Probleme beim personellen Backup in der DV

Der Vize muß gegen das Image des Lückenbüßers ankämpfen

08.05.1992

Das personelle Backup in den Unternehmen, gemeint ist die Stellvertretung, ist ein oft stiefmütterlich behandeltes Thema des Personal-Managements in den DV-Abteilungen. Rupert. E. Bardens* geht der Frage nach, wie DV-Abteilungen den personellen Backup managen können und welche Probleme dabei in der Praxis auftreten.

Ein typisches Problem liegt bereits im Ansehen derer, die das personelle Backup übernehmen. Man sieht sie gerne als Lückenbüßer bei Abwesenheit des Stelleninhabers; ihnen hängt das Image von Ersatzlösungen und Zweitklassigem an. Eng damit verbunden sind die Akzeptanzprobleme der Stellvertreter bei Dritten wie zum Beispiel Mitarbeitern, Abteilungen, Kollegen, Vorgesetzten oder Anwendern.

Diese Probleme drücken sich unter anderem darin aus, daß man bei kritischen Fragen eher wartet bis der "richtige" Stelleninhaber wieder da ist oder schlichtweg die Meinungen oder gar Entscheidungen der Stellvertreter übergeht.

Lapidare Entscheidungen werden vertagt

Akzeptanzprobleme erhalten zusätzlich darin Nahrung, daß selbst lapidare, von Stellvertretern zu treffende Entscheidungen vertagt werden. Motive können im mangelnden Vertrauen zu den Qualifikationen der Vertreter und in der fehlenden Bereitschaft liegen, andere - insbesondere hierarchisch sonst Untergeordnete - entscheiden zu lassen.

Artverwandt hiermit ist das in der Praxis zu beobachtende Verhalten, Stellvertretern vorzuschreiben, wie bei welcher Situation zu verfahren ist. Die Möglichkeit der Vertreter, vorhandene Qualifikationen zu nutzen und Erfahrungen zu sammeln, bleiben damit äußerst begrenzt.

Weitere Probleme der Stellvertretung in den DV-Abteilungen liegen im Auswahlprozeß. Gängige Gepflogenheit bei Stellvertretungen von unten nach oben ist, daß die Führungskräfte in der Datenverarbeitung allein ihre Stellvertreter, auswählen. Dritte werden nur in Ausnahmefällen hinzugezogenen. Die Entscheidung, Stellvertreter zu werden, beruht somit meistens auf dem Urteil eines einzelnen. Besonders problematisch wird dieses Vorgehen, wenn in eine derartige Entscheidung persönliche Beziehungen und Gefühle einfließen wie zum Beispiel Konkurrenzangst, Angst, bloßgestellt zu werden, oder Sympathie.

Anlaß zu Kritik geben des weiteren die in Auswahlentscheidungen gerne herangezogenen Kriterien wie beispielsweise das Dienst- oder Lebensalter. Daß diese Kriterien bei einer solchen Entscheidung, wenn überhaupt, dann nur eine untergeordnete Rolle spielen dürfen, bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erläuterung.

Aufgrund der Probleme im Umfeld der Stellvertretungen stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die Stellvertretung weniger problembehaftet zu gestalten. Die Bedeutung des personellen Backups erfordert, den Ablauf und die Inhalte der Auswahl klar zu definieren. Als Orientierungshilfe bieten sich dabei die Vorgehensweisen bei "normalen" Stellenbesetzungen an; so kann sich beispielsweise die Auswahl des Stellvertreters des Leiters Software-Entwicklung an dem Auswahlprozeß orientieren, der bei der Besetzung einer solchen Abteilungsleiterposition üblich ist.

