CW-Studie zum Telecom-Markt: Schlechte Noten für Telekom

Der Service entscheidet über den Erfolg im TK-Wettbewerb

26.09.1997

Knapp drei Monate vor dem endgültigen Fall des TK-Monopols am 1. Januar 1998 hat Bundespostminister Wolfgang Bötsch mit der Festlegung der Interconnection-Preise die Rahmenbedingungen für den künftigen Wettbewerb fixiert. Nun ist es Aufgabe der neuen Telekom-Wettbewerber, Anwender nicht nur mit günstigeren Preisen, sondern auch mit attraktiven Diensten zu umwerben. Über fehlende potentielle Kunden müssen sich die Anbieter dabei nicht beklagen. Eine von der COMPUTERWOCHE in Auftrag gegebene Studie ergab, daß über 60 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen zum Wechsel des Carriers bereit sind. Dementsprechend fühlt sich nur knapp die Hälfte der 210 von Techconsult, Kassel, befragten Unternehmen an ihren bisherigen Telekommunikationsdienstleister gebunden. Dabei handelt es sich um Beziehungen, die meist aus vertraglichen Gründen oder durch Gesetze auf Basis des bisherigen TK-Monopols bestehen. Lediglich 35 Prozent der Befragten gaben eine hohe Kundenzufriedenheit als starken Bindungsgrund an.

Diese Kritik am bisherigen Carrier verwundert allerdings nicht weiter. Die Telekom als der deutsche Carrier erfüllte die Anforderungen der Anwender in der Vergangenheit (siehe Grafik) oft nur ungenügend. So attestieren die professionellen Anwender dem Bonner Carrier Defizite besonders in Sachen Preis- und Tarifstruktur. Neben einer transparenteren Gestaltung der Gebühren äußern die Kleinfirmen und Mittelständler vor allem den Wunsch nach kundenspezifischen Angeboten. Zwei weitere Mängelpunkte verhageln dem Riesen das Zeugnis: Obwohl das Unternehmen imageträchtig für seine schnellen, sicheren Infobahnen wirbt, beklagen die User lange Einrichtungs- und Entstörungszeiten.

Schlechte Zensuren, die den Telekom-Managern zu denken geben sollten, zumal die befragten Anwender kompetente Ansprechpartner oder einen schnellen und effizienten Support vom Carrier ihrer Wahl als Selbstverständlichkeiten erwarten.

Zu den Grundpflichten eines Netzbetreibers gehören in den Augen der Mittelständler auch kurze Entstörungszeiten sowie eine Hotline rund um die Uhr.

Erst wenn ein Anbieter dieses Einmaleins der TK-Anforderungen beherrscht, kommen weitere Aspekte zum Tragen: Hier hat die Disziplin "günstige Tarife" für über die Hälfte der Befragten oberste Priorität. Des weiteren legen die Unternehmenskunden sowohl Wert auf Zuverlässigkeit ihres TK-Anbieters als auch auf die Qualität des Netzes: Punkte, die nicht unbedingt im Pflichtenheft der alternativen Anbieter stehen.

Diesen Eindruck vermittelte zumindest der Kongreß "Telecom-Markt Deutschland" in Köln. Auf der Veranstaltung der Euroforum GmbH, Düsseldorf, versuchten die Vertreter der neuen Carrier, die Anwender vor allem mit dem Kostenargument zu ködern. Wurde von den potentiellen Kunden gefragt, welche monetären Vorteile die freien Carrier im einzelnen zu bieten haben, so herrschte meist betroffenes Schweigen. Mit dem schamhaften Hinweis auf fehlende Interconnection-Vereinbarungen blieben die neuen Netzbetreiber eine Antwort schuldig. Ein Schlupfloch, das ihnen Postminister Bötsch mit seiner Anordnung zu den Interconnection-Tarifen verbaut hat. Damit steht den Business-Plänen der Carrier nichts mehr im Wege. Überlegungen der Telekom, die Interconnection-Tarife gerichtlich überprüfen zu lassen, könnten aber zu Verzögerungen führen.

Allerdings, so berichten Kunden und Anwendervereinigungen, ist der Preis nur die glänzende Seite der Medaille. Auf der Kehrseite zeichne sich dagegen oft ein ernüchterndes Bild ab: Kaum einer der neuen Carrier sei dafür gerüstet, das von den Anwendern geforderte Produktportfolio etwa zum flächendeckenden ISDN-Zugang etc. zu bieten. Nach einem Vergleich der vollmundigen Werbeversprechen mit der Netzrealität kommt so mancher Anwender zu dem Schluß, daß auch 1998 wohl noch das Jahr der Telekom ist und diese ein leichtes Spiel haben wird. Sollten allerdings die privaten Carrier ihre Hausaufgaben machen und Netzsicherheit sowie geforderte Dienste zu einem günstigeren Preis als die Telekom anbieten, sind die meisten Unternehmen zu einer Migration bereit.

Ein ähnlich ernüchterndes Resümee wie die Anwender zieht das Beratungsunternehmen Andersen Consulting, Sulzbach, in seiner Studie "Telekommunikation - Der deutsche Markt": Die Berater sehen für die neuen Anbieter trotz Milliarden-Investitionen und niedriger Tarife noch keine Erfolgsgarantie im Wettbewerb. "Zwar zeigen reife Telecom-Märkte, daß Preisunterschiede für die Kunden ausschlaggebend für einen ersten Wechsel sind, doch beim nächsten Wechsel sind Kundenbetreuung und Zuverlässigkeit die wichtigsten Faktoren", erläutert Thomas Herbst, bei Andersen Consulting zuständig für den Bereich Telekommunikation, die Spielregeln des freien TK-Marktes.

Bisher setzen viele die Wettbewerbschancen im Telekommunikationsmarkt mit dem Besitz leistungsfähiger Netzinfrastrukturen gleich, doch nach Ansicht der Studienautoren ist dies ein gefährlicher Trugschluß. Aufgrund der Dynamik der technischen Entwicklung verlieren Lösungen auf Basis von Festnetz (Glasfaser, Kupfer), Internet, Kabel-TV sowie Satelliten- und Mobilfunk sehr schnell ihre Relevanz als Wettbewerbsfaktor.

Vor diesem Hintergrund biete somit nur die Qualität des Kundenservice ein bedeutendes Differenzierungsmerkmal für die Wettbewerber. Allerdings sind hier sowohl Andersen Consulting als auch die Anwender sehr skeptisch, ob die neuen Telekom-Wettbewerber, meist selbst Monopolisten im Strommarkt, es schaffen, eine entsprechende Servicementalität bei ihren Mitarbeitern zu erzeugen. Andersen sieht darin sogar die eigentliche Herausforderung für die Rivalen.