Der Siegeszug von Gigabit-Ethernet

29.09.2010
Von Thorsten Meudt
Die neue Ethernet-Technik ermöglicht Geschwindigkeiten von bis zu 100 Gigabit/s. Doch wer alle Vorzüge optimal nutzen will, kommt meist um ein Redesign seines Netzes nicht herum.

Zurzeit werden die Unternehmens-Backbones und Rechenzentren mit 10-Gigabit-Ethernet-Verbindungen aufgebaut. Die ersten 40-Gigabit- und 100-Gigabit-Ethernet-Produkte sind verfügbar, und die Unternehmen planen deren Nutzung bereits. In Zukunft werden jedoch für diese Bereiche noch wesentlich höhere Geschwindigkeiten erwartet.

Mit der Ratifizierung des 802.3ba-Standards im Juni 2010 stehen jetzt die ersten Ethernet-Produkte mit Geschwindigkeiten von 40 und 100 Gigabit/s zur Verfügung. Ferner definiert die Spezifikation zwei weitere Geschwindigkeiten für das Ethernet für zwei Anwendungsbereiche: 40 Gbit/s für die Server-Anbindung und 100 Gbit/s für ein Upgrade der Core-Switche.

10 Gigabit auf dem Vormarsch

Trotz der globalen IT-Krise verdoppelten sich im vergangenen Jahr die weltweiten Umsätze für 10G-Ethernet auf etwa 1,5 Millionen Switch-Ports. Natürlich hinkt diese Zahl den Umsätzen im Bereich des Gigabit-Ethernets (über 100 Millionen Ports) und des Fast-Ethernets (mehr als 200 Millionen Ports) noch weit hinterher. In vielen Unternehmen werden aber bereits mit Hilfe der Link-Aggregation-Funktion mehrere parallele 10-Gbit/s-Verbindungen zu einem Verbindungskanal mit höheren Geschwindigkeiten gebündelt. Diese gebündelten 10GE-Verbindungen werden jetzt durch 40/100G-Ethernet-Produkte ersetzt. Doch das Ende der Geschwindigkeitsjagd ist noch nicht in Sicht. Für das Jahr 2015 sagen Experten die Verfügbarkeit eines Terabit-Ethernet-Standards voraus.

Aus Sicht der 802.3ba Task Force wachsen die Bandbreitenanforderungen im Bereich der Computer- und Core-Anwendungen unterschiedlich und erfordern daher differenzierte Geschwindigkeiten. Moderne Server, High Performance Cluster, Blade-Server, Storage Area Networks (SAN) und Network Attached Storage (NAS) nutzen derzeit das 1 beziehungsweise 10 Gigabit/s schnelle Ethernet. Die prognostizierten I/O-Bandbreitenanforderungen für Server- und Virtualisierungs-Anwendungen zeigen jedoch deutlich, dass hier bald Bedarf an der 40/100GE-Schnittstelle besteht.

Im Core-Bereich weisen die bestehenden Applikationen darauf hin, dass hier ebenfalls ein erheblicher Bandbreitenzuwachs zu erwarten ist. Anwendungen mit hohen Bandbreitenanforderungen, wie beispielsweise Video-on-Demand oder High Performance Computing, erfordern in den Kernnetzen eine extrem schnelle Verarbeitung der Daten.

Geändertes Netzdesign

Durch die Verfügbarkeit des 40- beziehungsweise 100-Gigabit-Ethernets, die Virtualisierung der Server und die Integration immer intelligenterer Applikationen in die Netze ist eine Änderung des Netzdesigns absehbar: Die bisher installierten dreischichtigen Switching-Architekturen werden sich auf ein zweischichtiges Modell reduzieren. Eine Drei-Schichten-Architektur besteht aus den Zugangs-, Aggregation- und Core-Switchen. Dieses Netzdesign wurde in den vergangenen zehn Jahren in fast allen Unternehmensnetzen umgesetzt. Dabei wurden die Desktop-PCs, Drucker, WLAN Access Points und andere LAN-Geräte an den Zugangs-(Etagen-)Switch angeschlossen. Die Verbindungen zu den Etagen-Switchen wurden in Aggregation-Switchen gesammelt. Diese wiederum konzentrierten sich im Core-Switch.

