Risiko-Minderung durch entbündelte Entscheidungskriterien:

Der Service-Umfang ist schwer zu vergleichen

03.10.1980

Systemsoftware ist vom Ansatz her Teil der Maschine. Sie rundet die Hardware-Leistung ab. Was liegt näher, als die Systemsoftware des Hardware-Anbieters einzusetzen? Nichts - jedenfalls solange Hard- und Software gebündelt waren.

Das Unbundling änderte die Situation entscheidend: Es schaffte Vergleichbarkeit. Denn es ist ungleich schwerer, zum Beispiel einen Teleprocessing (TP)-Monitor, der Teil eines Betriebssystems ist, das selbst wieder Teil einer Hardwarelösung ist, zu vergleichen mit einem TP-Monitor, der nur dieses und genau dieses ist.

Die Zerlegung eines Gesamtkomplexes in Komponenten, wie es durch das Unbundling der Software geschah, ermöglicht, Gleiches mit Gleichem zu vergleichen. Unbundling macht den Markt transparent. Und daraus kann der Kunde Nutzen ziehen. Fraglich nur, ob er unterschwellig schon so weit ist.

Neulich sagte mir ein Kunde, der eine IBM 4341 fährt: "Ich habe an drei Stellen Fremdsoftware eingesetzt: bei der Datenbank, im Teleprocessing und in der Online-Programmierung. Wichtig ist, daß ich den IBM-Pfad nicht verlasse. Das ist das ganze Betriebssystem. Aber an drei Stellen habe ich etwas getan, was mir Einsparungen bringt."

Begriffe wie "Fremdsoftware" oder "IBM-Pfad" geben die unterschwellige Motivation zu erkennen. Aber diese Argumentation leuchtet mir ein. Ich halte es daher für müßig, über berechtigte oder unberechtigte Herstellerbindung oder über die Unmündigkeit des Anwenders zu diskutieren.

Die Leistung der Systemsoftware unseres Hauses basiert auf Spezialisierung. Nur dadurch gibt es die Chance, ein Datenbank-System, einen TP-Monitor oder ein für Online-Programmierung anzubieten, die dem Kunden mehr Leistung Bringen. Nur dadurch eröffnet sich eine "Verdienst"-Quell für ein Systemhaus. Ob der Anwender dieses zusätzliche Angebot annimmt, muß er selbst entscheiden. Zum Zuge kommen die Kriterien der EDV-Revision: Ordnungmäßigkeit, Funktionsfähigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Grundlage dafür wiederum ist, daß er seine Entscheidungskriterien entbündelt.

Dabei ist eins zu sehen: Die Leistungsstärke der "Fremdsoftware" ist Existenzbedingung des Software-Hauses. Die Hardware-Hersteller Haben Teilweise einen anderen Ausgangspunkt: Durch das Unbundlingder Software reagieren sie auf veränderte Marktverhältnisse. Das hat zur Folge, daß zumindest ein Teil ihres Software-Angebotes strategische Produkte beinhalten kann.

Welche Hauptpunkte prüft das EDV-Management bei der Software-Auswahl? Es sind dies: Leistungsumfang, laufende Betriebskosten (Hardware, Personal), Service und Anschaffungspreis (beziehungsweise Miete).

Service-Vergleich

Preis und grundsätzlicher Leistungsumfang sind schnell zu vergleichen. Schwieriger wird es beim Service. Man bedenke: Wenn erst einmal eine Fachabteilung an einem Dialogsystem hängt, dann "hängt" sie auch bei Ausfall dieses Systems. Zwei Punkte geben Aufschluß über die Service-Leistung:

Die Service-Art und -Mannschaft. Dabei sollte folgendes gelten. Erstens: Fernwartung ist nicht unbedingt eine Qualitätsfrage, sie ist eine Rationalisierungsmaßnahme. Zweitens: Auch das dichteste Netz ist kein hinreichen der Grund für guten Service; denn mit Quantität löst man keine Probleme.

Die Praxiserfahrungen der Kunden; die Anzahl der Ausfälle und die Ursachen dafür geben Aufschluß über die Produktstabilität, die Systemverfügbarkeit.

Das Beispiel Service zeigt, daß äußere Indikatoren zwar Anhaltspunkte für die Risiko-Kalkulation abgeben können, Erkundigungen, Praxiserfahrungen jedoch profunder sind.

Laufende Betriebskosten

Ähnliches gilt für die laufenden Betriebskosten. Bei komplexen Systemsoftwure-Produkten kauft man mit dem Produkt Ressourcenaufwand und Personalaufwand ein. Bei Software zur Produktivitätssteigerung gilt dies für den Hardware-Aufwand ebenfalls, während personalseitig das Ziel Aufwandsreduzierung verfolgt wird.

Unter diesen Aspekten erhalten folgende Fragen Bedeutung: Kaufe ich 20 Prozent mehr oder weniger CPU-Belastung? Brauche ich drei Plattenlaufwerke oder ein Drittel? Verlangt das Produkt den Einsatz von einem Drittel Systemprogrammierer oder von zweien? Erfordert es Spezialkenntnisse der Anwendungsprogrammierer? Auch hier gibt es Faktoren, die leichter prüfbar sind oder nur schwer zugänglich sind, selbst bei aufwendigen Probe-Installationen. Aber man kann sie in den Griff bekommen. Aus der Erfahrung mit Shadow Il, Isogen II, Quota II oder Guts wissen wir, daß der Komplex der laufenden Betriebskosten in der Hardware und beim Personal oft den entscheidenden Faktor darstellt: Die Einsparungsmöglichkeiten bei Personal und Hardware können den Kaufpreis überkompensieren.

Markttransparenz

Wir haben die Frage der Risiko-Kalkulation nur angerissen. Wichtig sind dabei folgende Punkte:

Unbundling heißt Markttransparenz. Die Software-Leistung ist vergleichbar. Für Software-Häuser ist diese Voraussetzung eine conditio sine qua non.

Die Software-Auswahl muß den Revisionskriterien Ordnungsmäßigkeit, Funktionsfähigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit standhalten. Es ist ein größeres Risiko, nicht zu kalkulieren.

Der größte Risikofaktor liegt neben der Hardware im Personalbereich. Denn mit jedem Produkt kauft man die Auswirkungen auf diese Bereiche mit ein.

Wahlfreiheit auf dem Software-Sektor ist gegeben. Das Mixen von Systemsoftware kann mehr Ordnungsmäßigkeit, mehr Funktionsfähigkeit mehr Sicherheit, mehr Wirtschaftlichkeit bringen. Produktionsstrategie der Software-Anbieter und der Produktnutzen für den Anwender stellen zwei Aspekte von jeweils eigener Relevanz dar. Aus diesem Grunde müssen die Entscheidungskriterien entbündelt werden. Eine Zieldefinition des Produktzweckes allein reicht dabei nicht aus. Das Einsatzumfeld des Produktes muß in die Bewertung einbezogen werden. Damit ist das Fundament der richtigen Wahl errichtet.

Jörgen Kamm ist Leiter Marketing bei der Zeda, Gesellschaft für Datenverarbeitung und EDV-Beratung mbH & Co., Wuppertal.