Video-Conferencing, steht nichts im Wege. Zwar widerspricht Video-Conferencing der ursprünglichen Grundidee der Clients, möglichst wenig Intelligenz zur Verfügung zu stellen. Aber die Aufrüstung der Endgeräte verlangt nur minimale Investitionen. Es ist lediglich eine zusätzliche Hardwarekomponente, MPEG-Chips, zur Dekodierung der zuvor komprimierten Daten einzubauen. Auch hier läuft das Terminal nicht mit autarken Programmen.

Letztlich will der Kunde seine Investitionen möglichst langfristig schützen. Mit Network-centered Computing ist das keine Utopie - zumal im ersten Schritt keine radikalen Einschnitte nötig sind. Die Umstellung auf Host-basierende Systeme ist auch sukzessive machbar. So lassen sich vorhandene PCs geringerer Leistung als Endgeräte weiterverwenden. Einziger Wermutstropfen bleibt dabei allerdings deren Fehleranfälligkeit.

Während PCs aufgrund sehr schneller Produktzyklen erfahrungsgemäß in ein bis zwei Jahren veraltet sind, warten Thin Clients mit einer Halbwertszeit von fünf Jahren auf. Bisher konnte sich die DV-Industrie schon bei einer Zeitspanne von nur zwei Jahren allenfalls spekulativ über künftige Anforderungen äußern. Der Erklärungsnotstand, der letztlich auch den Anwendern zugemutet wurde, hat mit der Rückbesinnung auf Host-basierte Systeme ein Ende.

Die Zukunft der Betriebssysteme wird eine duale Entwicklung erleben. Zum einen wird mit Windows CE ein extrem reduziertes Betriebssystem logische Einheiten in allen möglichen Umfeldern bedienen. Das umfaßt die Steuerung der Spülmaschine über Handheld-Computer bis zu mobilen Kommunikationssystemen. Auf der anderen Seite werden diverse Systeme nebeneinander agieren. Während Java immer noch ausschließlich Nischen bedient, kristallisiert sich im Main- stream-Bereich langsam eine bislang friedliche Koexistenz von Unix und NT heraus.

Die Experten haben den 180-Grad-Schwenk schon vollzogen. Mit den ersten positiven Erfahrungen auf Kundenseite kristallisiert sich ein neuer Grundsatz immer deutlicher heraus. Nicht die Maxime "Soviel wie nötig", sondern der Grundsatz "Nur das absolut Notwendige" bestimmt inzwischen die DV-Branche. Die allzu negativen Erfahrungen hinsichtlich Implementierung und Performance der Client-Server-Applikationen haben dem ganzen Architekturprinzip Schaden zugefügt.

Schließlich werden auch die Dienstleister auf diese Situation reagieren müssen. Wenn sie sich vom PC-Wettbewerber unterscheiden oder ein zusätzliches Standbein zulegen wollen, werden einige neue Anforderungen unabdingbar. Neben fundiertem Know-how zu Microsoft NT - möglichst mit den üblichen Microsoft-Zertifizierungen - erwartet der Kunde Fachwissen über Unix.

Ein weiterer Bestandteil der Dienstleistung muß ein komplettes Angebot von Internet-Technologien und Vernetzung umfassen. Aus strategischer Sicht fordern Kunden mittlerweile häufiger Fachwissen über die Integra- tion heterogener Umgebungen. Dazu ist es unerläßlich, kompetente Partner zu haben.

Das wichtigste Argument ist allerdings ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. Es rückt den Aspekt der Folgekosten spürbar in den Mittelpunkt. Besonders wer Erfahrung mit Host-basierten Umgebungen sowie Software für Connectivity und Systemadministration mitbringt, kann eine mittelfristige Planung für den Kunden transparent machen.

Angeklickt

Die überschnelle und unwägbare Entwicklung von PC-Hard-und -Software hat den Aufbau von Client-Server-Umgebungen zu einer Aufgabe mit vielen Risiken gemacht. Verlockend günstigen Einstandspreisen für massive Rechnerleistung stehen explodierende Kosten für Updates und Systemadministration gegenüber. Der Autor dieses Beitrags plädiert aus Kostengründen für eine Rückkehr zur Host-orientierten DV-Landschaft. Die soll diesmal aus Servern und - auf die jeweiligen Anforderungen am Arbeitsplatz abgestimmten - Netzcomputern, Thin Clients, bestehen.

Thomas Ahlemeyer ist Partner-Account-Manager bei Tektronix in Köln.