Compaq-Initiative für regelbasierten Eingriff Eingriff in Geschäftsprozesse

Der Weg zum "Zero Latency Enterprise"

02.03.2001
MÜNCHEN (kk) - Compaq hat jetzt in den USA mit "Zero Latency Enterprise" (ZLE) eine Initiative ins Leben gerufen, die es Unternehmen erlauben soll, in die laufenden Geschäftsprozesse einzugreifen und sie zu steuern. Das breit angelegte Modell lebt von Partnerschaften mit Softwareherstellern.

IT-Manager dürfen sich auf eine neue Mammutaufgabe vorbereiten: Erstelle eine Übersicht der Geschäftsprozesse und Kundentransaktionen, integriere die Anwendungen, mache diese überall im Unternehmen zugänglich und entwickle ein Regelwerk für Eingriffe in die Transaktionen - und das alles in Echtzeit. Das Konzept stammt von Compaq und nennt sich nach einem von der Gartner Group geprägten Begriff Zero Latency Enterprise (ZLE).

1. AnwendungsintegrationNach Angaben von Compaq-Pressesprecher Herbert Wenk ist das ZLE-Konzept insbesondere für Unternehmen aus den Bereichen Handel, Finanzdienstleistung, Telekommunikation und Entertainment gedacht. Deren Geschäfte zeichnen sich dadurch aus, dass ein starker Wettbewerb herrscht, die angebotenen Produkte relativ kostengünstig und die Margen niedrig sind. Außerdem unterliegen die Produkte in diesen Märkten der Aktualität, besitzen also eine nur kurze Lebensdauer. Die Prozessgeschwindigkeiten sind hoch, die Prozesse nicht reproduzierbar. "Bei einer Flugbuchung beispielsweise werden die Plätze schnell verkauft. Ein nicht belegter Sitz bringt nach dem Start der Maschine kein Geld mehr", skizziert Wenk ein mögliches Anwendungsszenario.

Das ZLE-Modell sieht vor, die Daten aller geschäftsrelavanten Anwendungen über "Enterprise Application Integration" (EAI) in eine gewaltige Datenbank ("Operational Data Store" = ODS) zu leiten. Für die Integration der Anwendungen hat Compaq Partnerschaften geschlossen: Unterstützt werden unter anderem IBMs MQ Series, Tuxedo, BEA E-Link, Pathway, Cisc-Transaktionsmonitore, OLE-Datenbank-Schnittstellen und ODBC, Corba- und Java-Objekte, TSI-Soft, Neon und der hauseigene Business-Bus für Message-Brokering.

Als ODS empfiehlt Compaq nicht ganz uneigennützig, seine "Nonstop-SQL/MP"-Datenbank zu verwenden, die von der zugekauften Tochter Tandem entwickelt wurde. Die Aufgabe von ODS ist es, die aus dem Unternehmen eingehenden Daten in Echtzeit zu konsolidieren. Außerdem muss sie sicherstellen, dass von verschiedenen Clients und unterschiedlichen Anwendungen aus auf die Informationen zugegriffen werden kann. "Anders als bei einem Data-Warehouse-System, das normalerweise vom laufenden Geschäftsbetrieb abgekoppelt ist, kann auf die Daten im ODS von den operationalen Systemen ("operational systems") zugegriffen werden", heißt es in Compaqs Leitfaden "Enabling Zero Latency".

2. Die ODS-DatenbankAnders als bei einem Data Warehouse, das die Informationen über einen längeren Zeitraum, in der Regel ein Jahr, speichert, befinden sich die Daten im ODS nur ein bis drei Monate. ODS und Data Warehouse schließen sich auch nicht aus. Vielmehr ist der ODS-Speicher dem Warehouse vorgeschaltet und beliefert es unter Umständen mit Daten. Gewünschter Nebeneffekt einer solchen Lösung ist, dass das Silo mit den operativen Daten auch als BackupSystem agiert. Bei einem Systemausfall kann der Prozess schneller wieder anlaufen.

Als Hardware für den ODS-Speicher offeriert Compaq konsequenterweise den "Nonstop-Himalaya"-Server, der ebenfalls mit Tandem in das Unternehmen kam. Reicht eine kleinere Lösung, dann empfiehlt der Hersteller Oracle Parallel Server auf einem Alpha-Server unter Compaqs Betriebssystem True 64-Unix.

