Optimierung von ERP-Systemen

Der Produktivstart ist nur ein Meilenstein

03.12.1999
MÜNCHEN (CW) - Mit dem Going Live ist die Integration eines Systems für das Enterprise Resource Planing (ERP) nicht abgeschlossen, sondern nur das Ende der ersten Projektetappe erreicht. In einem zweiten Schritt, der sogenannten Second Wave, kann dann durch gezielte Optimierungsprozesse der maximale Nutzen des ERP-Systems sichergestellt werden.

Mit der Inbetriebnahme der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware werden in erster Linie Geschäftsprozesse wie Logistik, Produktionsplanung, Materialbeschaffung oder Auftragsabwicklung verbessert. Geschäftstransaktionen etwa für den Kundendienst, Unternehmensplanung oder Forschung und Entwicklung bleiben hingegen unberücksichtigt. Auch endet die Planung meist bei den Projektkosten. Einen Überblick über den zu erwartenden, quantifizierbaren und qualifizierbaren Nutzen bei der Einführung von ERP-Paketen zur Bewertung des Return on Investment (Business Case) ist hingegen selten. Zu diesem Fazit kommt eine Studie von Deloitte Consulting, in der 230 Führungskräfte, IT-Experten und Endanwender in 85 Fortune-1000-Unternehmen weltweit befragt wurden.

Viele Unternehmen registrieren in den ersten sechs Monaten nach der ERP-Einführung sogar einen temporären Leistungsrückgang. Die Folgen sind eine sinkende Produktivität, Schwierigkeiten bei der Anwendung, in der Buchhaltung sowie im Controlling. Das Ausmaß dieser Umstellungsprobleme läßt sich jedoch laut Deloitte durch entsprechende Vorbereitung begrenzen. Dazu sollten die wichtigsten Nutzer des Systems schon in der Testphase mitarbeiten, um sich mit der ERP-Funktionalität vertraut zu machen.

Nach der Implementierung muß deren Wissen und Können weiter verfolgt werden, um den eventuellen Bedarf an zusätzlichem Training abzuklären. Allerdings dürfen Führungskräfte und Mitarbeiter ihrerseits von dem neuen System keine Wunder erwarten. In der Praxis fallen trotzdem viele Mitarbeiter angesichts zunächst gering erscheinender Verbesserungen in ein Motivationsloch und nehmen das System nicht an. Dies ändert sich nach Ansicht der Unternehmensberater jedoch spätestens innerhalb von sechs bis achtzehn Monaten nach der Einführung des Systems. Dann sollten sich auch deutliche Synergien und eine gesteigerte Effizienz ergeben.

Um die Inbetriebnahme und die Fortsetzung des Projekts so schmerzlos wie möglich zu machen, hat Deloitte Consulting "Best Practices" zusammengestellt, die Unternehmen durch den gesamten Implementierungsprozeß leiten können. So müssen von Anfang an die Führungskräfte, das Projektteam und die Benutzer gemeinsam die Ziele des Projekts hinsichtlich des erreichbaren Nutzens und der angestrebten Verbesserungen klar definieren und diese Vorgaben auch nach dem Produktivstart einhalten. Auch sollte daran gedacht werden, daß die ERP-Einführung sowohl die Organisation, Prozesse und Technologien als auch die Mitarbeiter belastet und die Veränderungen daher möglichst ausgewogen vonstatten gehen.

Die Studie zeigte ferner, daß die wenigsten der Befragten vorab eine Kosten-Nutzen-Analyse machen. Selbst zur Finanzierung des Projekts erstellen nur drei Viertel der multinationalen Unternehmen einen Business Case. Dort wo dieser vorhanden war, ließen sich ERP-Projekte hingegen erfolgreich zu Ende bringen. Dabei entwickelten die Beteiligten Meßmethoden, Ziele für die Leistungsverbesserung sowie Prioritäten für Initiativen nach dem Produktivstart. Auf Basis eines sorgfältigen Projekt-Managements konnten sie potentielle Ereignisse planen und zeitlich einordnen.

Wichtig ist es auch, im Anschluß an die Implementierung die Zuständigkeiten und künftigen Rollen neu und sorgfältig zu definieren. Bestehende Projektteams sollten dabei nicht aufgelöst werden, sondern die einzelnen Prozesse weiter begleiten (Prozeßorientierung). Durch den Ausbau der ERP-Plattform etwa um EDI oder Data-Warehousing werden ihre Fähigkeiten zudem gezielt erweitert. Zugleich übertreffen diese zusätzlichen Investitionen in Anwendungen meistens den Return on Investment der ERP-Einführung.

Sehr oft konzentrieren sich Unternehmen darauf, neue Fähigkeiten zu schaffen, statt bestehende zu nutzen und auszubauen. Der überwältigende Anteil aller Vorteile bei ERP-Einführungen ergibt sich aber aus der Umstellung der Entscheidungsprozesse, nicht durch die effizientere Gestaltung der Transaktionen. Die Förderung von gemeinsamen Prinzipien nach der ERP-Installation schafft Synergien, Integrationsvorteile und ermöglicht eine kostengünstigere Implementierung.

Schließlich zeigt die Erfahrung, daß es nicht nur während der Implementierung einen Verantwortlichen für den Produktivstart geben sollte, sondern auch der zu erzielende Nutzen überprüft und gemessen werden muß. Diese Aufgabe übernehmen normalerweise der Geschäftsbereich, der Sponsor oder der Prozeßverantwortliche. Laut Studie waren insbesondere die Unternehmen erfolgreich, die spezifische Meßmethoden eingesetzt haben, um beispielsweise die laufende Leistung zu kontrollieren und die Verantwortung für das Erreichen von Ergebnissen zuzuordnen.