Besonders bei der Realisierung von Cloud-Computing-Umgebungen, modernen Rechenzentren, Server-Virtualisierung und Storage-Lösungen reicht die durch eine dreistufige Switching-Architektur hervorgerufene Verzögerung nicht mehr aus. Außerdem ist die zur Verfügung stehende Bandbreite in den Unternehmen durch unzureichende Switching-Konzepte oftmals überbucht – Überbuchungen von 3:1 bis 10:1 gehören häufig zum Alltag. Die verschiedenen Anwendungen kämpfen dadurch permanent um eine begrenzte Bandbreite. Dies wirkt sich in einer Erhöhung der Reaktionszeit beziehungsweise einer Verschlechterung der Quality of Services aus. Neue Anwendungen wie beispielsweise Voice over IP (VoIP), Unified Communication (UC) und Video Conferencing erfordern allerdings eine berechenbare Leistung, Verzögerung und eine definierte Quality of Service (QoS) für den Broadcast-, Multicast- und Unicast-Verkehr.

Durch verbesserte Datendurchsätze und reduzierte Produktkosten der 40/100G-Ethernet-Switche entfällt die Notwendigkeit der Installation eines Gebäude-Switchs (beziehungsweise Aggregation-Switchs). Stattdessen werden die Etagen-Switche über Glasfaser direkt mit den Core-Switchen im Rechenzentrum verbunden. An diese sind die Server direkt über 40-Gigabit-Ethernet gekoppelt. Dies bietet den Vorteil, dass eine quasi verlustfreie Systemarchitektur entsteht, die eine sehr geringe Verzögerung aufweist.

Rolle der Switching-Architektur

Cloud Computing und virtualisierte Rechenzentren mit einer optimierten Switching-Architektur garantieren eine Ende-zu-Ende-Verzögerung von weniger als 10 Mikrosekunden. Um diese relativ kurzen Übermittlungszeiten erreichen zu können, müssen möglichst viele Schaltstufen im Netzwerk eliminiert werden. Bei der Server-Virtualisierung mittels Blade- oder Rack-Server übernehmen die Server selbst die Rolle des Access-Switches im Netz. Der Hypervisor oder Virtual Machine Monitor (VMM) verwaltet die Ressourcenverteilung für einzelne virtuelle Maschinen. Ferner sorgt er für das Switching der Server-Daten. Wird die Server-Virtualisierung durch eine I/O-Virtualisierung ergänzt, lassen sich die im Netz zur Verfügung stehenden Bandbreiten den jeweiligen VMs individuell zuweisen.

Zusätzlich bieten heutige Switches eine so genannte Chassis-Virtualisierung an. Auf diese Weise kann auf Redundanzmechanismen wie beispielsweise Spanning Tree verzichtet werden. Bisher bestimmt dieser Mechanismus die aktiven Pfade zwischen dem Daten-Center und den Endgeräten. Die Anforderungen an ein modernes Netz, das eine schnelle und verlustfreie Anbindung der virtualisierten Rechenzentren bei geringsten Verzögerungen garantieren soll, ist mit einer Spanning-Tree-Nutzung nicht mehr vereinbar. Stattdessen werden parallele Verbindungen zwischen den Switches im Netz aktiviert und die Daten über mehrere parallele Wege übermittelt. Diese Switches überwachen kontinuierlich die Übermittlungswege und beseitigen automatisch potenzielle Engpässe im Netz.

Gigabit Ethernet im Storage

Durch die iSCSI-Unterstützung in VMware etabliert sich jetzt auch das 40/100-Gigabit-Ethernet im Storage-Markt und bedrängt hier zusehends die klassischen Fibre-Channel-Technologien. Analysten prognostizieren den Durchbruch für 40/100G-Ethernet im Markt der Enterprise-Storage-Arrays und Server innerhalb des kommenden Jahres. Hauptgrund sind die geringen Kosten der iSCSI-Storage-Lösungen. In der Praxis kostet eine Ethernet-Infrastruktur nur den Bruchteil einer High-end-Fibre-Channel-Lösung. Außerdem erfordert die Ethernet-Technologie im Gegensatz zum Fibre-Channel kein spezielles Fachwissen.

Ethernet Alliance zertifiziert

Die 802.3ba-Spezifikation entspricht der Full-Duplex-Betriebsart der IEEE 802.3 Media Access Control (MAC). Durch die Unterstützung der bereits verfügbaren 802.3-MAC-Protokolle garantiert der 802.3ba-Standard auch eine vollständige Kompatibilität mit der bereits installierten Ethernet-Basis. Die endgültige Spezifikation des Standards wird auch die bewährten und vertrauten Übertragungsmedien unterstützen. Dadurch bleiben die bestehenden physikalischen Netzarchitekturen weitestgehend erhalten, und Installations- sowie Wartungskosten reduzieren sich deutlich. Darüber hinaus sorgt die Ethernet Alliance für die notwendigen Interoperabilitätstests (inklusive einer Zertifizierung). Anwender haben so die Gewissheit, dass die entsprechenden Standardkomponenten fehlerfrei zusammenspielen und zueinander interoperabel sind. (hi)