IT-Berater und –Service-Anbieter übernehmen mehr Verantwortung

Der Service-Sektor wird um zehn Prozent zulegen

21.11.2007
Die Nachfrage im deutschen Markt für IT-Beratung und IT-Services hat sich in 2007 dynamisch entwickelt. Im Fokus der Unternehmen stehen dabei Prozessverbesserungen und Innovationen, die den Wertbeitrag der IT für den Unternehmenserfolg steigern. Die IT in den Unternehmen und ihre externen Partner stehen vor großen Herausforderungen und zugleich vor großen Chancen.

Von Hartmut Lüerßen*

Hartmut Lüerßen ist Geschäftfsührer der Lünendonk GmbH.

Die führenden IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen in Deutschland blicken mit hohen Erwartungen in die Zukunft: Um immerhin 12,4 Prozent wollen die Unternehmen im Durchschnitt im Jahr 2007 zulegen. Der Zentralwert (Median) für die Wachstumsraten 2007 liegt zwar mit zehn Prozent unter diesem Wert, zeigt aber, dass viele Unternehmen von deutlich steigenden, überwiegend zweistelligen Wachstumsraten ausgehen. Berücksichtigt werden sollte dabei jedoch, dass sich der Fachkräftemangel inzwischen verstärkt hat und für viele Anbieter einen wachstumsbegrenzenden Faktor darstellt.

Für 2007 bis 2012 prognostizieren die Unternehmen einen nicht ganz so hohen durchschnittlichen jährlichen Zuwachs ihrer Umsätze (10,3 Prozent). Der Zentralwert für die Jahre 2007 bis 2012 (zehn Prozent per annum.) bestätigt jedoch für diesen Zeitraum den hohen Mittelwert. Die Erwartungen der IT-Services-Anbieter liegen für den Zeitraum 2007 bis 2012 mit durchschnittlich 5,4 Prozent (Zentralwert 3,5 Prozent) unter den Erwartungen der IT-Beratungs-Unternehmen.

Das Wachstum im Markt für IT-Beratung und IT-Services geht zum großen Teil auf die Wachstumsinvestitionen von Awenderunternehmen zurück. So hat die Zahl der Unternehmensübernahmen stark angezogen; neue internationale Standorte oder Tochterunternehmen werden gegründet. Dieser Trend hält auch im kommenden Jahr an. Die Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen diese Veränderungen bewältigt, wirkt sich dabei unmittelbar auf den Erfolg des Unternehmens am Markt aus.

Wegen dieser kürzeren "time to market" ist die IT aufgefordert, weiter zur Flexibilisierung der Geschäftsprozesse beizutragen und innovativ zu agieren.

Die IT muss die Veränderungen des Unternehmens technologisch abbilden – und (mit-)gestalten. Der Aspekt der Mitgestaltung stellt dabei für die interne IT wie für die externen Beratungs- und Dienstleistungspartner eine Herausforderung mit neuer Qualität dar.

Denn immer mehr Projekte werden aus den Fachbereichen des Unternehmens angestoßen und finanziert. Die Projektziele werden daher auch im Sinne von Prozessverbesserungen definiert. Die Integration verschiedener Technologien, bisher das Primärziel aus Sicht der IT, wird damit Teil des Weges zum Erfolg und tritt gegenüber dem geschäftlichen Ziel, zum Beispiel "Verringerung der Bearbeitungszeit für den Sachbearbeiter um 30 Prozent", in den Hintergrund.

Dementsprechend steigen die Anforderungen an die interne IT und die IT-Beratungsunternehmen, mehr Kompetenz für die fachlichen Themen des Unternehmens zu entwickeln. Diese Branchenkompetenz gehört zu den wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Auswahl eines Anbieterunternehmens.

Veränderungen am Anbietermarkt

Die Forderung nach mehr IT-Innovationen bei gleichzeitig verringerter Leistungstiefe in der IT und den verwaltungsnahen Prozessen hat eine neue Art von Gesamtdienstleister entstehen lassen, der einen Mix aus Management und IT-Beratung, Realisierung, Outsourcing und Business Process Management aus einer Hand anbietet. Diese Business Innovation / Transformation Partner (BITP) agieren vergleichbar mit den Tier-1-Systempartnern der Automobilhersteller, die einen hohen Anteil an den Innovationen neuer Modelle tragen und dabei unternehmerische Mitverantwortung nicht nur für Teil-, sondern für Komplettlösungen übernehmen.

