Der Nächste, bitte!

29.10.2008
Die Fluktuation in den Chefetagen steigt. Dies zwingt viele IT-Manager, laufend mit wechselnden Vorgesetzten klarzukommen. Nur wer die Spielregeln der Neuen rasch durchschaut, gewinnt sie für sich - und für die eigenen Ziele.

Nicht schon wieder! Viele IT-Manager stöhnen, weil ihnen wieder einmal ein neuer Boss vor die Nase gesetzt wird. So waren die Kollegen bei IBM Deutschland etwa allein seit 2003 mit vier verschiedenen Geschäftsführern konfrontiert (Erwin Staudt, Walter Raizner, Johann Weihen, Martin Jetter). Bei Microsoft mussten die Mitarbeiter hierzulande seit 2002 mit drei verschiedenen Deutschland-Chefs klarkommen (Kurt Sibold, Jürgen Gallmann, Achim Berg).

Das Jobkarussell dreht sich schneller

Auch in anderen Firmen dreht sich das Personalkarussell immer schneller. In den deutschsprachigen Ländern wechselten im vergangenen Jahr 19,7 Prozent der Führungsspitzen, wie die Unternehmensberatung Booz & Company unter den 300 größten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ermittelte. Noch krasser ist die Lage in der IT-Industrie. Hier wurden 28 Prozent aller Geschäftsführer oder Vorstandschefs ausgewechselt. Ein Jahr zuvor waren es "erst" 17 Prozent. Das Signal steht weiterhin auf schnellen Wechsel. So lässt die derzeitige Finanzmarktkrise auch für 2008 und 2009 größere Fluktuationen in allen Branchen erwarten.

"Die Chefetagen werden zum Durchlauferhitzer von Führungskräften", sagt Rainer Neubauer, Geschäftsführer der Metaberatung in Düsseldorf. Doch das Personalkarussell dreht sich nicht nur auf den Teppichetagen, sondern auf allen Hierarchieebenen - wegen Umstrukturierungen, Internationalisierung, Stellenabbau, Fusionen und internen Versetzungen quer durch Abteilungen, Funktionsbereiche und Standorte. Besonders in der IT regiert bei Neueinstellungen ein Kurzfristdenken. "Unternehmen kaufen Kompetenzen ein, die momentan gefragt sind", so Neubauer. "Hat jemand seine Aufgabe erfüllt, wird er durch einen anderen ersetzt, der für die neue Situation besser geeignet ist."

IT-Managern verlangen diese häufigen Wechsel höchste Flexibilität ab. "Wer in ein, zwei Tagen das Führungsverständnis des Chefs nicht herausgefunden hat, wird im Wettbewerb der Teamkollegen zurückfallen", warnt Professor Christian Scholz, Direktor des Instituts für Managementkompetenz der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. "Denn nur Mitarbeiter, die die Spielregeln des neuen Chefs kennen, können sich richtig positionieren."

Dabei gilt es, von Anfang an alle Chancen zu nutzen. Schon beim Kennenlernen in der Vorstellungsrunde lässt sich ein erster Anker setzen, indem man dem Neuen gegenüber die eigene Aufgabe und Rolle im Team darstellt. "Es schadet auch nicht, in dosierter Form auf eigene Stärken hinzuweisen", sagt Lars Schmidt, Personalchef des Klingeltonherstellers Jamba in Berlin. "Es geht darum, sich schnellstmöglich zu positionieren, ohne das anfängliche Machtvakuum des Neuen karrieregeil auszunutzen", so der Psychologe.

"Chemiefaktor" herausfinden

Wer punkten will, sollte schnell herausfinden, welche Aufgabe sein Chef im Unternehmen erfüllen soll. Stellt sich etwa heraus, dass er für schnelle Ergebnisse eingestellt wurde, sollte man ihn genau damit versorgen. Kommunikation ist dabei das A und O. "Vorbei sind die Zeiten, in denen die Arbeit von Beschäftigten für sich gesprochen hat. Heute muss jeder Mitarbeiter auf seine Leistungen extra hinweisen", so Neubauer. Auch introvertiertere Kollegen sollten also über ihren Schatten springen. "In einem Vier-Augen-Gespräch können sie ihrem Chef den eigenen Beitrag zum Teamerfolg erklären", empfiehlt der Berater.

Was will der Neue?

Zudem lohnt es sich, zu prüfen, wie der Chef tickt. "Personen, die dieselben Werte teilen, kommen per se schnell miteinander klar", so Neubauer. Und wer die Wertunterschiede zwischen dem Chef und sich herausgefunden hat, schützt sich vor Frustrationen. Wer weiß, dass sein Chef keinen Wert darauf legt, Anerkennung zu zollen, wird es nicht persönlich nehmen, wenn er nicht gelobt wird.

Vorreiterunternehmen bieten in solchen Situationen Hilfe. Klar definierte Arbeitsanweisungen und Führungsleitlinien sollen Vorgesetztenwechsel erleichtern. Die Softwareschmiede SAP etwa prüft bereits bei der Rekrutierung ihres Führungsnachwuchses dessen Talente im Umgang mit wechselnden Chefs. So kann eine Aufgabe in Bewerbergesprächen lauten: Erklären Sie mal, welche Probleme Sie bisher mit einem Ihrer Chefs hatten und wie Sie sie gelöst haben.