Im Vorfeld der Auswahl stellt sich die Frage, ob Mitarbeiter die Gelegenheit haben sollen, sich für eine Stellvertretung zu bewerben. Dies sollte aber nur passieren, wenn tatsächlich mehrere Bewerber Chancen haben; "Scheingefechte" bei internen Stellenbesetzungen tragen nicht zur Motivation und Glaubwürdigkeit bei. An der Auswahl des Stellvertreters sind neben dem Stelleninhaber auch das Personalwesen sowie der nächsthöhere Vorgesetzte zu beteiligen. Je nach Unternehmens- und Personalphilosophie ist ferner die Einbeziehung kompetenter Mitarbeiter denkbar, denen der Vertreter im Vertretungsfall fachlich oder disziplinarisch vorsteht.

Die Vertreter der Personalabteilung haben im Entscheidungsprozeß neben der Betrachtung der Anforderungen und Qualifikationen insbesondere auf die Verträglichkeit mit Personalbedarfs-, Personaleinsatz-, Personalentwicklungs- und Karriereplänen zu achten.

Innerhalb der beiden letztgenannten Planungsgebiete ist zu prüfen, inwieweit sich die Stellvertretung in die Planung der Karriere der einzelnen zur Auswahl stehenden Mitarbeiter integrieren läßt.

Ferner müssen die Verantwortlichen ermitteln, welche

Qualifikationsdefizite mit Hilfe der Stellvertreteraufgabe abbaubar sind. So sollte das Unternehmen in der Entscheidung über den Stellvertreter eines Abteilungsleiters unter sonst gleiche Bedingungen zum Beispiel eher dem Gruppenleiter mit Abteilungsleiterpotential die Vertretung übertragen, der noch wenig Führungserfahrung hat.

Bei der Auswahl sollten die Personal-Manager unter dem Gesichtspunkt der Personalentwicklung eine Vertretung von unten nach oben in der Hierarchie anstreben. Der Nutzen in der persönlichen und fachlichen Entwicklung der Mitarbeiter ist dabei im Vergleich zu Vertretungen auf gleicher Ebene oder von oben nach unten, normalerweise deutlich größer.

Ähnlich dem Vorgehen beim Start an einer neuen Stelle sollte auch bei der Übertragung eines personellen Backups die Erstellung des Einarbeitungsplanes eine der ersten Aufgaben nach der Auswahlentscheidung sein. Über die reine Aufgabenerläuterung hinaus ist speziell den Informations- und Kommunikationserfordernissen Rechnung zu tragen, das heißt der Vertreter ist mit den Ansprechpartnern aus anderen Abteilungen bekannt zu machen.

Ernennung sollte nur auf Zeit erfolgen

Parallel hierzu sollte der zukünftige Stellvertreter den Trainingsbedarf - sowohl fach- auch persönlichkeitsoriert - in Zusammenarbeit mit Personalentwicklungsbereich ermitteln. Flankierend zur Einarbeitung sind Informations- oder Feedbackgespräche zwischen Stelleninhaber und Vertreter zu vereinbaren.

Die Ernennung sollte stets nur auf Zeit sein, zum Beispiel für drei bis fünf Jahre. Der Vorteil einer befristeten Stellvertretung liegt darin, dieses wertvolle Instrument der Personalentwicklung immer wieder neu nutzen zu können. Ferner die Befristung auch dem Charakter der Stellvertretung gerecht, eine Zwischenstufe zu einer höheren Aufgabeneben sein.

Es ist sinnvoll, den Stellvertreter ständig in Form von einer Aufgabenteilung oder Assistenz einzubinden, sofern die Arbeitsauslastung des Vertreters dies zuläßt. Einer fortlaufenden Einbindung, selbst wenn sie nur auf einer Sparflamme stattfindet, ist in jedem Fall gegenüber einer intervallweisen Aufgabenübertragung bei Abwesenheit Stelleninhabers der Vorzug geben. Dies ergibt sich unter anderem aus den Vorteilen der Kontinuität, der ständigen Information und einem wesentlich geringeren Aufwand bei Übergabe der Aufgaben vor einer Abwesenheit.

Diesem ersten Schritt des "Parallellaufens" folgt ein zweiter der Aufgabenübertragung zu dem Zeitpunkt, wenn der Stellvertreter das komplette Aufgabenspektrum bei Abwesenheit des Stelleninhabers zu betreuen hat.

