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Zum Zehnjährigen

Der unerwartete Siegeszug der Wikipedia

13.01.2011

In Deutschland ist Relevanz besonders wichtig

Dieser Zirkel hat strenge Regeln für Mitarbeiter formuliert - Stegbauer nennt sie gar eine "Produktideologie". In Deutschland ist vor allem die Relevanz immer wieder ein Streitthema. Die Liste mit Relevanzkriterien ist umgerechnet rund 30 DIN-A4-Seiten lang und formuliert Regeln für Hunderassen, Pornostars und Brauereien. Viele Neulinge blicken nicht mehr durch - und steigen aus. "Man will Leute, die keine Ahnung haben, draußen halten", sagt Stegbauer.

Fakten rund um Wikipedia

Wie viele Artikel stehen in der Wikipedia? Was ist der längste Eintrag? Und was hat der Scheißtag im Online-Lexikon verloren? Ein paar Zahlen und Fakten.

  • In der deutschsprachigen Wikipedia sind seit Mai 2001 knapp 1,2 Millionen Artikel entstanden, in der englischsprachigen sogar mehr als 3,5 Millionen. Artikel der deutschen Wikipedia wurden mehr als 87 Millionen Mal bearbeitet - die englische Version weist fast 438 Millionen Änderungen aus.

  • In der englischsprachigen Wikipedia hat Mitgründer Jimmy Wales nach eigenen Angaben den ersten Eintrag gemacht - einen Testartikel mit dem Text "Hello, World!" Es folgten ein weitere Testseite namens "UuU" und ein Artikel über Transport.

  • Der erste Artikel der deutschsprachigen Wikipedia dreht sich um Polymerase-Kettenreaktion - "eine Methode, um die Erbsubstanz DNA in vitro zu vervielfältigen". Es folgten Einträge über Dänemark, den Kattegat und die Nordsee. Zu den frühen Zugängen zählt auch Niue, eine isolierte Koralleninsel im Südpazifik.

  • Der längste Artikel handelt auf umgerechnet 150 DIN-A4-Seiten den Schamanismus ab. Die längste Liste zählt Automobilmarken von A.A.A. bis Zender auf, von denen ein Großteil allerdings nicht mehr besteht.

  • Grundsätzlich ist in der Online-Enzyklopädie für alle Themen Platz - wenn die Gemeinschaft sie für relevant hält und sich jemand die Mühe macht, sie zu bearbeiten. Artikel gibt es etwa über den alemannischen Separatismus und den Scheißtag, der laut Wikipedia auch in Grimms Wörterbuch verzeichnet ist. Dem Eintrag zufolge nannten Knechte so die ein bis drei unbezahlten Arbeitstage im Jahr, die die Zeit für die Verrichtung des Stuhlgangs ausgleichen sollten.

  • Auch wenn die meisten Wikipedia-Mitarbeiter ihren Job ernst nehmen, gibt es eine Nische für Spaß: Das Humorarchiv. Dort stehen Texte, die es nicht ins reguläre Lexikon geschafft haben. Etwa der über den Heiligen Bürokratius, "ein wenig bekannter römischer Heiliger, der erst in der Neuzeit eine größere Verehrung erfahren hat".

Und so hat Wikipedia im Jubiläumsjahr Nachwuchssorgen. "Wir haben Millionen von Lesern. Aber verhältnismäßig wenige wissen überhaupt, dass sie mitmachen können", sagt Catrin Schoneville, Sprecherin des Wikipedia-Fördervereins Wikimedia. Um Autoren zu gewinnen, investiert der Verein einen Teil der Spenden in Projekte für Senioren oder Schüler - damit der unerwartete Erfolg der Wikipedia nicht bei den heute 1,2 Millionen deutschen Artikeln endet.

(dpa/tc)