Technikgeschichte mal anders:

Der Zweck heiligt auch Computer nicht

17.01.1986

"Planen, Entscheiden, Herrschen - Vom Rechnen zur elektronischen Datenverarbeitung" ist der Titel eines vom Deutschen Museum herausgegebenen Taschenbuchs. Im Vordergrund dieser aktuellen Technikgeschichte steht ausnahmsweise einmal der Zweck der Technik, nicht ihr Selbstzweck. CW-Redakteur Christoph Hammerschmidt hat sich das Paperback angesehen.

Eine Geschichte der Datenverarbeitung? Mehr als das. Das Buch beschreibt die Technik und Anwendung datenverarbeitender Methoden von den Hieroglyphen des alten Ägypten über die Materialplanung des ersten Weltkriegs mit Hilfe von Lochkartenmaschinen bis hin zur Entwicklung maschinenlesbarer Personalausweise der achtziger Jahre unseres Jahrhunderts.

Das Verdienst des vom Deutschen Museum herausgegebenen Taschenbuches ist es, eine Verbindung herzustellen zwischen der Technik und dem Zweck, dem sie dient. Man braucht kein Maschinenstürmer zu sein, um zu konzedieren, daß Technik gelegentlich ihre Schattenseiten hat. Was die Datenverarbeitung anbelangt, so kennen wir diese Schattenseiten durchaus, soweit sie zeitgenössischer Art sind: Die Schreckensvisionen vom gläsernen Bürger, vom Überwachungsstaat Orwellscher Dimension sind Vorstellungen des Computerzeitalters. Weniger bekannt sind die historischen Wurzeln dieser "kleinen Monster", die auf unseren Schreibtischen den Platz wegnehmen und alles besser wissen.

Daß die Hollerith-Lochkartentechnik unter Hitler beispielsweise eine Blüte erlebte, weil sie diesem für die Erfassung von so ziemlich allem und jedem das geeignete Werkzeug abgab, das bedarf durchaus der Erwähnung. Oder wer erinnert sich noch an die ersten Rechengiganten vom Schlag eines Eniac? Dieser Computer wurde für die Entwicklung der Atombombe konzipiert, doch fällt dies bei rein technischen Betrachtungen für gewöhnlich unter denselben Tisch wie die Tatsache, daß der Vater aller Computer, der zweifellos geniale John von Neumann, sein noch heute weithin gültiges Rechenkonzept als Mitarbeiter des Manhattan-Projekts entworfen hat, jenes Projektes also dem die Welt einen guten Teil ihrer heutigen, von vielen als ungemütlich empfundenen Situation verdankt.

Die Autoren sind Fachleute: Rudolf Lindner hält Vorlesungen in Nachrichten- und Digitaltechnik an der Fachhochschule Nürnberg. Diplom-Physiker Bertram Wohak ist am Ausbildungsinstitut von Control Data in München tätig, wo er dem Nachwuchs die Tatsachen von Mikroprozessoren und Datenbanken vermittelt, und Holger Zeltwanger ist Fachjournalist.

Bei drei Autoren kann es nicht verwundern, daß stilistische Brüche zwischen den einzelnen Kapiteln zu verzeichnen sind. Schlimmer ist, wenn der Leser zuweilen das Gefühl bekommt, daß sich der Autor in seinem Thema verlaufen hat und keinen Schluß finden kann. Trotzdem ein notwendiges und aktuelles Buch. Das Deutsche Museum hat sich damit die Lorbeeren verdient, über kleinkarierte Fachsimpelei hinaus auch Gesichtspunkte zur Diskussion zu stellen, die uns alle angehen.

Lindner, Wohak, Zeltwanger: Planen, Entscheiden, Herrschen. Vom Rechnen zur elektronischen Datenverarbeitung. rororo Sachbuch Nr. 7715, 12,80 Mark, ISBN 3-499-17715-3.