Fraunhofer ISST entwickelt Standardverfahren

Der Wertbeitrag der IT lässt sich messen

16.07.2004
MÜNCHEN (CW) - In vielen Unternehmen wird IT derzeit nur als Kostenfaktor wahrgenommen. Verfahren für die Bestimmung des mittels IT erzielten Geschäftsvorteils sind Mangelware. Das Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) hat nun eine Standardmethode entwickelt, die so manchem CIO aus der Argumentationsfalle helfen könnte.

Geht es um die Aufmerksamkeit der Chefetagen, leidet die IT seit eh und je unter einer Wahrnehmungskrise: "Unternehmensführungen haben die strategische Funktion von IT eigentlich nie richtig begriffen und betrachten sie in der Regel als notwendiges Übel", beschreibt Herbert Weber die Situation, die vielen CIOs das Leben schwer macht. Das liegt dem Leiter des Fraunhofer-ISST zufolge vor allem daran, dass die Unternehmensspitzen meist nicht verständen, welche Leistungen die IT erbringe oder was ihr Geschäftswert sei.

Die Ursachen für die anhaltende Kostendiskussion sieht Weber nicht nur in den geplatzten Dotcom-Träumen und den damit verbundenen Enttäuschungen. Viel Kredit sei auch durch die IT-Protagonisten selbst verspielt worden. IT-Leiter hätten sich als Elite verstanden und seien lange auch so behandelt worden. "Viele haben sich nicht als Entscheider profiliert, sondern sich stattdessen Entscheidungen von ihren IT-Lieferanten präsentieren lassen, um sie anschließend ins eigene Unternehmen zu tragen", kritisiert Weber. Generell werde derzeit nicht wirklich IT-Management, sondern lediglich Rechenzentrumsverwaltung betrieben.

Gerade wo es besonders wichtig wäre, sind Weber zufolge viele IT-Abteilungen nach wie vor schlecht aufgestellt. So könnten die wenigsten angeben, wie gut sie die Anforderungen der Fachabteilungen erfüllen oder welchen konkreten Geschäftsnutzen neue IT-Investitionen einbringen würden. Vor dem Hintergrund stagnierender IT-Budgets komme es jedoch immer mehr darauf an, den Geschäftswert von IT (Business Value) zu bestimmen, darzustellen, zu kontrollieren und zu steuern.

Den Spezialisten des Fraunhofer ISST zufolge werden die bislang zur Verfügung stehenden Instrumente dieser komplexen Aufgabe nur bedingt gerecht. Das klassische IT-Controlling ist demnach zu finanzlastig und vergangenheitsorientiert. Kennzahlen wie Total Cost of Ownership (TCO) sind nicht auf die Zukunft ausgerichtet. Außerdem lassen sich damit nichtfinanzielle Leistungstreiber nur schlecht identifizieren. Andererseits bieten IT-Qualitäts-Management-Verfahren wie Itil (IT Infrastructure Libary) zwar Methoden an, um die IT an den Anforderungen der Fachabteilungen auszurichten und die Kosten genauer zuzuordnen; ein Verfahren, den qualitativen oder quantitativen Wert für das Geschäft oder den Beitrag zu den Unternehmenszielen aufzuzeigen, beinhaltet jedoch auch Itil nicht.

Flexibler Methodenbaukasten

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat das Fraunhofer ISST eine Methode entwickelt, die die Sichten der Geschäfts- und der IT-Seite systematisch zusammenführt und detaillierte Kenn- und Maßzahlensysteme zur Verfügung stellt: Das "IT Evaluation Management" (Item) getaufte Bewertungsverfahren baut auf vorhandenen Ansätzen wie Balanced Scorecard, Spice (Software Process Improvement Capability Determination) und Itil auf. Es berücksichtigt darüber hinaus Management-Modelle wie ISO 9000 oder EFQM (European Foundation for Quality Management).

Zu den bekannten Bewertungsmethoden Audit, Review und Assessment kommen die Kategorien Monitoring und Continuous Control hinzu, um den Bezug zu den Unternehmens- und Geschäftszielen zu erweitern. Die einzelnen Stufen bauen aufeinander auf und bilden zusammen einen Baukasten, der auf verschiedene Szenarien und Bewertungsziele zugeschnitten werden kann und muss. Damit eignet sich das Verfahren nicht nur für das Anwendungs-Controlling, sondern beispielsweise auch für die Auswahl von Geschäftspartnern oder Produkt- und Projekt- sowie Organisations- und Prozessbewertungen.

Fünfstufiger Bewertungsprozess

In der ersten Item-Stufe wird die IT eines Unternehmens oder ein Teil davon einem Audit unterzogen. Es erfasst den Status quo und den Abdeckungsgrad bezüglich relevanter Vorgaben wie ISO 9001 oder Itil. Im Ergebnis benennt ein Bericht Abweichungen und Lücken und listet mögliche Korrekturmaßnahmen. Dies erfordert nur einen geringen Aufwand, weil damit lediglich ein grobes Zustandsbild entstehen soll.

