USA: Veränderte Entscheidungsprozesse bei der PC-Beschaffung

Der Name IBM ist kein Kaufgrund mehr

12.08.1988

MENLO PARK (IDG) - Die Vertriebsmannschaft der IBM Corp. verliert nicht nur in den Computershops an Boden, sondern auch bei PC-Großkunden. Nach Prognosen der IDC wird in den USA Big Blues Marktanteil, der bereits voriges Jahr um 15 Prozent gesunken ist, 1988 noch schneller zurückgehen. Denn der Name IBM allein reicht als Kaufargument nicht mehr aus.

Die Marktforscher der International Data Corp. (IDC) stellten bei ihren Untersuchungen fest, daß der Einfluß der DV-Chefs bei der Beschaffung von PCs immer weiter abnimmt. Die Entscheidung, welche Marke gekauft wird, verlagere sich zunehmend in Richtung Endbenutzer: Heute erwarte ein Unternehmen von seinem PC-Manager die technische Evaluation von neuen Rechnern, während die Anwender in den Fachabteilungen das letzte Wort beim Kauf hätten. Diese Dezentralisierung des Einkaufs habe dazu geführt, daß Clone-Hersteller gegenüber der IBM Boden gewannen.

Von der Zeitschrift "Infoworld" befragt, empfahlen Informationsmanager aus amerikanischen Unternehmen dem Marktführer, des Preis-Leistungs-Verhältnis seiner PS/2-Baureihe zu verbessern. Nur so könne Big Blue Marktanteile zurückerobern. Rick Parker, Leiter des Information Center der Allied Signal Aerospace in Los Angeles, betrachtet das Thema kaufmännisch: "IBM Manager Bill Lowe versprach uns vor vier Monaten mehr Leistung fürs Geld. Wenn PS/2 billiger wird, kaufen wir wahrscheinlich wieder bei IBM." Sein Kollege Ivan Brass, Direktor für Informationssysteme bei der Bank Manufacturers' Hannover Trust in New York, sieht bei Big Blue Anpassungsprobleme an die veränderte (Anwender-) Umwelt.

"True blue" denkt hingegen der hausinterne DV-Marktforscher der Southern California Gas Co., Robert Holmes: "Wenn wir 50 Clones kaufen, können wir vielleicht 50 000 Dollar sparen. Dieser Vorteil kann aber sehr schnell durch Inkompatibilität zunichte gemacht werden." Für Rick Parker zieht dieses Argument nicht: In der DOS-Welt sei Kompatibilität nun wirklich kein Thema mehr. Bei Allied Signal stammten mehr als 50 Prozent der PCs nicht von der IBM. Ändern werde sich dies allenfalls, wenn sich herausstellen sollte, daß die kommende Extended Edition des neuen Betriebssystems OS/2 nur auf IBM-Geräten einwandfrei läuft.

Einig sind sich die PC-Profis darin, daß der Blaue Riese es in der Hand hätte, die Abwanderung zu anderen Herstellern zu bremsen. Möglich wären hier eine aggressivere Preisgestaltung und eine Sortimentspolitik, die flexibler auf die technische Weiterentwicklung reagiert. Die Wettbewerber im Preis zu unterbieten, dürfte Big Blue nicht schwer fallen, meint der DV-Chef einer kalifornischen Bank: "Wenn die IBM die auf dem Markt knappen 386er- und Memory-Chips selbst produzierte, könnte auf der Kostenseite kein Konkurrent mithalten."