Der nächste Schritt im ZLE-Konzept ist die Analyse der gesammelten Daten und das Aufstellen von Regeln. Mit deren Hilfe soll in den Geschäftsprozess eingegriffen werden. "Das ist der eigentliche Sinn von ZLE", so Compaq-Sprecher Wenk. Bislang könne man zwar Informationen sammeln, analysieren und auswerten. Die Rückführung der gewonnenen Erkenntnisse in die Geschäftstransaktion sei aber bislang nicht möglich. "Das will unser Konzept leisten."

3. Regeln definierenWenk erklärt an einem Beispiel, welche Möglichkeiten sich für Unternehmen auch im Hinblick auf Customer-Relationship-Management daraus ergeben können: "Jeder von uns kennt das Problem der belegten Leitungen bei der Telefonauskunft. Jetzt könnte man ein intelligentes System installieren, das dem Anrufer nach einem dreimaligen vergeblichen Versuch die Mitteilung zukommen lässt, dass ihn der nächste freie Auskunftsplatz anrufen werde."

Das ZLE-Konzept ist - auch wegen der anfallenden Kosten - nur für große Unternehmen geeignet. Ausfallsichere Highend-Systeme schlagen allein für Hardware und Datenspeicher mit mindestens zehn Millionen Dollar zu Buche. Die benötigte Software richtet sich nach der Art der Applikationen und ist in diesem Preis nicht enthalten. Dennoch soll sich das ZLE-Konzept auf Dauer rechnen, wenn das Unternehmen sonst selbst versucht hätte, ein ähnliches Konzept zu implementieren. Compaq wurde ursprünglich durch das Telekom-Unternehmen Sprint zu ZLE angeregt. Allein die dort anfallenden Datenmengen erlaubten nur eine große Lösung: 1,2 Milliarden Telefonanrufe galt es zu verwalten. Die über 90 Tage gespeicherte Datenmenge betrug nach Angaben von Wenk 111 TB: "Das war nur mit Nonstop SQL und Himalya-Servern zu bewältigen."

Compaqs ZLE-PartnerCompaq hat für die Umsetzung des ZLE-Gedankens in den Unternehmen weitreichende Partnerschaften mit unabhängigen Softwareherstellern (ISVs) geschlossen. Das Know-how der Programmanbieter ist für die vor allem im Hardwaregeschäft erfahrenen Texaner einerseits unverzichtbar, andererseits sollen die Kunden ihre angeschaffte Software weiter verwenden können. Compaq hat sich aber - im Sinne des One-Stop-Shoppings - die Vertriebsrechte für die zertifizierten ISV-Produkte gesichert.

Die Fülle der benötigten Programme gruppiert das Unternehmen in drei Bereiche: Core ZLE Services, Docking Applications und Clip-On Applications. Unter die erste Gruppe fallen alle Programme, die für den Aufbau einer kundenspezifischen ZLE-Lösung und die Schnittstellen-Implementierung zum ODS-Speicher genutzt werden. Dazu gehören Regelgeneratoren (von Blaze Software), Formatumsetzer (von Mercator), Werkzeuge für die Ablaufsteuerung und das Datenbank-Management (beispielsweise von Savant) sowie für Data Mining und die Datenanalyse (von SAS).

Docking Applications sollen bestehende Kundenanwendungen nahtlos mit den ZLE-Applikationen über Standardadapter verbinden. Typische Docking-Anwendungen liefern Siebel, SAP, Oracle oder Peoplesoft. Als Lieferant für die Adapter-Schnittstellen zwischen Docking- und ZLE-Anwendung wurde Actional benannt.

Die dritte Gruppe (Clip-On Applications) bilden entweder Einzelprogramme, die durch die Verzahnung mit den ZLE-Kerndiensten eine zusätzliche Funktionalität erhalten, oder sie sind speziell für die ZLE-Kerndienste geschrieben. Derzeit akzeptiert Compaq die Programme von Protagona, Acxiom, Microstrategy sowie das Softwaresystem von Trillium. Als Frameworks kommen BEA und Iona zum Zug, als Transportmechanismus IBMs MQ Series.

Abb.1: Für wen eignet sich ZLE?

Derzeit ist das ZLE-Konzept nur für große Unternehmen interessant. Da direkt in den Geschäftsprozess eingegriffen werden kann, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten der Interaktion. Quelle: Compaq

Abb.2: Das Operational Data Store

Datenbankguru Bill Inmon entwickelte das Konzept eines Operational Data Store (ODS). Ziel von ODS ist die Möglichkeit zum "intergrierten gemeinsamen Online-Processing". Quelle: Bill Inmon