Gimmick oder sinnvolle Plattform?

Der Nutzen von Linux für PDAs

11.01.2002
Der persönliche Assistent - in diesem Fall der digitale - gehört zur Standardausstattung vieler Arbeitsplätze. Doch für die Unternehmen ist sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Von Jan Gottschick*

Mit firmenspezifischer Software versehen, lassen sich Preise kalkulieren, Aufträge buchen, Reisekosten abrechnen oder einfach nur Daten erfassen. Solch proprietäre Applikationen können auf derzeit gängigen PDA-Betriebssystemen durchaus schon mal mit 250000 Mark Entwicklungskosten zu Buche schlagen.

Hinzu kommt das Problem der Integration der mobilen Geräte in die Unternehmensinfrastruktur, ein Muss für den kosteneffizienten Einsatz. Gegenwärtig sind der Abgleich von Daten, die Installation neuer Programme und die Sicherung der Daten für Anwender und Systemadministratoren zeitaufwändige Vorgänge. Eine zentralisierte Lösung für die vereinfachte Synchronisation der gespeicherten Information und für die Installation von Software wird benötigt.

Eine einheitliche PlattformWer glaubt, die auf dem Desktop ohnehin vorhandene Windows-Software brächte bezahlbare Lösungen, wird enttäuscht. Aufgaben also für den Pinguin? Linux bietet sich tatsächlich sowohl für die preiswerte Erstellung firmenspezifischer Software an als auch für die Integration der mobilen Assistenten in das Unternehmensnetz und seine zentrale Administration. Zwar hat ein PDA-Linux gegenüber der Vollversion eingeschränkte Funktionalitäten, doch sind die benötigten Programmierschnittstellen auf allen Plattformen weitestgehend gleich. Ein Linux-Entwickler findet sich sofort zurecht.

Nach jahrelangem Warten kann man Linux-PDAs tatsächlich käuflich erwerben. Es gibt drei Optionen. Variante eins: Man kaufe sich einen Standard-PDA. Hier bieten sich der "Ipac 36xx" von Compaq und der "Palm Vx" von Palm Computing an. Diese Geräte werden indes nicht direkt mit Linux vorinstalliert ausgeliefert. Also heißt es, obendrein eine passende Linux-Distribution zu erstehen (beispielsweise über das Internet) und zu installieren.

Die zweite Option besteht darin, einen der erwähnten PDAs mit vorinstalliertem Linux zu bestellen. So bietet beispielsweise die Firma Lisa in Hamburg den Ipaq mit eigener Linux-Distribution an. Seit diesem Jahr gibt es überdies eine dritte Alternative: PDAs, die direkt mit Linux vorinstalliert und ausschließlich unter Linux betrieben werden, wie der "Agenda VR3" von Agenda Computing, der "Helio" von VTech und der "SL-5000" von Sharp.

Für welche Option sich der Anwender entscheidet, hängt im Wesentlichen von der erforderlichen Hardware ab. Neben den Kosten spielt auch die Erweiterbarkeit eine Rolle. Denn nicht selten muss der PDA mit Zusatzhardware, beispielsweise einem Barcodeleser, ausgestattet werden, um sich für spezifische Aufgaben im Unternehmen verwenden zu lassen.

Auch wenn Linux bei weitem nicht eine so stattliche Auswahl wie die 8000 Applikationen eines Palm vorweisen kann: Anwendungen gibt es inzwischen reichlich. Funktionalität und Qualität sind zwar noch eingeschränkt, doch zumindest QT/Embedded-Applikationen mit QPE oder Pocket-Linux ermöglichen einen professionellen Einsatz. Die Identifikation von Umlauten bei der Handschriftenerkennung und die Synchronisation zwischen PDA und PC stellen hingegen Schwächen dar.

Für die Entwicklung eigener Anwendungen ist ein Linux-PDA reizvoll. Insbesondere für die grafische Ausgabe der Applikationen bietet Linux dabei eine Reihe interessanter Optionen. Entwicklungen wie "Nano-X/Microwindows" von Century Software und der "Tiny-X-Server" vom Xfree-Projekt bieten eine X-Windows kompatible Schnittstelle zur einfachen Portierung. Mit dem "Fast Light Toolkit" (FLTK) lässt sich die grafische Oberfläche komfortabel programmieren.

