ISDNISDN als Königsweg ins LAN

Der neuen Tarifstruktur ein Schnippchen schlagen

11.10.1996

Die Telekom ist offenbar entschlossen, ihre führende Position bei ISDN zu halten und auszubauen. Für Remote-Access-Anwendungen bedarf es jedoch der massiven Förderung nicht, denn die Vorteile von ISDN sprechen schon allein für sich. Der ausschließlich historisch bedingte Umweg über Digital-/Analog- und wieder Analog- /Digital-Wandlung kann entfallen - eine wesentlich höhere Geschwindigkeit, mehr Komfort und Zuverlässigkeit sind die Folge.

Remote Access, der Zugriff aus der Ferne, wird verschiedentlich benötigt: Mitarbeiter müssen sich von einer Zweigstelle oder der eigenen Wohnung aus ins Firmennetz einloggen, Außendienstmitarbeiter bekommen ihre Informationen über ihren elektronischen Briefkasten zugeschickt, Servicetechniker versorgen sich unterwegs mit aktuellen Treibern.

Ebenso vielfältig sind die Zugangswege, vom ISDN-Anschluß über Modems an einer Telefonleitung bis zu Mobilfunkverbindungen (vgl. Abbildung 1). ISDN bietet sich vor allem für Verbindungen zwischen immer gleichen Standorten an, aus der Zweigstelle oder dem Büro zu Hause.

Technisch gesehen gibt es keinen Grund, neben ISDN Modems zu betreiben, doch vorerst sind nicht alle Kommunikationsziele per ISDN zu erreichen. Das trifft nicht nur auf den Großteil der Verbindungen mit dem Ausland zu. Innerhalb Deutschlands steht der Dienst zwar flächendeckend zur Verfügung. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß alle Kommunikationspartner schon daran angeschlossen sind.

Für die Anbindung des lokalen Netzes an ISDN gibt es im wesentlichen zwei Verfahren: die interne, bei der der File-Server die Kommunikationsaufgabe mit übernimmt, und die externe, bei der ein eigener Kommunikations-Server zwischen externem Teilnehmer und lokalem Netz vermittelt.

Ausschlaggebend für eine Entscheidung für eine der beiden Methoden ist vorrangig die Netzgröße und das damit verbundene Sicherheitsbedürfnis.

Der File-Server mit Nebentätigkeit kommt in kleineren Netzen zum Einsatz, wo es zumutbar ist, den Server für eine Weile abzuschalten, um eine Karte einzubauen und die Software zu konfigurieren. Diese Lösung ist vergleichsweise preiswert und außerdem platzsparend. Doch gibt es hier auch Nachteile: Sollten schwerwiegende Störungen bei der Fernkommunikation auftreten, können sie den File-Server zum Absturz bringen.

Außerdem ist es schwieriger, Eindringlinge fernzuhalten, denn bereits nach dem Überwinden der ersten Hürde haben sie den unmittelbaren Zugang zum File-Server.

Eine solche Lösung muß selbstverständlich auf das jeweilige Betriebssystem zugeschnitten sein. Im Fall eines Netware-Servers ist dazu im allgemeinen auch der Multiprotokoll-Router (MPR) von Novell erforderlich, doch kommen andere Geräte wie beispielsweise LAN Access von Microcom ohne MPR aus, da die Router-Funktionalität dort schon enthalten ist.

Ein Stellvertreter-PC im LAN notwendig

In einem Netz, das groß genug ist, um einen Netzverwalter ganztags zu beschäftigen, wird dieser daher eine Lösung außerhalb des File- Servers fordern. Dabei handelt es sich dann um ein Gerät, das wie eine Arbeitsstation in das Netz eingebunden ist fällt sie aus, fehlt nur ihre Funktion, der restliche Betrieb des LANs wird nicht beeinträchtigt. Damit es nicht zu Störungen kommt beziehungsweise deren Ursache schnell gefunden werden kann, ist die Einbindung in das Netz-Management, bevorzugt über Simple Network Management Protocol (SNMP), notwendig.

Die Zahl der Fernteilnehmer ist dagegen für die Art des Zugriffs von Bedeutung. Aber auch Sicherheitsaspekte und die Anforderungen der Anwendung spielen jeweils eine wichtige Rolle. Um den Datenverkehr auf der Fernleitung so gering wie möglich zu halten, wurden Remote-Control-Programme entwickelt. Dabei steht ein Stellvertreter-PC im LAN, dessen Tastatur und Maus funktionell in die Ferne verlagert wurden und dessen Bildschirminhalte zum Rechner des Fernanwenders übertragen werden. Abgesehen davon, daß die Bildschirminhalte heutiger grafisch orientierter Anwendungen mengenmäßig umfangreichen Dateien in nichts nachstehen, ist eben normalerweise für jeden externen Teilnehmer auch ein Stellvertreter-PC im LAN erforderlich, auf dem die gesamte Verarbeitung stattfindet.

Demgegenüber macht ein entfernter Knoten den fernen Rechner zur Netzstation, die die ganze Last der Verarbeitung tragen muß. Der gesamte Verkehr aus dem LAN, der für diesen Arbeitsplatz bestimmt ist, wird nun durch die Kommunikationsverbindung geschickt. Das empfiehlt sich vor allem bei Applikationen wie moderner Client- Server-Software, die nicht auf eine ständige Kommunikation mit dem Server angewiesen sind.

