Operatorlosigkeit in älteren Rechenzentren ein schöner Traum

Der RZ-Servicegedanke beinhaltet auch Dienstleistungen nach innen

23.08.1991

Dienstleistung für die Anwender schreiben die meisten bundesdeutschen Rechenzentren groß - und arbeiten selbst doch noch zu weiten Teilen manuell, Service-unfreundlich gegen sich selbst und somit unwirtschaftlich bei der Steuerung ihres Service-Zentrums. Vermeintlich zu hohe Investitionsaufwendungen für die Tools verhindern oft deren Einsatz. Der Markt indes gerät auch hier in kräftige Bewegung.

Die korrekte und ablaufsichere Steuerung der Arbeiten eines Rechenzentrums ist Basis eines reibungslosen Arbeitens des gesamten Unternehmens. Um so mehr erstaunen die Ergebnisse einer eigenen Umfrage bei knapp 400 befragten Rechenzentren zum Thema "RZ-Steuerung und Tool-Einsatz": Über 30 Prozent, so das Ergebnis, setzen kein Scheduling-System bei ihrer Arbeit ein, etwas über 16 Prozent arbeiten mit eigenentwickelten Systemen. Als Rechenzentrum in diesem Sinne gelten die organisatorischen Einheiten, die mindestens MVS mit Varianten im Einsatz haben.

Benchmarks aus den USA und Deutschland indes belegen, daß der Aufwand beim Einsatz eines Scheduling-Systems - nach Möglichkeit inklusive eines Restart/Recovery-Systems - von mehreren Stunden auf wenige Minuten sinken kann, je nachdem, wie parametrisiert und frei von manuellen Eingriffen sich das Tool in der Praxis zeigt.

Scheduling-Systeme als Komfort

Dies ist ein Faktor, der bei heutigen Personalkosten und einem eklatanten Spezialistenmangel die Wirtschaftlichkeit eines Rechenzentrums tangiert. Und dennoch, so zeigt die Erfahrung draußen am Markt, erklärt sich gerade die Abstinenz der oben erwähnten 30 Prozent, die ohne Tool-Unterstützung arbeiten, auch aus investiven Gründen. Es zeigt sich somit eine Diskrepanz, die zu erörtern ist.

Ein Blick in die Historie laufender Systeme zur RZ-Steuerung vermag ersten Aufschluß zum Verständnis dieser offenen Schere zwischen hohen Personalaufwendungen, Implementierungskosten und mangelndem Tool-Einsatz zu geben. So war es gang und gäbe bei alteingefahrenen Systemen, daß zur Investitionssumme für Lizenzen von 130 000 Mark bis zu einer Viertel Million noch zwölf bis 15 Prozent Wartungskosten dieser Summe jährlich anfielen.

Auch das System der Miete mit 3- bis 5-Jahres-Verträgen und Mietkosten von 5000, manchmal 10 000 Mark pro Monat ist aus heutiger Sicht kritisch zu durchleuchten. In vielen Unternehmen beginnen die Verantwortlichen zur Zeit darüber nachzudenken, ob denn diese hohen Kosten nötig seien. Die Entwicklung schreitet auch hier voran - Scheduling-Systeme sind mittlerweile bereits ab 50000 Mark erhältlich. Selbst bei den üblichen Wartungssätzen verringert sich der Investitionsaufwand immens.

Der zweite Faktor bei einer Überlegung zur Wirtschaftlichkeit des Rechenzentrums ist der des effektiven Personaleinsatzes. Hier spielt auch der Komfort eine Rolle, den viele ältere Systeme nicht bieten, der aber zugleich viel Zeitersparnis impliziert.

Neuentwicklungen lohnen also nicht nur aus Kostengründen, sondern auch wegen inhaltlichen Erwägungen. Denn sowohl unter Kosten- als auch unter Handling-Aspekten bieten neue Systeme einiges. Vorlaufzeiten zur Einführung und Vorbereitung des Rechenzentrums auf einen Tool-Einsatz von einem halben bis zu einem Jahr gehören der Vergangenheit an - egal, wer immer wann das Tool entwickelte.

Zu berücksichtigen sind bei dieser Frage praktische Gegebenheiten des planenden RZ. Die Einführungsprobleme eines Scheduling-Systems beginnen in vielen Unternehmen mit einer schlechten Dokumentation. Wichtigster Punkt der Problematik ist hier die ungenaue, häufig lückenhafte -Beschreibung der Abhängigkeiten von Jobs untereinander. Es liegt am inhaltlichen Aufbau des Scheduling-Systems, wie dieser Faktor zu Buche schlägt.

