Der strategische Spagat - Linux machts möglich

22.03.2005
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Hinsichtlich des Betriebs spielte vor allem das vorhandene Know-how eine Rolle. Bei MAN Nutzfahrzeuge gab es zahlreiche Mitarbeiter, die bereits seit Jahren den professionellen Systembetrieb unter Unix beherrschten. Daraus ließ sich die Option auf eine Unix-Umgebung ableiten. Andererseits sollten die unter Java entwickelten Anwendungen in der gleichen Umgebung entstehen, in der sie später ablaufen sollten. Nur so lässt sich vermeiden, dass sich beim Deployment Fehler einschleichen. Nun arbeitet MAN Nutzfahrzeuge in Sachen Softwareentwicklung häufig mit externen Partnern zusammen, für die der Aufbau einer Risc-basierenden Unix-Umgebung eine gewaltige Investition bedeutet hätte. Unter diesem Gesichtspunkt bot sich das preisgünstige Betriebssystem Linux an.

Damals zeichnete sich bereits das Linux-Engagement der IBM ab, das sie wenig später bekräftigte, indem sie das Betriebssystem auf der Z-Series in Aussicht stellte. Auch Hewlett-Packard hatte angekündigt, dass Linux auf seinen Superdome-Rechnern laufen würde. MAN Nutzfahrzeuge konnte also sicher sein, auf dem eingeschlagenen Weg von seinen beiden "strategischen" Systemlieferanten begleitet zu werden.

Die x86-Prozessoren - und damit die Intel-Welt - waren quasi die Heimat des Betriebssystems Linux. Damit bot es die Perspektive, alle für MAN Nutzfahrzeuge wichtigen Hardwareplattformen abzudecken. Neben Java als portabler Entwicklungsumgebung hatte das Unternehmen mit Linux nun auch ein flexibles Betriebssystem gefunden.

Die Ziele, Ausfallsicherheit, Performanz und Skalierbarkeit ließen sich in unterschiedlichen Umgebungen erreichen auf einer großen Unix-Maschine, aber auch in einem Intel-Cluster mit Linux. Allerdings hatte das Unternehmen mit Linux-Clustern damals keinerlei Erfahrung. Lassen sich auf diese Weise überhaupt unternehmenskritische Anwendungen nach den aus der Unix-Welt übernommenen Qualitätsmaßstäben betreiben? Um diese Frage zu beantworten, war zunächst eine Risikoabschätzung notwendig.

Zu diesem Zweck bauten Lorenz und seine Mitarbeiter zwei hinsichtlich CPU-Leistung und Arbeitsspeicher vergleichbare Umgebungen auf. Die wegen der kalkulierbaren Wartungsausfälle gewählte Minimalkonfiguration für den Linux-Cluster bestand aus vier Knoten und einem Load Balancer. Deren reine Hardwarekosten beliefen sich auf etwa 50.000 Euro. Gegenübergestellt wurde ihr ein Mehrprozessor-Server unter Unix, der ungefähr denselben Wert repräsentierte.

Beide Konfigurationen mussten sich einem Härtetest unterziehen, der zunächst Klarheit bezüglich der Kriterien Durchsatz, Stabilität und Wartbarkeit schaffen sollte. Darüber hinaus ließ sich auf der Basis des Cluster-Prototypen auch die Wirtschaftlichkeit des späteren Systems hochrechnen und mit der Unix-Maschine vergleichen.