Der richtige Ausbildungs-Mix:Am Problem schulen bringt den größten Gewinn

21.07.1978

ALLENSBACH (hz) - Weil externe DV-Seminare bestenfalls den "State of the Art" eines Themenbereiches vermitteln, plädiert GES-Instruktor Helmut R. Walter für bedarfsorientiertes "Training on the Job". Walter rechnet aus, daß sich so erhebliche Beträge einsparen lassen:

"Bis Sie heute einen halbwegs brauchbaren DB/DC-Fachmann finden, kostet Sie das 150 000 Mark an Annoncen und Bewerbungskosten. Mit seinen finanziellen Forderungen bringt er Ihnen die sowieso aus allen Fugen geratene Gehaltsstruktur im DV-Bereich durcheinander.

Wenn Sie Pech haben, können Sie dieselben Investitionen noch einmal tätigen, weil Ihr Mann nicht das bringt, was Sie sich von ihm erwartet haben oder er sich zu einem anderen Unternehmen abgeseilt hat, bei dem er noch mehr verdient." Dieses Klagelied eines DV-Chefs zeigt eindeutig die Versäumnisse in der Fortbildung der eigenen Mitarbeiter auf. In dem besagten Unternehmen wurden in den vergangenen 18 Monaten ungefähr 300 000 Mark aufgewendet, um drei Spezialisten für Positionen im DV-Bereich zu finden. Im gleichen Zeitraum wurde aber nur ein Betrag von 15 000 Mark für die Fortbildung der 50 DV-Mitarbeiter investiert. Erfahrungen zeigen, daß die geschilderte Situation eigentlich mehr die Regel als die Ausnahme ist.

DV-Fortbildung sorgfältig planen

Hätte der DV-Leiter die 300 000 Mark mittels einer bedarfsgerechten Ausbildungsplanung in die Fortbildung der eigenen Mitarbeiter investiert, wäre der Nutzen mittel- bis langfristig gesehen beachtlich gewesen. Die Firma hätte nicht nur einen, sondern sicherlich drei DB/DC-Spezialisten. Der Leiter der Software-Entwicklung hätte einen qualifizierten Stellvertreter und die Programmierer verstünden sich mehr als Software-Ingenieure.

Eine innovationsfreudige Branche wie die Datenverarbeitung kann nicht erwarten, daß sie von den staatlichen Ausbildungsträgern im universitären Bereich hochqualifizierte Fachkräfte zur Verfügung gestellt bekommt. Das ist auch nicht deren Aufgabe. Dieses fehlende Wissen muß durch entsprechende Trainingsvorhaben der Hersteller, der freien Ausbildungsträger und durch firmeninterne Ausbildungsmaßnahmen vermittelt werden. Und hier beginnt schon das Problem: Wo bilde ich welche Mitarbeiter für welche zukünftigen Aufgaben aus. Da die Fortbildung mit erheblichen Kosten verbunden ist, muß rechtzeitig eine sorgfältige Planung durchgeführt werden, damit die Investition auch richtig angelegt wird. Bei der Durchführung dieser Aufgabe ist etwas mehr Professionalismus angebracht. Innerhalb der DV-Abteilung ist eine Stelle zu schaffen, die folgende Aufgaben durchzuführen hat:

- Erfassung des Ist-Zustandes fachlicher Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter

- Mittel- und langfristige Bedarfsplanung der zukünftigen Fähigkeitsanforderungen

- Eine diesen Bedürfnissen angepaßte Aus- und Fortbildungsplanung

- Eine Analyse, welches Wissen intern durch die eigenen Fachkräfte vermittelt werden kann

- Detaillierte Kenntnisse über das Gesamtspektrum externer Trainingsinstitutionen, deren Themenschwerpunkte, Leistungsniveau und Qualifikation.

Je sorgfältiger diese Aufgaben von einem hierfür qualifizierten Mitarbeiter wahrgenommen werden, desto größer ist der Nutzen des in die Aus- und Fortbildung investierten Kapitals.

Externer Seminarbesuch oder internes Training?

Ein externes Seminar bietet bestenfalls die Vermittlung des "State of the Art" in dem jeweiligen Themenbereich. Schon durch die heterogene Zusammensetzung des Teilnehmerkreises ist eine individuelle Problemlösung nicht möglich. In der Regel ist der Themenbereich hierfür auch viel zu komplex und die Zeit zu knapp. Versuche, dieses Handicap zu beseitigen, indem man den Teilnehmerkreis extrem fein spezifiziert und genügend Zeit für eine grundlegende Detailbehandlung des Stoffplanes vorsieht, sind häufig an der fehlenden Resonanz gescheitert. So gut gemeint solche Versuche sind, entsprechen sie nicht mehr dem Grundcharakter eines Seminars.

Externe Seminarveranstaltungen können also immer nur das Basiswissen eines Spezialthemas vermitteln. Die Wissensvermittlung sollte allerdings so gestaltet sein, daß der Teilnehmer nach dem Besuch des Seminars in der Lage ist, seine Probleme selbst zu erkennen und Lösungswege zu finden.

Erfahrungsaustausch mit Kollegen

Besitzt der Seminarveranstalter in den jeweiligen Themenbereichen ein durchgängiges Fortbildungskonzept, so kann der Teilnehmer noch mehr Spezialkenntnisse durch weiterführende Seminare erhalten. Ein ganz wesentlicher Vorteil eines externen Seminars liegt darin, daß der Teilnehmer durch den Erfahrungsaustausch mit seinen Fachkollegen aus anderen Firmen Kenntnisse über die Art und Weise erhalten kann, wie diese ihre Probleme lösen.

Interne Seminare können zwei Ausprägungen haben. Die eine besteht darin, Kosten dadurch zu senken, daß vielen Mitarbeitern die Teilnahme an einem Seminar ermöglicht wird, ohne die hierfür notwendigen Reise- und Übernachtungskosten aufzubringen. Im Prinzip ist dies die Wiederholung eines öffentlichen Seminars in den Räumen der Firma, wobei spezifische Belange berücksichtigt werden können.

Die andere Form ist ein bedarfsorientiertes Training. Diese Fortbildungsmaßnahme ist eine Verknüpfung zwischen firmenspezifischer Beratung und Training. Sie dürfte die effizienteste Wissensvermittlung überhaupt sein, weil eine kundenspezifische Problemlösung mit angeboten wird.

Gerade bei internen Fortbildungsmaßnahmen hat sich eine gut funktionierende DV-Ausbildungsabteilung hervorragend bewährt. Die Lernziele können wesentlich leichter und präziser definiert werden und die Ausbildung ist auf den hierfür vorgesehenen Adressatenkreis abgestimmt.

Helmut R. Walter ist Leiter des Bereichs DV-Training der GES Gesellschaft für elektronische Systemforschung mbH, Allensbach