Frank Moss: Wir behandeln die Konzernmutter wie jeden anderen Hersteller

Der Tivoli-Chef steht fuer die Unabhaengigkeit von Big Blue

12.04.1996

CW: Wie passt Tivoli in die System-Management-Strategie der IBM?

Moss: Der Konzern hat uns beauftragt, die gesamte Management- Architektur zu gestalten.

CW: Gilt das auch fuer die Grossrechner-Welt?

Moss: Ja. Die neue Division wird sich nicht nur um verteilte Client-Server-DV kuemmern.

CW: Gibt es schon gemeinsame Ankuendigungen?

Moss: Wie gesagt, unser objektorientiertes Basissystem wird die Grundlage fuer die kuenftigen IBM-Loesungen sein. Auf der Fachmesse Network+Interop haben wir bekanntgegeben, welche Produkte wir in unser System einklinken werden (siehe Kasten).

CW: Was geschieht mit "Systemview", dem Paket aus Netz- und System-Management-Features der IBM?

Moss: Systemview wird Teil der Tivoli-Division. Die Spezialisten dafuer arbeiten zwar weiter in Raleigh, North Carolina, erhalten ihre Direktiven aber jetzt aus unserer texanischen Zentrale in Austin.

CW: Meine Frage zielte auf die Produkte.

Moss: Vieles, wie etwa Systemview fuer MVS, wird es weiterhin geben. "Netview" wird in unser Produkt "Tivoli Management Environment" (TME) integriert.

CW: Tivoli soll in einer aehnlichen Form in die IBM-Organisation eingebunden werden wie Lotus. Gibt es weitere Gemeinsamkeiten? Ist an eine Kooperation gedacht?

Moss: Die Ueberlegungen, mit TME die Groupware "Notes" zu ueberwachen und zu verwalten, waren ein wichtiges Argument fuer den Kauf von Tivoli. Die DV-Abteilungen muessen in die Lage versetzt werden, sowohl das Internet als auch Notes zu kontrollieren.

CW: Kommen mit dem Web-Boom nicht gewaltige neue Management- Aufgaben auf Ihre Produkte zu?

Moss: Natuerlich. Die Schwierigkeiten bei der Verwaltung von Client-Server-Umgebungen tauchen dort in verschaerfter Form wieder auf. Aber auch dafuer haben wir eine Loesung.

CW: Machen Sie sich keine Sorgen, dass Sie im Sumpf der IBM- Organisation Ihre Selbstaendigkeit verlieren?

Moss: Nein, denn zum ersten Mal hat die IBM durch die Schaffung einer eigenen Division unter unserer Leitung dem System-Management ein derart hohes Ansehen gegeben. Ich deute das als gutes Zeichen.

CW: Was erwartet Big Blue von der Tivoli-Uebernahme?

Moss: Die IBM will Marktfuehrerin im Bereich System-Management fuer heterogene Umgebungen werden. Vor allem bei nichtproprietaeren Produkten braucht das Unternehmen dabei unser Know-how.

CW: Die IBM behauptet schon seit Jahren, auf strengem Open- Systems-Kurs zu sein. Die Ergebnisse waren bislang jedoch nicht sonderlich beeindruckend. Macht Ihnen das keine Sorgen fuer Ihre Zukunft?

Moss: Mich hat das IBM-Management von seinem Kurswechsel ueberzeugen koennen. Ich empfinde es als Herausforderung, zu beweisen, dass wir Management ueber alle Plattformen hinweg betreiben und uns weiterhin gegenueber jeder Betriebssystem-Technik gleich verhalten. Ich stehe auch dafuer, dass wir nicht in die Verkaufs- und Werbeaktionen fuer IBMs andere Produkte hineingezogen werden.

CW: Glauben Sie tatsaechlich, dass die IBM eine derartige Aussenseiterstellung langfristig tolerieren wird?

Moss: Ich bin der Chef der neuen System- und Netzwerk-Management- Division. Deren Plan sieht vor, mit den IBM-Datenbanken, - Betriebssystemen etc. genauso zu verfahren wie mit den Produkten anderer Hersteller. Ausserdem strebe ich eine generelle Trennung zwischen dem IBM-Marketing und meiner Division an. u