SAA-Eigenbrötelei nach Expertenmeinung gegen allgemeinen Trend:

"Der Zug müßte für die IBM abgefahren sein"

27.03.1987

MÜNCHEN (mer) - "SoftwarePartner" der IBM werden sich ab jetzt entscheiden müssen, ob sie ihre Anwendungsentwicklung mit selbstgestrickten Tools in alter Abhängigkeit weiter betreiben oder auf SAA umschwenken wollen." Damit ließ Bernhard Dorn, stellvertretender Geschäftsführer der IBM Deutschland GmbH, bei der SAA-Präsentation keinen Zweifel an der gewünschten Marschroute für gefolgstreue Softwarehäuser. Mit der Durchsetzung dürfte sich Big Blue nach Ansicht von Branchenkennern indes schwertun.

"Die Zeiten wie zur Ankündigung von SNA sind vorbei; heute können Softwarehäuser nicht mehr so ohne weiteres auf ein von IBM propagiertes SAA-Konzept umschwenken", kommentiert Wolfgang Dernbach, stellvertretender Geschäftsführer der Diebold Unternehmensberatung, Frankfurt. Dieser Zug müßte für IBM eigentlich abgefahren sein."

Auch Klaus Richter, Leiter des Bereichs Informationsverarbeitung für die Fertigungsindustrie bei der Kölner Unternehmensberatung Scientific Consulting, sieht die Absichtserklärung des Marktführers mit gemischten Gefühlen: "Es ist unsinnig, nochmal einen Industriestandard aufbauen zu wollen, wenn keine Kompatibilität zu anderen hergestellt wird." Allerdings, so glaubt Richter, könnte es die IBM durchaus schaffen, die Softwarehäuser dazu zu zwingen, von den im neuen Konzept nicht forcierten Programmiersprachen PL/ 1 oder RPG abzulassen und sich mit Cobol am SAA-Konzept auszurichten.

Bei Wolfgang Mudter, Vertriebsleiter der Software AG, Darmstadt, löst die neue Anwendungsarchitektur des Marktführers in seiner derzeitigen Form nur Heiterkeit aus: "Zunächst sind wir mal froh, daß es auch IBM mittlerweile gelernt hat, den Portabilitätsgedanken aufzugreifen und sich bei der Anwendungsentwicklung nicht so sehr auf Hard- und Software-Sachzwänge festzulegen. "Wie das Ganze technisch funktionieren und wie es für den Anwender ausschauen soll, sei der Absichtserklärung jedoch nicht zu entnehmen. Zumal alle wesentlichen Komponenten, die seiner Meinung nach eine solche Architektur erst sinnvoll machten, schlichtweg verschwiegen würden. Dazu zählt Mudter beispielsweise ein entsprechendes Dictionary oder verteilte Transaktionen. Auch werde bei der angestrebten Benutzerführung nicht erkennbar, welche gemeinsame Sprachenoberfläche in Frage käme.

Überwiegend positiv wird dagegen in Branchenkreisen das Bestreben der IBM gewertet, ihre unterschiedlichen Hardware-Architekturen unter einen Hut zu bringen: "Die IBM versucht nachträglich, ihre Rechnersysteme zusammenzupappen und verkündet damit eine Weisheit, die von Mitbewerbern wie Siemens oder DEC schon lange realisiert wurde", kommentiert Peter Page, Geschäftsführer der Software AG. Unter diesem Aspekt sei SAA als eine langfristige Strategie allerdings durchaus ernstzunehmen. Big Blue habe sich andererseits mit der geplanten Einbindung der /3X-Reihe in die einheitliche "System-Anwendungs-Architektur" technisch eine große Hypothek aufgeladen. Page: "Da werden noch einige Nüsse zu knacken sein."

"Die Trennung zwischen den /3X-Systemen und der 370-Welt ist einfach zu stark", erläutert auch Henner Hardt, Marketingleiter der Iko Software Service GmbH, Stuttgart. "Die Mainline der IBM kann nur die 370-Architektur sein. "Gerät damit die /36 langsam aufs Abstellgleis? Hardt: "Es wäre gefährlich, dies anzunehmen - aber irgendwie schwingt das bei dem neuen Konzept schon ein bißchen mit."

"Wir haben von Anfang an nicht auf die /3X-Modelle gesetzt", freut sich denn auch Dirk Lippold, Marketingleiter der ADV/Orga F.A. Meyer AG, Wilhelmshaven. "Sicher spricht der 'Ease of Use' für diese Maschinen, aber heute wird zunehmend Wert auf Integration gelegt - und da ist halt bei der /38 Feierabend." Die Wilhelmshavener gehen deshalb davon aus, daß die Säule des Abteilungsrechners 9370 stetig wachse und die /3X-Maschinen immer mehr abbröckeln werden.

Andere tippen auf eine gemeinsame Nachfolgemaschine für die beiden Schrägstrich-Modelle; allerdings frühestens 1988, wenn für IBM die Verkaufszahlen ausgereizt sein werden. Spekuliert Helmut Steeb, Geschäftsführer der Steeb Informationstechnik GmbH, Abstatt: "IBM muß sich klar darüber sein, wo sie die /36 und /38 im Verhältnis zur 9370 positioniert. Da wird sie Probleme haben - das Ergebnis könnte die Verschmelzung der beiden Systeme zu einer Maschine mit dem 'Ease-of-Use'-Konzept der /36 sein."

Für sein Unternehmen, seit Jahren auf die /36- und /38-Anwendungsentwicklung spezialisiert, hat Steeb im Hinblick auf SAA die Weichen bereits gestellt: "Bei SAA gibt es nur eine Entscheidung", resümiert der Manager, "entweder mit SAA im Kielwasser der IBM - oder Unix." Siehe auch untenstehendes Statement des Geschäftsführers der Steeb Informationstechnik GmbH.