Der PC-Markt ignoriert die Prognosen

24.01.2006
Die hohe Nachfrage nützt vor allem AMD, während Intel mit sich selbst beschäftigt ist.
Noch ist der Abstand zwischen den Unternehmen groß, doch konnte AMD zumindest beim Umsatz etwas aufholen.
Noch ist der Abstand zwischen den Unternehmen groß, doch konnte AMD zumindest beim Umsatz etwas aufholen.
Während Intels Börsenwert im Jahresverlauf stagnierte, hat sich der Kurs des AMD-Papiers mehr als verdoppelt.
Während Intels Börsenwert im Jahresverlauf stagnierte, hat sich der Kurs des AMD-Papiers mehr als verdoppelt.

Drei Konstanten haben in der Vergangenheit das PC-Geschäft geprägt: Marktforscher lagen mit ihren Prognosen daneben, die Gewinnspannen der Hersteller schrumpften, und Intels Stellung war sicher. Zumindest Letzteres gilt seit rund einem Jahr nicht mehr, denn AMD macht kontinuierlich Boden gut, hat einige neue Produkte vor dem Altmeister auf den Markt gebracht und sich an der Börse zum Liebling der Anleger entwickelt. Intel hingegen schloss das vierte Quartal 2005 schlechter als erwartet ab und veröffentlichte zudem eine pessimistische Prognose, was den Aktienkurs einbrechen ließ. Der Mitte Mai inthronisierte CEO Paul Otellini agierte bislang glücklos, legt man die Entwicklung an der Börse zugrunde: rauf, runter, rauf, runter.

Hier lesen Sie …

• wie sich der PC-Markt 2005 entwickelt hat;

• warum AMD eine reale Bedrohung für Intel darstellt;

• welchen Marktanteil der kleine Konkurrent hat und welchen er anstrebt;

• wieso die Börse Intel fallen ließ.

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www.computerwoche.de/go/

571023: Intels schwarzes Quartal;

571083: Gute Zahlen von AMD;

570539: AMDs Weg in die Wohnzimmer;

570619: Intels Viiv-Initiative;

570748: Digitaler Lifestyle;

570758: Gerüchte zur Allianz Dell-AMD.

Mit der Entwicklung des PC-Marktes kann Intel seine Schwäche nicht begründen: Das Umfeld entwickelt sich besser als erwartet. Im vergangenen Juni hatte Gartner Dataquest für das Jahr 2005 den Absatz von knapp 203 Millionen PCs vorhergesagt, für 2006 waren 219 Millionen Rechner angepeilt. Stattdessen wurden weltweit im Jahr 2005 rund 218,5 Millionen PCs verkauft, wie Gartner vorige Woche bekannt gab. Der Anstieg belief sich auf 15,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Korrekturbedarf

Die Konkurrenz von IDC hatte im vergangenen März sogar noch die Absatzprognose für den weltweiten PC-Markt auf 195 Millionen Systeme beziehungsweise einen Zuwachs um knapp zehn Prozent reduziert. Im Lauf des Jahres mussten die Marktforscher ihre Erwartungen mehrmals nach oben korrigieren, um letztlich immer noch knapp daneben zu liegen. Nach vorläufigen Berechnungen zählte IDC im PC-Markt 2005 einen Anstieg um 16,4 Prozent auf 208,6 Millionen verkaufte Geräte.

Während IDC lediglich Zahlen für die einzelnen Hersteller nannte, verkündete Gartner zudem eine interessante Entwicklung: Erstmals lagen die Verkäufe in der Region Emea (Europa, Naher Osten, Afrika) über denen in den USA. Wurden in den Vereinigten Staaten im Jahr 2005 rund 67 Millionen PCs ausgeliefert, konnten die Emea-Lieferanten 72,6 Millionen Rechner absetzen. Das stärkste Wachstum verzeichneten Asien (ohne Japan) und Lateinamerika mit jeweils 26 Prozent. Die Emea-Region legte um 17 Prozent zu, der USA-Markt wuchs um schwache 7,5 Prozent.

Stillstand an der Spitze

Gepflegte Langeweile herrscht wie gewohnt in der Rangliste der Anbieter. Dell lag weltweit vor Hewlett-Packard (HP), in Emea war es umgekehrt. Die Texaner wuchsen in beiden Regionen schneller als HP, Acer gewann in der Spitzengruppe jeweils am meisten hinzu. Überraschungen sucht man hier vergebens.

Spannend wie noch nie verläuft jedoch das Rennen um die Kunden im CPU-Segment, dem eigentlichen Herzstück aller PCs. Hier hat sich Intels jahrelange One-Man-Show in ein Duell verwandelt, auch wenn die Waffen immer noch nicht gleichmäßig verteilt sind. Während Intel einem ausgewachsenen Dobermann gleicht, erinnert AMD an einen wild gewordenen Dackel, der umherspringt, kläfft und so die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Der Dobermann wiederum ist sich nicht sicher, ob er den Rivalen wegbeißen oder ignorieren soll - beides ist längst nicht mehr so einfach wie früher.

