Noch fehlt es an Kompetenzen, aber

Der Personalchef muß zum Bildungs-Manager avancieren

03.05.1991

Auf der Basis von Praxiserfahrungen hat Integrata ein Vorgehensmodell für die Umsetzung von Bildungsmaßnahmen in Unternehmen entwickelt. Aufgrund intensiver Diskussionen mit Anwendern läßt sich für Annette Brennert ein deutlicher Trend erkennen: Der Personalfachmann ist auf dem Weg zum Bildungs-Manager und stellt sich seinen neuen Aufgaben sehr engagiert, muß aber im eigenen Hause sehr häufig noch um die notwendige Kompetenz kämpfen.

Unternehmens-, Personal- und Fachabteilungsleitungen sehen vielerorts schwierigen Zeiten entgegen. Die Nachfrage nach qualifizierten Fach- und Führungskräften, gerade auch in der Informationstechnologie, steigt stärker als das Angebot.

Von mehr als 20 000 fehlenden Mitarbeitern in Schlüsselpositionen wird bereits gesprochen, mit steigender Tendenz. Verschärft wird diese Situation noch durch neue Anforderungen in den fünf neuen Bundesländern, der Wettbewerbssituation im europäischen Binnenmarkt und durch das Anpassen der Unternehmensorganisation an Marktveränderungen. Deshalb ist das Hauptanliegen der Unternehmen heute: "Qualifizierung des vorhandenen Mitarbeiterstabes zur Bewältigung der Aufgaben von morgen."

Qualifizierung gibt es nicht zum Nulltarif

Diese Qualifizierungsmaßnahmen sind nicht zum Nulltarif zu haben. Prognosen für 1991 unter Berücksichtigung 1 der speziellen Aufgaben in Ostdeutschland gehen von rund 100 Milliarden Mark aus, so Egon Franke, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, bei den 10. Dresdner Gesprächen im November 1990, wovon rund 60 Prozent von Unternehmerseite zu tragen seien.

Immer mehr Vorstände und Geschäftsleitungen sehen diese Ausgaben als Investition in die Zukunft an, nicht als Kostenfaktor und schon gar nicht als Routineausgabe. Dadurch gewinnt der Aus- und Weiterbildungsbereich innerhalb des Unternehmens an Bedeutung und die Position der Weiterbildungsverantwortlichen muß sich verändern. Allerdings hinkt die Praxis dem sich wandelnden Markt noch hinterher. Der Leiter der Aus- und Weiterbildung ist in vielen Unternehmen noch nicht mit der notwendigen Befugnis ausgestattet. "Wir wollen keine 'Zimmervermittler' mehr sein, sondern Manager, die strategisch planen und die notwendige Kompetenz für die Umsetzung erhalten", so oder ähnlich hört man es von Personalverantwortlichen.

Dabei zeichnet sich eine deutliche Wende zum positiven Rollenbild des Personal-Managers ab. Häufig ist dies bedingt durch Reorganisationsmaßnahmen. In allen Unternehmen wird deutlich, daß strategische Ansätze Veränderungen in der Organisation bewirken. Die Organisationsform spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Durch alle Hierarchien hat sich die bereichsübergreifende Projektarbeit bewährt, weil die Komplexität der Aufgabenstellungen dies erforderte. Projektarbeit nach einem Phasenmodell hat ihren Ursprung in der Entwicklung von Anwendungssoftware.

Hier fand erstmalig die Zusammenarbeit zwischen den Fachabteilungen und der DV ohne linear-hierarchische Prinzipien statt. Zielorientiert wurde eine definierte Aufgabe gemeinsam angegangen, die Position innerhalb der Hierarchie des einzelnen Teammitgliedes war ohne Gewicht, dafür zählte aber seine Fachkompetenz; die Leitung der Gruppe lag beim Projektleiter, ohne daß dieser zum disziplinarischen Vorgesetzten wurde. Heute sind kurz-, mittel- und langfristige Projektteams in allen hierarchisch strukturierten Unternehmen eingesetzt.

Vernetzte Struktur für Firmen-Reorganisation

Durch den Einsatz der Bürokommunikation, der dafür notwendigen Vernetzung, durch den Aufbau von Datenbanken oder angestrebten unternehmensweiten Datenmodellen schaffte die Firmenleitung oftmals eine Informationslandschaft, die nicht mehr den noch vorhandenen Organisationsformen entspricht.

Hier setzen Reorganisationen an: Der Weg geht eindeutig zu einer vernetzten, systemischen Struktur. Um diese sich dann bildenden kreativen Organisationseinheiten in den Griff zu bekommen, arbeiten sehr eng drei neue Berufsbilder miteinander:

-der Informations-Manager zum Aufbau, zur Pflege und strategischen Planung der technischen Voraussetzungen (Hard- und Software),

-der Organisator zur Neuplanung von Funktionsabläufen, der Schaffung von Organisationsrichtlinien, dem Berichtswesen, der Installation von Projektteams bis hin zum leistungsgerechten Lohngefüge, und nicht zuletzt

- der Bildungs-Manager zum Aufbau der für diese Aufgaben notwendigen Ressource Mensch im Unternehmen.