Diesen Ansatz greift das BITP-Konzept als Dienstleistungs-Partnerschaftsmodell auf und sorgt so für eine nachdrückliche Unterstützung der Kundenunternehmen durch Innovations- und Transformationsleistungen (also Änderungs- und Umwandlungsleistungen). Dabei kann der Betrieb der IT-Umgebung beim Kundenunternehmen stattfinden, im Outsourcing beim Dienstleister oder in gemeinsamen Joint Venture

Lünendonk hat zum vierten Mal zusätzlich zu den traditionellen Lünendonk-Listen ein Ranking von BITP-Anbietern in Deutschland erstellt. Die zwölf gelisteten Unternehmen erwirtschaften mehr als 60 Prozent ihrer Umsätze mit Beratung und Dienstleistungen. Von ihren Umsätzen entfallen jeweils mindestens zehn Prozent auf die drei Leistungskategorien Management- und IT-Beratung, Systemrealisierung und -integration sowie Betrieb von IT-Systemen (Outsourcing) im Auftrag des Kunden. Die Erfüllung der BITP-Leistungen setzt eine bestimmte Größenordnung voraus; deshalb wurden in das Ranking nur Anbieter aufgenommen, die in Deutschland mindestens 400 bis 500 Millionen Euro oder weltweit mindestens eine Milliarde Euro an Umsatz erwirtschaften.

Die zwölf BITP-Unternehmen erzielten 2006 mit Beratung, Realisierung und Betrieb zusammen im Durchschnitt 87,8 Prozent ihrer Umsätze. Dabei entfällt auf IT- und Management-Beratung ein knappes Fünftel des Gesamtumsatzes, auf Systemintegration, einschließlich Software-Einführung, Individual-Software-Entwicklung und Projekt-Management, ein knappes Viertel des Gesamtumsatzes. Outsourcing, einschließlich Business Process Outsourcing (BPO) Application Service Providing (ASP), Application-Management, Facilities- Management, RZ-Leistungen und Netzwerkservice, steht für über 45 Prozent des Gesamtumsatzes.

Die Industrie führt 2006 als Marktsektor bei BITP-Unternehmen mit 27,4 Prozent vor Telekommunikation mit 20,3 Prozent. Die Sektoren Banken,Versicherungen (16,4 Prozent) und Energie, Verkehr, Logistik (13,3 Prozent) folgen auf den nächsten Plätzen. Die übrigen Marktsektoren erreichen jeweils nur einstellige Prozentanteile, wobei Behörden und öffentlicher Dienst mit 9,9 Prozent noch am bedeutendsten sind. Gegenüber dem Vorjahr 2005 haben Telekommunikation, Finanzdienstleister, Energie, Verkehr, Logistik und Gesundheitswesen ihre Anteile gesteigert.

Fachkräftemangel als Herausforderung

Rund 52000 Mitarbeiter waren im Jahr 2006 bei den 57 in der Lünendonk-Studie "Führende IT-Beratungs- und Service-Unternehmen in Deutschland" berücksichtigten IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen angestellt. IBM Global Business Services macht zwar keine Angaben über die Mitarbeiterzahl. Schätzungsweise dürften es jedoch rund 6300 Mitarbeiter sein. Soweit Vergleiche mit dem Vorjahr möglich sind, ergibt sich in der Summe ein Mitarbeiterzuwachs der an der Studie beteiligten Unternehmen gegenüber 2005 um rund 2100, eine Zunahme von durchschnittlich 11,9 Prozent. Die Top-10-Unternehmen – ohne IBM GBS – weisen mit 3,1 Prozent einen signifikant niedrigeren Personalzuwachs auf.

Das Wachstum dieser Branche ist untrennbar mit einer korrespondierenden Zunahme der Mitarbeiter verbunden, da sie die eigentlichen Produktionsfaktoren in diesem Geschäft sind. Mittelfristig verlaufen deshalb Umsatz- und Mitarbeiterwachstum typischerweise parallel. Abweichungen sind nur kurzfristig durch höhere Kapazitätsauslastung oder längerfristig durch den Einsatz von externen Ressourcen (zum Beispiel Nearshore und Offshore-Entwicklung) möglich, die sich nicht in der eigenen Mitarbeiterzahl, sondern nur in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen.

Die wiedererstarkte Branchenkonjunktur im IT-Dienstleistungsgeschäft hat bereits zu ersten Engpässen auf dem Arbeitsmarkt geführt. Lünendonk fragte die Beratungsunternehmen, welche Basisausbildung ihre Berater bzw. IT-Experten haben. Die meisten von ihnen (41 Prozent) haben ein Informatik-Studium absolviert. Ein Fünftel hat Wirtschaftswissenschaften studiert und 14 Prozent Ingenieurwissenschaften. Eine naturwissenschaftliche Ausbildung haben zehn Prozent der Berater und zwölf Prozent weisen sonstige Ausbildungsrichtungen auf.

