Durchhalteparolen nach dem Shake-out in der New Economy

Der VC-Markt ist nicht tot - aber anders

07.09.2001
MÜNCHEN (CW) - Der Gründungs- und Finanzierungs-Hype in der IT-Branche ist erst einmal vorbei. Der Neue Markt und eine Rückbesinnung auf fundamentale Werte wie Umsatz und Ertrag sind an die Stelle der grenzenlosen Euphorie getreten. Dennoch ist die VC-Szene ebenso wenig tot, wie die Internet-Revolution gescheitert ist. Von Peter Ilg*

So schnell wendet sich das Blatt: Noch zu Beginn des Jahres 2000 fiel es Startups relativ leicht, Finanzierungsmittel aufzutreiben. Inzwischen ist es kaum noch möglich, für eine interessante Idee ausreichende Geldmittel zu akquirieren. Zwar hat das starke Wachstum des Neuen Marktes in Deutschland eine Gründerkultur entstehen lassen und eine lebhafte Venture Capital-(VC)Szene ins Leben gerufen. Andererseits hat der Absturz der IT-Aktien während der vergangenen zwölf Monate zum Teil gravierende Fehler aufgedeckt. "VC-Unternehmen schichten ihre Investitionen um. Sie wenden sich ab von der Finanzierung reiner E-Commerce-Konzepte hin zu technologiebasierten und auf Ertrag ausgerichteten Geschäftsmodellen", so Werner Schauerte, Geschäftsführer der Deutschen Venture Capital (DVC) in Frankfurt und neuer Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) in Berlin.

In den vergangenen zwei Jahren entstand eine ganze Reihe neuer Wagniskapital-Gesellschaften, die rasch und mit wenig Erfahrung investierten. Ihre Investitionseuphorie zielte vor allem auf den relativ schnellen Exit über einen Börsengang am Neuen Markt.

Aderlass vieler VCsDort wiederum - wie man heute aus leidvoller Erfahrung weiß - debütierten Firmen, die noch stark in der Verlustzone waren und deren Aussicht auf Erträge in weiter Ferne lag. Mittlerweils sind Börsengänge von IT-Firmen nahezu unmöglich, Venture-Investoren haben hier kaum noch Exit-Chancen. Folgefinanzierungen mittels Risikokapital mussten her, doch nicht alle der neu gegründeten VC-Gesellschaften waren dazu in der Lage. Manche brachen einfach ihr Engagement ab, weil sich die in den hochtragendenBusiness-Plänen niedergeschriebenen Geschäftsmodelle nicht verwirklichen ließen. Es lässt sich auch so formulieren: Dem Niedergang vieler hochgejubelter New-Economy-Firmen folgte der Aderlass vieler Wagniskapitalisten, die sich verspekuliert hatten. Andrew Richards, Geschäftsführer der 3i Deutschland Gesellschaft für Industriebeteiligungen in Frankfurt am Main, bekam den Niedergang am Aktienmarkt schmerzlich am eigenen Leib zu spüren: "Wir hatten am 31. März 2001 im Vergleich zum Vorjahr eine Wertminderung unseres börsennotierten Portfolios von 500 Millionen Mark", rechnet er vor.

Dennoch scheint der VC-Boom ungebrochen. Gemäß der offiziellen BVK-Statistik für das Jahr 2000 stieg das insgesamt investierte Kapital der 182 Verbandsmitglieder um 51 Prozent auf 20,9 Milliarden Mark, die sich auf 5486 Unternehmen verteilen. Diese Firmen erwirtschafteten rund 132 Milliarden Mark und beschäftigten 350 000 Mitarbeiter.

Dieser Trend wurde in den beiden ersten Quartalen dieses Jahres untermauert, als das Investitionsvolumen aller BVK-Firmen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 100 Millionen Mark auf rund 3,3 Milliarden Mark Neugeschäft wuchs.

Unabhängig davon geht der BVK jedoch auch hierzulande von einer Konsolidierung des VC-Marktes aus. BVK-Chef Schauerte spricht in diesem Zusammenhang von einer "Rückbesinnung auf fundamentale unternehmerische Werte".

"Es ist nach wie vor reichlich Kapital für Neuengagements im Markt vorhanden", macht Schauerte Gründungswilligen Mut. Insbesondere die großen und erfahrenen VC-Gesellschaften verfügen über Fonds, die investiert werden wollen. IT-relevante Geschäftsmodelle, die Erfolg versprechen, seien insbesondere in den Bereichen Internet-Infrastruktur-Software, Enterprise-Applikationen aber nach wie vor auch Mobile- und E-Commerce zu suchen. Schauerte zählt zudem die Technologie-Sektoren Spracherkennung und optische Datenübertragung zu den "VC-Favoriten".

Drohende SteuerlastDer VC-Markt dürfte aufgrund des anhaltenden Bedarfs an Eigenkapitel schnell in einen neuen Aufschwung münden. Allerdings verlagern sich die Schwerpunkte: Der so genannte Early-Stage-Bereich wird eher stagnieren, während Wachstumsfinanzierungen und Buy-outs zulegen werden.

Ungemach könnte der VC-Branche in Deutschland aber auch noch von anderer Seite drohen. Angeblich planen Länder Beteiligungen an Unternehmen in Höhe von mehr als 25 Prozent künftig als gewerbliche Tätigkeit einzustufen. Für das Gros der internationalen Risikokapitalgeber, deren Anteile an Startups in der Regel zwischen 30 und 40 Prozent schwanken und die demzufolge massiv von dieser neuen Regel betroffen wären, bedeutet dies ein voller Schlag ins Kontor: Sie müssten dann doppelt Steuern entrichten - im Land ihres Firmenhauptsitzes und in Deutschland. Würde ein entsprechender Erlass rechtskräftig, könnte die Bundesrepublik, wie es die "Fiancial Times Deutschland" formulierte, "schlagartig zum weißen Fleck auf der Landkarte internationaler Investoren und Risikokapitalgeber werden".

*Peter llg ist freier Journalist in Ellwangen.

Abb: Entwicklung der deutschen VC-Branche

Mehr Geld für den Einzelnen: Nicht nur das Gesamtvolumen an Risikokapital erhöhte sich seit 1998 signifikant, auch die Summe, die die einzelnen Firmen erhielten, stieg explosionsartig an. Quelle: BVK