Aufgaben, die dem Stellvertreter nicht übertragen werden, oder Einschränkungen der Kompetenz sollten die Ausnahme sein. Sie sind unter anderem bei gravierenden Personalentscheidungen, zum Beispiel Einstellung an einer Schlüsselposition oder Erteilung von Vollmachten, sowie bei Organisationsentscheidungen, zum Beispiel Neuorganisation eines Bereiches, angebracht.

Eine wesentliche flankierende Maßnahme ist die regelmäßige aussagefähige Beurteilung der Stellvertreter. Das Ergebnis dieser Beurteilung muß Aufschluß darüber geben, inwieweit der Stellvertreter die Ziele erreichte und in welchem Maß die geplante fachliche und persönliche Entwicklung des Mitarbeiters durch die Stellvertretung eintrat.

Aufbauend auf den ermittelten Trainingsbedarf ist ein individuelles Trainingsprogramm aufzustellen, durchzuführen und in bezug auf seinen Erfolg zu kontrollieren. Neben individuellen Trainingsprogrammen ist insbesondere in Unternehmen mit mehreren gleichartigen Stellvertretungen, zum Beispiel fünf bis zehn Stellvertretern der DV-Koordinatoren in den Fachbereichen, das Aufstellen eines kollektiven Veranstaltungsprogrammes oder das Institutionalisieren von Gruppenarbeit für gemeinsame Themen oder zum Erfahrungsaustausch denkbar.

Ferner ist sicherzustellen, daß die Backup-Funktionen und die dabei erzielten Ergebnisse der Stellvertreter in Personalentscheidungen Berücksichtigung finden. Dies gilt für Planungen des Personaleinsatzes, der Personalentwicklung, der internen Personalbeschaffung und Nachfolge. Die Zeit der Stellvertretungen bietet den Mitarbeitern die diese Aufgabe wahrnehmen, die Chance, ihre eigenen Stärken, Schwächen und Präferenzen im praktischen Arbeitsfeld der nächsten hierarchischen Stufe kennenzulernen.

Die Unternehmensseite muß die Zeit der Stellvertretung nutzen, den Stand, die Entwicklung und das Potential des Stellvertreters im realen Arbeitsumfeld dieser Position zu beurteilen. Die Erkenntnisse dieser Beurteilung leisten einen wesentlichen Beitrag zur gezielten Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter.

Andererseits vermeidet die Beurteilung im Extremfall personelle Fehlentscheidungen, wenn sichtbar wird, daß die Aufgaben in der Stellvertretung für den Mitarbeiter ungeeignet sind. Diese Erkenntnis während einer Stellvertretung zu machen ist sowohl unter sozialen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wesentlich günstiger als eine Stellenbesetzung korrigieren zu müssen.

Positiver Begleiteffekt einer Stellvertretungsregelung ist auch in dem Beitrag zur organisatorischen Stabilität zu sehen. Das Vorhandensein des Stellvertretungsplanes vermeidet, daß bei Abwesenheit der Stelleninhaber stets aufs Neue Vertreter auswählen oder bestimmen muß.

Als Risiken dieser Art der Ausgestaltung einer Stellvertretung sind im wesentlichen zwei zu nennen. Durch die Übertragung der Stellvertretung baut sich mitunter eine Erwartungshaltung beim Mitarbeiter auf, die nicht erfüllbar ist.

In der Praxis ist oftmals zu beobachten, daß sich Mitarbeiter im Falle der Vakanz aufgrund der bisherigen Stellvertretung Hoffnungen auf die Bekleidung der vertretenen Stelle machen. In der Entscheidungssituation der Stellenbesetzung kann jedoch das Kriterium nur als eines unter vielen gelten. Die Problematik läßt sich reduzieren, indem man vor und auch während der Stellvertretung mit dem Mitarbeiter die künftige Entwicklung bespricht und versucht, Erwartungshaltungen zu ermitteln und aus Unternehmenssicht zu beleuchten.