Hochsprachen bringen bis zu 80 Prozent Zeitersparnis, aber:

Designphase nur mit Fachabteilung sinnvoll

04.01.1985

Mehr als 700 Programmiersprachen und Generatoren füllen mittlerweile die Angebotspalette zum Abbau der Softwarekrise. Nicht selten vermerkten die Hersteller diese Produkte allzu gern unter dem Sammelbegriff "Fourth Generation".

DV-Verantwortliche stürzen sich zum Teil geradezu blindlings auf die angepriesenen "Neulinge", um nach einer meist oberflächlichen Produktwahl die neue Errungenschaft als "Rettungsanker" für das in vielen Unternehmen dringlichste Problem einzusetzen; den Anwendungsrückstau. Doch damit ist es allein nicht getan. Klaus Jacoby, DB/DC-Systemberater der ADV/Orga F. A. Meyer AG, Wilhelmshaven, hält das "Miteinander" von DV- und Fachabteilungen für eine grundlegende Voraussetzung im Kampf gegen den betrieblichen SW-Notstand.

Informatiker legen nicht von ungefähr entsprechende Basiskriterien für eine "Fourth Generation Language" an. So muß etwa die Entwicklungszeit für eine Anwendung im Vergleich zu Cobol, Fortran oder PL/1 drastisch gesenkt werden können. Es reicht nicht, daß die Sprache leicht erlernbar und einprägsam ist (zwei Tage sollten im allgemeinen genügen), sie muß zudem sowohl für den DV-Spezialisten als auch für den Enduser verständlich und anwendbar sein.

Um diese Ziele zu erreichen, müssen neue Wege beschnitten werden. Allein durch Optimierung und Automatisierung der gewohnten Entwicklungstools in den "heiligen DV-Gewölben" ist dies nicht zu erreichen. Das Wesen einer Hochsprache der vierten Generation besteht ja gerade darin, eine Zusammenarbeit zwischen Endanwendern und DV-Abteilung bestmöglich zu unterstützen.

Der Zeitgewinn sollte deshalb in der Designphase einsetzen: Die Bildschirmlayouts werden gemeinsam mit der Fachabteilung "gemalt". Ein Mapgenerator besorgt dabei automatisch die notwendige Dokumentation im Dictionary, ein Application Controller legt die Folgesteuerung der Dialoge und Transaktionen im "Wörterbuch" fest.

Damit wird echtes Prototyping möglich: Der Ablauf der Bildschirmasken kann, gesteuert durch das Dictionary, der Fachabteilung vorgeführt werden, obwohl noch keine Zeile Quellcode geschrieben wurde.

Die Vorteile des Prototyping liegen auf der Hand: Die Fachabteilung ist von Anfang an in den Entwicklungsprozeß einbezogen. Der User betrachtet das System in hohem Grade als sein Produkt. Damit steigt die Motivation des Endanwenders, erhöht sich die Akzeptanz des Systems, und die Schulung der Fachabteilung wird beim Prototyping automatisch weitgehend erledigt.

So erkennt auch die DV-Abteilung frühzeitig Mißverständnisse in den Vorgaben. Fehlentwicklungen werden von vornherein vermieden, während bei konventionellem Vorgehen, oft ein Softwareverhau entsteht, da Designfehler der ersten Stunde im späteren Stadium nur mit großem Aufwand rückgängig gemacht werden können.

Eine mächtige, dialogorientierte Sprache unterstützt die beiden Benutzergruppen auch beim Implementieren des Systems. Eine Hochsprache der vierten Generation muß deshalb so einfach sein, daß sie auch vom Endanwender verstanden wird. Dies ist durchaus zu erreichen, indem alle Arbeiten, die das System automatisch verrichten kann, auch von der Maschine erledigt werden: Der Programmierer braucht sich nicht mehr um Speicherbelegung oder Task-, Programm- und Timemanagement zu kümmern.

Darüber hinaus werden ihm alle Routinen abgenommen, die sich bei jeder Anwendung gleichen: So hat jede Applikation beispielsweise ein oder mehrere Menübilder, oder eingegebene Daten müssen geprüft oder verschlüsselt werden. Diese Vorgänge braucht er nicht mehr zu programmieren, sondern lediglich die entsprechenden Tabellen im Dictionary zu hinterlegen.

Das Austesten geschieht online am Bildschirm; Batchläufe zum Kompilieren sind nicht mehr nötig. Damit sind Modifikationen und Fehlerkorrekturen während und nach der Erstellung leicht durchzufahren, was wiederum Zeitersparnisse bei der Entwicklung und Wartung einbringt. Bei all diesen Arbeiten spielt das Dictionary eine große Rolle: Da jede Änderung vom Dictionary automatisch registriert wird, ist die gesamte gespeicherte Dokumentation (größtenteils automatisch erzeugt) immer auf dem aktuellen Stand.

Die Zeitersparnis kann beim konsequenten Einsatz voll Sprachen der 4. Generation bis zu 80 Prozent betragen. Erfahrungsgemäß wird dieser Wert aber nur erreicht, wenn es gelingt, den Endanwender auch in die Designphase miteinzubeziehen. Dies erfordert jedoch - zumindest in der Einführungszeit - die begleitende Unterstützung durch die Unternehmensführung.