Beim Review geht es darum, eine qualitative Charakterisierung des Geschäftswertes der IT zu erreichen. Ziel auf dieser zweiten Beurteilungsstufe ist ein Bericht, der den Business Value nicht nur darstellt, sondern auch Möglichkeiten zu seiner Steigerung aufzeigt.

Im Assessment gilt es, den Beitrag der IT zu den Geschäftszielen formal und objektiv nach festgelegten Kriterien zu bewerten. Damit soll eine Basis für gezielte Maßnahmen und Investitionsentscheidungen gelegt werden. Der Assessment-Bericht schlüsselt den Geschäftswert der IT entlang einer geeigneten Merkmalsstruktur als Werteprofil auf. Dies erfordert einen hohen Aufwand, liefert aber ein detailliertes und quantitatives Zustandsbild.

Die Geschäftsebene muss sich bewegen

Die vierte Stufe widmet sich dem Monitoring, also der Überwachung der Unternehmens-IT anhand der erhobenen Kennzahlen. Darin fließen unter anderem Benchmark-Ergebnisse ein.

Die kontinuierliche Lenkung der IT anhand ihres Geschäftswertes bildet schließlich die Stufe Continuous Control. Dabei sollen die erhobenen Informationen, Bewertungen und Entscheidungsregeln genutzt werden, um die IT ständig weiterzuentwickeln.

"Die von uns vorgeschlagenen Methoden wirken sehr viel stärker auf Geschäfts- als auf IT-Ebene", stellt Weber klar. Die IT-Verantwortlichen seien beim Kosten-Management in der Regel ganz gut, auf Business-Seite werde dagegen viel verschleiert und in den Hintergrund geschoben. Transparenz lasse sich aber erreichen, wenn mit den fünf Bewertungsstufen nicht nur die IT, sondern auch das Geschäft anhand der sechs Kategorien Markt, Geschäftsziel, Organisation, Prozess, Produkt und Infrastruktur durchleuchtet würde, so Weber.

Im Geschäftsbereich soll jedoch keine generelle Unternehmensbewertung im Sinne einer Due Diligence erstellt werden. Das Vorgehen beschränkt sich hier rein auf die technischen Aspekte. Die Methode sieht daher auf der Geschäftsseite keine detaillierten Bewertungsmodelle, sondern lediglich Zielmodelle vor. "Damit lassen sich zwar keine wissenschaftlich abgeleiteten Größen errechnen. Systematisch ermittelte Schätzwerte sind gegenüber dem reinen Bauchgefühl jedoch schon ein großer Fortschritt", so Weber. Wenn man anschließend die Verbindung zwischen der Business- und der IT-Ebene herstelle, lasse sich nicht nur berechnen, was beispielsweise ein IT-Projekt koste, sondern auch was dabei herauskomme. IT-Vorhaben bewegten sich dann nicht mehr im luftleeren Raum, sondern erfüllten konkrete Anforderungen, die mit entsprechenden Ertragserwartungen verbunden seien.

Der CIO ist laut Weber mit der Aufgabe, die für Item erforderliche Transparenz zu schaffen sowie geeignete Kennzahlen festzulegen und zu überwachen, überfordert. Hier sei vor allem ein verbesserter Dialog zwischen IT und Geschäftsseite notwendig. Zudem benötige der IT-Verantwortliche einen IT-Controller, für den Item das geeignete Werkzeug zur Verfügung stelle. In vielen Unternehmen würden derzeit entsprechende Stabsstellen eingerichtet. Bei Siemens sei das Thema beispielsweise in der Konzernrevision aufgehängt.

Der ISST-Leiter räumt ein, dass in vielen Unternehmen zuerst die Grundvoraussetzungen für den Einsatz von Item geschaffen werden müssen. Es sei zwar trivial, aber dennoch nicht selbstverständlich, dass zuerst eine Geschäftsstrategie vorliegen müsse, bevor sich daraus Anforderungen für Informations- und Kommunikationsbedürfnisse ableiten ließen: "Da darf man sich keinen Illusionen hingeben - wenn es ein Unternehmen nicht schafft, Entscheidungen zu treffen, um Geschäftswertaussagen treffen zu können, kann man machen was man will, und es wird nicht funktionieren", so Weber. Irgendwann werde sich jedoch die Erkenntnis durchsetzen, dass die Reduzierung der IT-Kosten nur eine Stellschraube von vielen sei. Die Idee, auch auf Geschäftsseite nach Potenzialen zu suchen, werde spätestens dann erkannt, wenn der IT-Sektor ausgequetscht sei.

Hier lesen Sie ...

- warum die einseitige Betrachtung der Unternehmens-IT unter Kostenaspekten wenig bringt;

- welche Methode das Fraunhofer ISST entwickelt hat, um den Geschäftswert von IT zu bestimmen;

- welche Bewertungsstufen durchlaufen werden und

- welche Grundvoraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.