Diesen Anwendungen kommt ISDN besonders entgegen, denn ISDN ist nicht nur schnell bei der Datenübertragung. Gravierender noch ist der Unterschied zu Modemverbindungen beim Aufbau. Gut zehn Sekunden brauchen Modems unter günstigsten Bedingungen, bis die Verbindung steht. Mindestens eine Tarifeinheit ist damit schon verbraucht, ohne daß nur ein Bit Nutzdaten die Leitung erreicht hätte.

Verbindung für kurze Zeit stillegen

Eine ISDN-Verbindung braucht unter gleichen Bedingungen weniger als eine Sekunde zum Aufbau. Sie wird daher nicht länger aufrechterhalten, als zum Übertragen der Daten notwendig ist. So kann man mit ISDN der seit Jahresbeginn geltenden Tarifstruktur der Telekom doch ein Schnippchen schlagen, denn nun lohnt sich das Stillegen einer Verbindung schon für kürzere Zeit. Der Short-hold- Modus von ISDN sorgt dafür, daß die Verbindung aus Sicht der Anwendungen logisch erhalten bleibt.

Allerdings müssen die in lokalen Netzen üblichen Verwaltungsinformationen ausgefiltert und nachgebildet werden, damit keine unnötige Fernverbindung aufgebaut wird oder eine bestehende verlorengeht, weil erwartete Nachrichten ausbleiben. Dieses sogenannte Spoofing erfordert genaue Kenntnisse der internen Kommunikation der Netz-Betriebssysteme, wobei die eleganteste Lösung darin besteht, als unverzichtbar erkannte Nachrichten den Nutzdaten anzuhängen.

Remote-Node-Lösungen lassen sich leichter erweitern als Remote- Control-Installationen. Ein RAS-Server (Remote Access Service) unter Windows NT zum Beispiel kann Hunderte mobiler Anwender bedienen. Der RAS-Server reicht lediglich den Netzverkehr an den fernen Rechner weiter und nimmt Daten von dort entgegen. Da die gesamte Verarbeitung auf dem mobilen Rechner stattfindet, ist bei Erweiterungen der Teilnehmerzahl allenfalls zusätzlicher Speicher im RAS-Server erforderlich. Programme für Remote Control haben demgegenüber meist weniger Funktionen als Remote-Node-Pakete, sind dafür aber einfacher zu bedienen und billiger.

Während man noch mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen kann, daß zumindest die geschäftlichen Teilnehmer in nicht allzu ferner Zukunft ihre Datenkommunikation auf ISDN umstellen werden, ist die Entwicklung im Faxbereich noch unklar. Der erheblich höhere Preis von 6000 bis 8000 Mark der digitalen Gruppe-4-Geräte wiegt aus der Sicht der Anwender offenbar noch schwerer als ihr Nutzen durch kürzere Übertragungszeiten und bessere Auflösung. Mit zunehmender Verbreitung von ISDN und der Einbindung in lokale Netze dürfte sich diese Situation jedoch etwas ändern.

Netzwerkfähige Kommunikationspakete ermöglichen die automatische Verteilung eingehender Faxe direkt zum Empfänger. Der kann dann selbst entscheiden, ob er das Fax ausdruckt, wofür ein gewöhnlicher Printer genügt. Ein dediziertes Faxgerät ist dafür nicht notwendig.

Faxversand der Hardware überlassen

Weltweit werden jedoch auf absehbare Zeit die Gruppe-3-Geräte das Bild bestimmen. Zwar können ISDN-Kommunikationspakete in der Regel auch Faxe an diese Geräte versenden, doch meist nicht mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit. Mit zunehmender Entfernung schlagen die höheren Übertragungskosten für niedrigere Geschwindigkeiten entsprechend stärker zu Buche. Schon bei einer Entfernung von 200 Kilometern ist der Versand von fünf fünfseitigen Faxen am Tag mit 14400 Baud pro Jahr etwa 1300 Mark billiger als mit 9600 Baud (vgl. Abbildung 2). Eine Softwarelösung, insbesondere wenn sie mit einer passiven Karte betrieben wird, belastet immer den Hauptprozessor des PC und wenn die Karte im File-Server steckt, kann man sich ausmalen, welche Auswirkungen das auf den Netzbetrieb hat.

Wer nicht nur bei Faxen auf Kommunikation mit analogen Partnern angewiesen ist, sondern auch bei der Datenübertragung, braucht dann aber doch wieder ein Modem, denn V.34-Leistungen plus Datenkompression überfordern selbst den schnellsten PC. Wenn man also um Hardware ohnehin nicht herumkommt, dann kann man ihr auch den Faxversand mit überlassen. Für professionelle Lösungen bietet sich daher die Integration von Modemhardware auf einer aktiven ISDN-Karte an.

Und weil bei ISDN schließlich das "I" von Integration an erster Stelle steht, sollte eine Möglichkeit zur computerunterstützten Telefonie wenigstens als Option vorhanden sein.

ANGEKLICKT

Bei Remote-Access-Anwendungen sprechen die Vorteile des ISDN für sich. Eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten auch über Modems oder Funkverbindungen etc. machen ISDN in Deutschland und darüber hinaus verfügbar. Sicherheitsaspekte sprechen für Zusatzgeräte außerhalb von File-Servern. Ein "Spoofing" kann hierzulande zu beachtlichen Kosteneinsparungen beitragen.

*Stefan Gieseler ist Geschäftsführer der Micro Commu nications GmbH, Dortmund, der deutschen Niederlassung von Microcom. USA.