Zu klären ist zudem die Frage der notwendigen Vordefinitionen beispielsweise eines Netzwerkes für eine korrekte Ablaufsteuerung. Es gibt Systeme, die eine komplette Definition des Netzwerkes mit allen Abhängigkeiten fordern; der Zeitaufwand bei Implementierung und Änderung ist dementsprechend hoch und schlägt sich als Kostenfaktor teuer nieder. Sinnvoller ist eine 1:1-Relation, wie sie auch geboten wird, die Änderungen eines Netzwerkes erleichtert. Vorwärts- und Rückwärtsverkettungen bei Wechsel von Varianten entfallen.

Der Komfort moderner Systeme schlägt sich auch darin nieder, daß präzise auf die Denkweise des RZ-Spezialisten eingegangen wird: Der Mitarbeiter kann schneller und genauer seine Zeit nutzen. "Step-weises Denken", wie es bei Experten oft gefunden wird, heißt nicht nur, via Scheduling-System dafür zu sorgen, daß die Fakturierung läuft, sondern auch zu wissen, welches Teilstück sich gerade in Bearbeitung befindet, und zwar in Real-time. Diese detailliertere Form der Verfolgung eines Jobs erleichtert präzise Eingriffe.

"Anwenderfreundlichkeit" in diesem Sinne ist damit genau umschrieben: Der schnelle Start der Produktion gehört dazu, ebenso die Fähigkeit, die Produktion unter Kontrolle zu behalten - und Schnellschüsse ohne großen Aufwand an Definitionen auch starten zu können. Hier liegt ein weiterer Grund, warum viele Unternehmen Scheu vor Scheduling-Systemen haben: Sie fühlen sich in ein starres System eingezwängt und meinen, nicht mehr auf aktuelle Anforderungen flexibel reagieren zu können.

Systeme älterer Bauart, die im Markt der eingesetzten Schedulings immer noch den Löwenanteil stellen, bestätigen diese Befürchtung. Mit ihnen gibt es nur wenige, meist komplizierte Möglichkeiten, Schnellschüsse außerhalb der täglichen Routine abzuarbeiten. Zum einen heißt es, diese Läufe komplett am System vorbeizufahren, zum anderen muß Zeit und somit Geld aufgewendet werden, um die komplexen Definitionen systemkonform zu erarbeiten.

Der aus Wirtschaftlichkeitsgründen heraus oft zitierte Traum vom "operatorlosen Rechenzentrum" scheint der Revision zu bedürfen. Es wird immer die Situation geben, daß ein Job abgebrochen wird, aus welchen Gründen auch immer. Und man wird nie ein absolut wasserdichtes Restart-System implementiert haben. Der Aufwand dafür steht in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Zwar gibt es - gangbare - Modelle, bei denen der Rechner im Fall der Fälle eigenständig eine Telefonnummer anwählt und von einem Operator von "zu Hause" aus bedient werden kann. Jedoch verlangt die volle Operator-Absenz einen ungeheuren Aufwand aller Festlegungen jedes "Wenns und Abers" mit allen Ausnahmen. Solange dies nicht machbar ist, muß zum Teil von Menschenhand der Restart aktiviert werden.

Grundvoraussetzung für einen operatorlosen Betrieb ist immer ein Restart/Recovery-Management. Solange dieses automatisierte Management nicht existiert, bleibt dem Computer nur der Weg, den abgebrochenen Job zu vergessen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist beispielsweise das Handling von GDG-Bias-Ziffern, eine von vielen Komponenten einer korrekten Steuerung. Diese Kennzeichnungen geben Auskunft darüber, ob bei einem Restart Datasets zurückgestellt werden müssen oder nicht. Kann das Management-System mit diesen Ziffern nicht umgehen, müssen sie manuell gesetzt werden - erneuter Aufwand steht ins Haus trotz Scheduling-System.

Kontrolle und Nachvollziehbarkeit der Aktionen im RZ sind Grundlage für wirtschaftliches Betreiben eines Rechenzentrums. Allerdings ist diese Überwachung nur mittels eines ausgefeilten Scheduling-Systems mit integriertem Restart/ Recovery-System realisierbar.

Die Schere zwischen Investition und Nutzen eines Scheduling-Systems beginnt sich dank neuerer Entwicklungen in diesem Markt zu schließen. Zwar bleibt die Operatorlosigkeit in naher Zukunft auch weiterhin ein schöner Traum, jedoch können durch gezielte Auswahl eines Scheduling-Systems die Investitionen in Personal über die Investition in technische Hilfsmittel in relativ, kurzer Zeit Einsparungen realisieren.

Der RZ-Spezialist indes, muß nicht wie früher auf Feinkörnigkeit des Werkzeuges verzichten - sie trieb vorfahren die Lizenzpreise in die Höhe. Heutzutage sorgen auch Scheduling Systeme ab 50 000 Mark und Restart/Recovery-Systeme ab 20 000 Mark für kalkulierbareres Führen eines Rechenzentrums - damit der Dienstleistungsgedanke eines Rechenzentrums wirtschaftlich seinem Zweck zugute kommt und sich nicht selbst ad absurdum führt.