Zudem kann AMD Erfolge vorweisen, die hellhörig machen: Angaben des Herstellers zufolge stieg der Anteil am CPU-Markt im vierten Quartal 2005 auf 15,3 Prozent nach 9,6 Prozent im Vorjahreszeitraum. Ein Analyst bezeichnete dies als "durchgreifendste Veränderung im Prozessorgeschäft der vergangenen acht Jahre". Intels Umsatz wuchs im vierten Quartal um sechs Prozent, AMD legte um 45 Prozent zu. Intels Aktie verlor vergangenen Mittwoch über zehn Prozent, AMD-Papiere stiegen am Donnerstag um über zehn Prozent. Hinzu kam, dass Intel die eigenen, noch im Dezember verkündeten finanziellen Ziele für den Umsatz und den Profit verfehlte.

Rasche Besserung ist nicht in Sicht: Sequenziell geht AMD von einem leichten Rückgang der Einnahmen im laufenden Berichtszeitraum aus, Intel erwartet ein Minus von acht Prozent. Dies wären drei Prozentpunkte mehr als saisonal üblich. Wenn sich AMDs Prognose erfüllt, bedeutet dies einen Umsatzanstieg im Jahresvergleich um 70 Prozent. Betrachtet man nur die CPU-Sparte von AMD und lässt die ausgegliederten Speicherchips ("Spansion") außer Acht, belief sich der Umsatzanstieg im jüngsten Quartal sogar auf 79 Prozent. Der Aufsteiger rief das Ziel aus, im Jahr 2009 einen PC-Marktanteil zwischen 25 und 30 Prozent zu erreichen.

Sollte sich der kleine Rivale tatsächlich weiter im Markt etablieren, ist das traditionelle Preisdiktat von Intel in Gefahr. Offensive Kostensenkungen, die bislang als gezielter Angriff gegen den Aufsteiger genutzt wurden, müssten dann dauerhaft und über alle Chiplinien zur Verteidigung der eigenen Stellung herhalten. Verhandlungen mit Lieferanten werden schwieriger, auch weil die Alternative im Ruf steht, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.

Zudem genießen AMD-CPUs in der PC-Spielergemeinde hohes Ansehen, einige Kunden kaufen aus Prinzip nicht beim Marktführer, und auch im Server-Segment legte der kleine Konkurrent mit den "Opteron"-Chips ein überzeugendes Produkt vor. Dass sich sogar Dell für AMD-Prozessoren öffnen wolle, wie derzeit allerorten kolportiert wird, ist nur ein Beispiel, wie PC- und Server-Hersteller den Verhandlungsdruck auf den Marktführer steigern können. Nicht auszudenken, sollte Dell tatsächlich dazu übergehen, AMD-Prozessoren zu verbauen.

Intels Midlife-Krise

Ohne das margenstarke PC-Geschäft in der Hinterhand wird es für Intel schwer, die Erwartungen der Investoren zu erfüllen. Neue Initiativen wie das digitale Gesundheitswesen, die Kfz-Elektronik oder das digitale Wohnzimmer können gegebenenfalls erfolgreich verlaufen, sie werden jedoch niemals die Margen und das Volumen des früheren Monopols im PC-Markt erreichen. Ein weiterer Analyst zog Parallelen zur Midlife-Krise eines 40-jährigen Mannes: Dieser spüre allmählich die Auswirkungen des Alters, könne sich aber noch an bessere Zeiten erinnern. Intel hat vor genau 35 Jahren seinen ersten Mikroprozessor vorgestellt.

Hinzu kamen zuletzt handwerkliche Fehler des Konzerns. Die Nachfrage nach PCs wurde unterschätzt, Kapazitätsengpässe etwa bei Chipsätzen waren die Folge. Jedoch hat auch diese Betrachtung wie immer zwei Seiten: Intel strich im abgeschlossenen Geschäftsjahr einen Nettogewinn von 8,66 Milliarden Dollar ein, AMD kam im gleichen Zeitraum auf einen Umsatz von 5,85 Milliarden Dollar.

Jammern auf hohem Niveau

Dem Marktführer eine ernste Krise anzudichten zielt daher an der Realität vorbei. Jedoch hat CEO Otellini immer noch nicht die Frage beantwortet, wie der Konzern künftig ähnlich profitabel wachsen will wie einstmals. Jedenfalls wird sich Intel hüten, den renitenten Zwerg AMD zu unterschätzen. So ist nach Angaben der Marktforscher von Current Analysis der amerikanische Einzelhandel (ohne Direktversender wie Dell) für Desktops inzwischen gekippt. Laut der Untersuchung wurden 52 Prozent der Tischrechner im Abschlussquartal mit AMD-Prozessoren ausgeliefert. Das von Intel ins Feld geführte Argument, die schwache Desktop-Nachfrage habe das Ergebnis im vierten Quartal verhagelt, wurde von Current Analysis relativiert: Demnach wuchs das Desktop-Retail-Segment in den USA um 13,4 Prozent.

Nachtrag: Glaubt man den Prognosen der Marktforscher, sinkt das Wachstum im PC-Markt im laufenden Jahr auf zirka zehn Prozent. Und Intel wird Analysten vorerst nicht mehr zur Mitte eines Quartals über die finanzielle Entwicklung des Konzerns unterrichten. Dies wäre zumindest ein Anfang, um Ruhe in den aufgewühlten Konzern zu bringen. (ajf)