Diese drei Berufsgruppen werden auf die Ebene der klassischen Bereichsleiter gesetzt und bilden mit den anderen Bereichsleitern ein (Projekt-) Team, das die Aufgabe hat, die auf der Vorstandsebene formulierten Unternehmensziele in Projektziele herunterzubrechen und bereichsübergreifend unter dem gesamtheitlichen Gesichtspunkt umzusetzen.

Dadurch lassen sich langfristig Hierarchien abbauen, zukunftsorientiert fachliche Schwerpunkte legen und ein verändertes, teamorientiertes Miteinander fördern. Bereits heute ist dieser Trend in den Stellenanzeigen für Führungskräfte abzulesen.

Neben dem kooperativen Führungsstil und der Teamfähigkeit wird von den neuen Managern ganzheitliches Denken und Handeln gefordert. Auch in der Nachfrage nach dem Schulungsangebot läßt sich erkennen, daß neben der fachlichen Qualifikation im DV-Bereich zunehmend Themen wie Projektarbeit, Kommunikation, Führung und Verhalten im Team, strategisches Informations-Management sowie Organisation im Wandel Beachtung finden.

Ein konkretes Vorgehensmodell, das bei der Umsetzung und dem Aufbau eines strategischen Bildungs-Managements hilft, läßt sich leicht skizzieren. Logische Konsequenz für strategische Planung ist der Ablauf analog zu einem Phasenkonzept.

Über die Schritte der Ist-Aufnahme (Mitarbeiterstatus) und eines Workshops zur Formulierung von Unternehmens- und Bereichszielen (Soll-Funktionen) entwickelt das Projektteam eine Qualifizierungsbedarfs-Analyse. Diese Analyse ist die Basis für ein Grobkonzept.

In dem Grobkonzept formulieren die Teilnehmer Teilziele, zeigen ein Terminraster auf und budgetieren Einzelmaßnahmen. Vor dem nächsten Schritt steht die Bildung einer Prioritätenliste. Diese Liste wird in enger Abstimmung mit der Vorstandsebene erstellt und dient der folgenden Feinplanung als Grundlage.

In der Feinplanung benennt das Projektteam modulare Bausteine, legt Inhalte fest, erstellt Personaleinsatzpläne, nimmt Raumplanungen vor und führt Verhandlungen mit externen Partnern.

Zur Realisierung gehört nicht nur die Durchführung, sondern auch die organisatorische Abwicklung und bereits die Entwicklung der einzelnen Ausbildungsbausteine. Dabei werden je nach Umfang begleitende Maßnahmen durch führt: Co-Trainer-Ausbildung für das eigene Haus (Multiplikatoren), Qualitätszirkel, Workshops, Assessment-Center, Informationsstände für die Mitarbeiter, Erstellung und Herausgabe von firmeneigenen Schulungskatalogen und Arbeitskreise zum Beispiel für den Aufbau eines Benutzerservices.

Die Projektverantwortlichen dokumentieren die Gesamtmaßnahmen, aktualisieren die Inhalte und passen sie notfalls den veränderten Anforderungen an. Diese Erfahrungen fließen in die nächsten Pläne ein und ergeben so eine Basis für das folgende Phasenkonzept.

Die Schirmherrschaft des Gesamtkonzeptes liegt im Aufgabenbereich des Bildungs-Managers eines Unternehmens. Bei erstmaliger Durchführung einer Gesamtmaßnahme (Planungsdauer in der Regel drei Jahre) hat sich der Einsatz von externen Bildungsexperten bewährt. Es rechnet sich, von den konzeptionellen Erfahrungen, den Planungshilfsmitteln und dem Pool von Referenten und vorhandenen Seminaren externer Unternehmen Gebrauch zu machen.

Für viele Unternehmen stellt sich auch die Frage nach dem Aufbau interner Kapazitäten für die zukünftigen Qualifizierungsmaßnahmen. Aktuelles Wissen läßt sich nicht auf Vorrat produzieren, deshalb müssen sich diese Fachleute permanent weiterqualifizieren. Daher werden in der Praxis häufig eigene Kapazitäten für firmenbezogenes und firmeninternes Fachwissen aufgebaut, notwendiges Spezialwissen aber eingekauft. Als Konsequenz kann das Unternehmen Planungen flexibel halten und braucht interne Kapazitäten nicht abzubauen. Letztlich wird nur die Leistung bezahlt, die man auch tatsächlich benötigt.

Die Realisierung mit einem erfahrenen externen Partner kann bis zum sogenannten Facilities Management gehen, wenn die Wirtschaftlichkeit dafür spricht. Geeignete Partner sollten nicht nur dazu in der Lage sein, sondern auch zur Umsetzung aller geplanten Maßnahmen.