Schneller und sparsamer

Der Weg zum energieeffizienten Ethernet

09.11.2011
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Mehr Leistung und dabei sogar sparsamer? Die Netzhersteller machen hier große Fortschritte. In einer All-IP-Welt könnte sich das Netz künftig als Strom-Sparbüchse entpuppen.

Vor zwei bis drei Jahren war Green IT das große Thema - egal ob Rechner, Drucker oder Netz, alles sollte energieeffizient sein. Entsprechend wollten auch die Netzwerk-Player an der grünen Revolution partizipieren und schufen den werbewirksamen Begriff vom "Green Ethernet". Doch das Thema "Green" verschwand im Zuge der Cloud-Euphorie schnell aus dem Fokus der Öffentlichkeit. So bekam es denn auch kaum jemand mit, als sich die Industrie im September 2010 auf den Standard IEEE 802.3az einigte. Er definiert ein "Energy Efficient Ethernet" und hält mittlerweile in die Produkte Einzug.

Mehr Leistung - weniger Strom

Neue Infrastruktur macht das Netz nicht nur schneller, sondern mitunter auch sparsamer.
Neue Infrastruktur macht das Netz nicht nur schneller, sondern mitunter auch sparsamer.
Foto: Stefan Rajewski/Fotolia.com

Gleichzeitig haben die Hersteller in den letzten Jahren, unabhängig vom neuen Standard, den Energieverbrauch ihrer Geräte durch den Einsatz sparsamerer Chipsätze gesenkt. Verbrauchte beispielsweise ein Workgroup/Desktop-Switch mit acht Gigabit-Ethernet-Ports vor fünf bis sechs Jahren noch um die 20 Watt, so liegt der Stromverbrauch eines vergleichbaren Switches aktueller Bauart heute bei 7,2 Watt. Mit dem feinen Unterschied, dass dieser leistungsfähiger ist und als Smart Switch etwa mit Management-Funktionen aufwartet, die sein Vorgänger noch nicht besaß. Legt man heutige Marktpreise zugrunde, würde sich in obigem Beispiel die Anschaffung eines neuen Switches bereits nach drei Jahren allein aufgrund der Energieeinsparungen amortisieren. Ganz davon abgesehen, dass Management-Funktionen wie VLAN in Zeiten von VoIP und IP-Video immer wichtiger werden, um die erforderliche Quality of Service zu gewährleisten.

80 Prozent Energie einsparen

Ihre Einsparungen erzielen die Hersteller unter anderem auch dadurch, dass sie nicht benutzte Ports erkennen und dann abschalten. Zudem messen moderne Switch-Ports automatisch die Leistungslänge und passen die aufgewendete Energie an.

Noch deutlicher fallen die Einsparungen bei der jüngsten 10-Gigabit-Ethernet-Generation aus. Hier liegt der Stromverbrauch jetzt bei fünf Watt pro Port, während die Vorgängerversion noch 35 Watt benötigte. Und die erste Variante des schnellen Ethernets brauchte sogar noch 100 Watt pro Port.

Prinzipiell greift auch der neue IEEE-Standard 802.3az diese Sparideen auf. So geht IT-Berater Mathias Hein auf seiner Web-Seite lupocom.com davon aus, dass sich mit der neuen Technik bis zu 80 Prozent der Energie eines heutigen Ethernet- Transceivers einsparen lassen. Vereinfacht ausgedrückt, werden dabei die Ports in eine Art Schlafmodus geschickt. Werden dann Daten übertragen, wechseln die Links blitzartig in den aktiven Wachmodus. Ein Verfahren, das sowohl für Gigabit als auch für 10 Gigabit Ethernet definiert ist. Auf dem Papier klingt das gut, hat aber in der Praxis den Nachteil, dass der 802.3az-Standard nur an der physikalischen Schicht ansetzt. Konsequenz ist, dass Netzkarten und Switches ausgetauscht werden müssen, um die neue Technik zu nutzen. Berater Hein empfiehlt deshalb, 802.3az bei der Netzplanung schon heute zu berücksichtigen und bei Neuanschaffungen auf die Interoperabilität zu achten.

Langfristig stellt das Energiesparen auf der physikalischen Schicht nur einen ersten Schritt dar. Der Trend geht dahin, entsprechende Techniken auch auf der Applikationsebene anzuwenden. Wohin dann die Reise führt, zeigen bereits Netze, die etwa das IP-Telefon abschalten oder die Raumtemperatur senken, wenn der User sich abmeldet. Ein Ansatz, den beispielsweise Cisco mit Energywise verfolgt.