Der Versuch, ein Universalformat zu etablieren Internet-Distribution: Die OSF wirbt fuer Zwischencode ANDF

07.10.1994

MUENCHEN (ua) - Das erste Entwicklungs-Kit von "Application Neutral Distribution Format" (ANDF) soll nach mehreren Anlaeufen im Oktober ausgeliefert werden. Die OSF-Technik ist sprachen- und plattformneutral. Sie ermoeglicht, Anwendungen unabhaengig von der Zielumgebung zu schreiben. Als Traeger einer elektronischen Distribution ist das Internet vorgesehen.

Das Konzept, urspruenglich vom britischen Verteidigungsministerium DRA entwickelt und 1990 von der OSF adaptiert, stiess von Anbeginn auf Kritik und auf die Zurueckhaltung der Industrie. So veranlasste mangelndes Interesse von Sponsoren die OSF Anfang 1992 dazu, die ANDF-Entwicklung in Esprit-Projekte, die von der EU gefoerdert werden, einzubinden (siehe Kasten).

Patricia Arundel, Director of Industry Programs beim ET International in Bruessel, erlaeutert, man arbeite nur noch an der Stabilitaet der Software, um die volle Marktreife zu erlangen. Diesbezuegliche Ankuendigungen seien gegen Ende dieses Jahres zu erwarten.

Das von Ira Goldstein, Cheftechniker beim OSF-Research Institute in Grenoble, auf der diesjaehrigen GUUG angekuendigte Entwicklungs- Kit fuer C, soll laut Arundel lediglich an universitaere Forschungsinstitute gehen. Informationen darueber sowie das Kit selbst sind via Internet zu bekommen.

Die Vision der OSF-Forscher geht laut Goldstein allerdings ueber diese Nutzung des Internets weit hinaus. Die Infrastruktur des Netzes liesse sich fuer eine weltumspannende Softwaredistribution nutzen. Moeglich werde die Umsetzung dieser Vision vom "Terra computing" durch das Einheitsformat ANDF. Waehrend es heute lediglich Software-Inseln gebe, die nicht in der Lage seien, die Moeglichkeiten offener Hardware-Architekturen zu nutzen, koenne ein Internet, das die Software mit Hilfe von ANDF verteilen kann, eine Vereinheitlichung der Softwarewelt erreichen. Er kuendigte an, ANDF-Level-1 werde C, C++, Pascal, Fortran und Cobol unterstuetzen. Level 2 ermoegliche die Einbindung von Ada- und Lisp-Programmen. Peter Holdermann, Manager Technologies and Strategies beim ANDF- Pilotkunden Software AG, sieht die Erfolgschancen von ANDF allerdings weniger in der Distribution als vielmehr in der moeglichen Portabilitaet von Software. Ein Softwarehaus koenne sich aufwendiges Portieren sparen und vereinfache sich die Logistik fuer die verschiedenen Hardware-Ausfuehrungen. Damit das Prinzip Zwischencode funktioniert, muessen entsprechend die APIs offengelegt werden, und Programmierer genuegend Disziplin walten lassen - Codeoptimierung muss ausgeschlossen werden. "Es muss noch eine Menge Ueberzeugungsarbeit bei Hard- und Softwareherstellern geleistet werden", gibt der sonst von dem Konzept ueberzeugte Holdermann zu. Ein nicht unerhebliches Problem stellt das Fehlen von Schnittstellen zu Windows-GUIs dar: "Keiner schreibt heute noch Code fuer eine Motif-Oberflaeche. Wir muessen aufwachen und danach handeln", bringt Hans Stack-Zimmermann, Geschaeftsfuehrer der Ixos Software GmbH, diesen Mangel auf den Punkt.

ANDF stellt im wesentlichen ein sprachen- und plattformneutrales Zwischenformat fuer Unix-Applikationen dar. Die OSF-Technik besteht aus zwei Compiler-Phasen, einem "Producer" und einem "Installer". Der Producer uebersetzt Programmiersprachen in ANDF-Code. Der Installer dekompiliert und linkt die nun plattformspezifische Applikation. Gefoerdert wird die Technik von der Europaeischen Gemeinschaft in zwei verschiedenen Esprit-Unterprojekten. An "Framework III" sind neben der OSF das Edno Team aus Italien, das britische Verteidigungsministerium DRA, ET International aus Bruessel sowie IXI aus Grossbritannien und die Darmstaedter Software AG als Testkunden beteiligt. Eine zweite EU-Initiative befasst sich mit Schnittstellen zu verschiedenen Plattformen und Sprachen. Mitglied der "Open Microprocessor Initiative Global Language Support and Uniform Environment" (OMI Glue) sind die daenische Firma DDC International, die OSF, die britischen Anbieter Harlekin, Micro Focus und Inmos, sowie das DRA und das portugiesische Unternehmen Inesc.