Zwar besagt im Beratungsgeschäft die Grundausbildung eines Beraters noch lange nicht, dass er auch heute eine entsprechende Tätigkeit ausübt, aber durch die große Zahl der betroffenen Mitarbeiter bilden diese Zahlen eine gewisse Richtschnur.

Abgesehen von Green Cards und anderen Überlegungen, partielle Knappheiten durch "Import" von ausländischen Fachkräften zu überwinden, ist das IT-Geschäft international, und es waren schon immer Mitarbeiter verschiedener Nationalitäten bei den IT-Unternehmen in Deutschland beschäftigt.

Lünendonk fragte, wie viel Prozent der Berater bzw. IT-Experten eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Der einfache arithmetische Mittelwert von 10,7 Prozent wird von dem Median (5 Prozent) ganz wesentlich unterschritten, das heißt, man kann davon ausgehen, dass wesentlich weniger als jeder zehnte Berater oder IT-Experte bei den befragten IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Perspektiven des IT-Beratungs- und Systemintegrations-Marktes

Die Globalisierung hat dem traditionell multinationalen IT-Software und Servicegeschäft eine neue Dimension beschert. Das Personalkostengefälle zwischen den Industriestaaten Westeuropas und Nordamerikas zu den Schwellenländern Mittel- und Osteuropas bzw. Ostasiens hat zu einer Verlagerung von Entwicklungs- und Wartungsarbeiten geführt. Weniger als die Hälfte (44 Prozent) der IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen bieten ihren Kunden Nearshore- und. Offshore-Kapazitäten an. Für die Top-10-Unternehmen ist dieses Modell inzwischen Standard-Bestandteil der Angebote, von den mittelgroßen und kleineren Unternehmen bieten 34 Prozent der Unternehmen Nearshore- oder Offshore-Leistungen an.

In der Regel beruhen solche Angebote auf eigenen Kapazitäten, in der Regel also Tochter- oder Schwestergesellschaften in diesen Regionen. Knapp ein Viertel (23Prozent) bietet Kapazitäten eines Partners bzw. eines externen Dienstleisters an.

Noch ist der Anteil von Nearshore- bzw. Offshore-Kapazitäten am Projektumsatz überschaubar. Bei fast drei Viertel der Studienteilnehmer machen die Auslagerungen maximal fünf Prozent des Umsatzes aus. Bei sieben Prozent der Unternehmen beträgt dieser Anteil über fünf bis zehn Prozent, bei zehn Prozent über zehn bis 20 Prozent und bei weiteren zehn Prozent über 20 Prozent.

Mehr als 40 Prozent der Unternehmen wollen den Anteil von Nearshore- und Offshore-Kapazitäten am eigenen Umsatz auf über fünf Prozent steigern (2006: 27 Prozent). Neben dem Bereich bis fünf Prozent Anteil wird der Bereich über zehn bis 20 Prozent stark vertreten sein.

Doch auch in großen Anwenderunternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern ist das Thema Nearshore- und Offshore längst angekommen. Bei 27 von Lünendonk befragten großen Unternehmen, zwölf davon aus demDax, liegt der Anteil von Nearshore- und Offshore-Leistungen bereits bei über zehn Prozent. Tendenz stark steigend.

2012 werden in den meisten Projekten nennenswerte Anteile durch Nearshore- und Offshore-Zuarbeit abgedeckt sein. Nur noch jeder fünfte Anbieter rechnet mit Anteilen von maximal fünf Prozent. Bei fast jedem dritten Projekt soll der Nearshore- und Offshore-Anteil dann mehr als 20 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Neben der schwierigen Aufgabe, Jahr für Jahr zusätzlich fünf bis zehn Prozent qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, sind es vor allem Veränderungen in den Vertragsverhältnissen mit den Kunden, Entscheidungen über die Leistungsbreite des eigenen Angebots und die Frage der Nutzung von Möglichkeiten im Nearshore- und Offshore-Sourcing, die es zu bewältigen gilt.

Für den Vertrieb verändern sich nicht nur die Buying-Center-Strukturen. Branchen- und Prozesskompetenz wird zur Voraussetzung, um mit dem Kunden anhand seiner Wertschöpfungsfelder und Herausforderungen das optimale Modell der Zusammenarbeit zu entwickeln. (ciw