Anwendungen, die für die grafische Oberfläche KDE mit dem Toolkit "QT/Embedded" von Trolltech geschrieben sind, werden für den PDA einfach neu übersetzt. Ein Umprogrammieren ist nur dann erforderlich, wenn Optimierungen bezüglich der Bildschirmausgabe oder Bildschirmgröße oder spezieller Desktop-Operationen von KDE notwendig sind. Die vorhandenen Entwicklungswerkzeuge von KDE für die Oberflächengenerierung und zum Debugging lassen sich weiter nutzen - demnächst sogar zum Remote-Debugging des PDAs.

Dann wird die zu testende Anwendung auf dem PDA laufen, während die Ausgabe des Debuggers auf dem Entwicklungsrechner erfolgt; das ist im Regelfall ein normaler PC. Doch auch die bei Red-Hat-Systemen beliebte Gnome-Oberfläche wird unterstützt: Mit der Grafikbibliothek "GTK+" vom DirectFB-Projekt steht demnächst eine grafische Bibliothek zur Portierung von Gnome-Anwendungen auf PDAs zur Verfügung.

Wenn es um besonders kurze Entwicklungszeiten geht, bieten Linux-PDAs noch weitere Optionen. Das Projekt "Pocket-Linux" von Transvirtual Technologies beispielsweise verfolgt den Ansatz, alle Applikationen in Java zu schreiben. Ausgaben für die grafische Oberfläche werden über eine XML-Beschreibung erzeugt.

Linux senkt EntwicklungskostenAuch am Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) wird im Rahmen des "Mobile-Genie"-Projektes an innovativen Techniken zur Applikationsprogrammierung gearbeitet. Mit seiner "Internet Inside Technologie" werden die Ausgaben über einen speziellen WAP-Browser erzeugt. Die Anwendungen selbst stellen dann Plugins für einen kleinen Web-Server auf dem PDA dar. Die Einsparungen in der Entwicklungszeit sind durch diese Web-Architektur enorm.

Last but not least bietet Open Source auch für die Integration der kleinen Assistenten in das Unternehmensnetzwerk Technologien. Basierend auf dem Standard SyncML lässt sich in den Unternehmen eine Synchronisations-Infrastruktur aufbauen. Nur so werden sich schließlich die mobilen Anwendungen als Teil des Intranets und der Unternehmensanwendungen plattformübergreifend etablieren können.

Die Zeit ist also reif, mit den eigenen Entwicklungen zu beginnen und den nutzbringenden Einsatz von Linux im Unternehmen zu planen. Wieder einmal werden die Kosten für oder gegen den Einsatz von Linux auf dem PDA entscheiden. Gemeint sind diesmal aber nicht die Lizenzkosten, sondern vielmehr die Entwicklungskosten für unternehmensspezifische Applikationen. Und diese sprechen für den Pinguin.

*Jan Gottschick ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) in Berlin.

LinksPortal für Linux auf PDAs:

www.handhelds.org

Portal für Linux auf mobilen Systemen:

www.mobilix.org

Familiar-Distribution mit Tiny-X11-Server:

http://familiar.handhelds.org

Programmierbibliothek Fast Light Toolkit:

www.fltk.org

Programmierbibliotheken für Framebuffer und GTK+:

www.directfb.org

Java-basierendes Linux für PDAs:

www.pocketlinux.org

Programmierbibliothek QT-Embedded und QPE:

www.trolltech.com/products/qt/embedded

Distribution Pixil:

http://embedded.censoft.com

Programmierbibliothek Microwindows/Nano-X:

www.microwindows.org

Distribution für den Palm III/V:

www.linuxda.com/download/index.html

Agenda VR3:

www.agendacomputing.de

Helio:

http://vtechinfo.com

SHL-5000:

www.sharp.de

Distribution für den iPAQ:

www.lisa.de

PDA für das Volk:

www.simputer.org

Internet Inside Technology:

www.mobilegenie.de