Der Vorzug von IT-Managern: "Sie sind durch die ständige Projektarbeit daran gewöhnt, sich blitzschnell auf neue Situationen einzustellen", lobt Martin Wehrle, der als Kommunikationstrainer im schleswig-holsteinischen Jork Mitarbeiter verschiedener Branchen im Umgang mit Vorgesetzten schult. "Diese Flexibilität können sie im Umgang mit einem neuen Chef nutzen."

Trotz solcher Vorzüge und guter Vorsätze: Nicht immer läuft alles glatt im neuen Gespann. Mancher Angestellte schiebt Probleme in der Zusammenarbeit dann allzu gern seinem Vorgesetzten in die Schuhe. "Schuldzuweisungen helfen jedoch nicht weiter", warnt Wehrle. Sein Appell: Von Anfang an sollte die untere Ebene die Verantwortung für eine fehlerfreie Kommunikation selbst übernehmen. Wirft der neue Chef bei einem Auftrag ein "Eilt ja nicht" in den Raum, sei es sinnvoll, nach dem Abgabetermin zu fragen. Der frühere Chef mag zwei Wochen gemeint haben, der neue zwei Tage.

Probleme offensiv angehen

Ist etwas schiefgelaufen, sollte man nicht gleich zur Tagesordnung übergehen, sondern den Chef darauf ansprechen, "auch wenn er wenig Zeit hat", so Wehrle. Schildern Sie die eigene Sichtweise ("Ich hatte das so verstanden und daher folgendermaßen gehandelt. Das war aber wohl nicht so gemeint. Ich bin heute bei Ihnen, um solche Missverständnisse in Zukunft zu verhindern.") Wehrle: "So sehen Chefs auch ihren Anteil an der Fehlkommunikation ein."

Cheffing nennen Fachleute die Kunst, den Chef von unten zu führen. Dazu gehört auch das Durchsetzen der eigenen Ziele. Das Rezept dafür lautet: Wer seinen Chef erfolg-reich macht, macht sich selbst erfolgreich.

Das Marketing in eigener Sache fordert besondere Kraftanstrengung, wenn die Chemie zwischen den beiden nicht stimmt. Statt darüber zu klagen, raten Experten zu Pragmatismus. An jeder Eigenschaft lässt sich schließlich auch etwas Gutes finden. So sorgt ein Hektiker wenigstens für Tempo, ein autoritärer Chef bringt Durchsetzungsstärke mit, ein Choleriker versteckt seine Gefühle nicht.

Positiv denken und Anpassungsfähigkeit haben jedoch Grenzen. "Verbiegen sollte sich niemand für seinen Chef", sagt Personalchef Schmidt von Jamba. Es gehe nicht darum, den Vorgesetzten als Freund zu gewinnen, sondern um gemeinsame Arbeitsergebnisse. "Da ist man im Team gezwungen, sich zusammenzuraufen", so Schmidt.

Auch Schleimen oder Buckeln bringt meist nur Kurzfristerfolge. Der Vorgesetzte wird das Theater schnell durchschauen. Schließlich hat er durch zahlreiche Teamwechsel genügend Menschenkenntnis gesammelt. Zum Scheitern verurteilt ist auch die Strategie, schlecht über Kollegen zu reden, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Denn Mitarbeiter, die Intrigen spinnen, verweben sich oft selbst darin. Auch keine gute Idee: dem Chef Informationen vorzuenthalten. Wer ihn auflaufen lässt, hat sein Vertrauen sofort verloren.

Leben mit dem schnellen Wechsel

Generell hilft es, den Vorgesetzten als Instrument des Unternehmens zu betrachten. Wer das schafft, kann die eigenen Leistungen nicht nur auf die jeweilige Person, sondern auch auf die Firma abstimmen. So lässt sich‚Äòs besser mit dem schnellen Austausch der Vorgesetzten leben.

Bei anhaltend schlechter Zusammenarbeit hilft dagegen ein harter Schnitt. "Wer sich seinen Chef nicht schönreden kann, sollte den Arbeitsplatz wechseln", so Personalleiter Schmidt. Den neuen Chef kann man sich auf diesem Wege ja aussuchen. Zumindest so lange, bis der auch wieder wechselt. (hk)

Sieben Regeln für den Umgang mit wechselnden Chefs

1. Ziele ergründen

Bekommen Sie schnell heraus, welche Ziele dem neuen Chef gesetzt sind. So können Sie ihn gezielt unterstützen - und sofort bei ihm punkten.

2. Wissen teilen

Den größten Vertrauensbeweis liefern Sie dem Neuen, wenn Sie ihn von Ihrem Wissen profitieren lassen. Wer Herrschaftswissen bunkert, hat schnell verspielt. Wer aber den Informationsfluss von unten nach oben als Bringschuld erkennt, hat von Anfang an einen Stein im Brett.

3. Duftmarken setzen

Fleiß und Ehrgeiz allein überzeugen kaum einen Vorgesetzten. Suchen Sie gezielt das Gespräch mit dem Neuen und weisen Sie ihn dezent auf Ihre Rolle im Team und auf Ihre Leistungen hin. So kann er Sie gleich richtig einordnen.

4. Ohren auf

Aktives Zuhören erweckt Vertrauen und gibt Sicherheit im Umgang miteinander. Wiederholen Sie mit eigenen Worten, was der Chef gesagt hat ("Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Sache nicht so eilt und ich sie daher erst nächste Woche erledigen kann?"). Das erspart auf jeden Fall spätere Missverständnisse.

5. Wesentliches aufschreiben

Wichtige mündliche Vereinbarungen sind sicherheitshalber schriftlich festzuhalten - zum Beispiel in einer kurzen Gesprächsnotiz, die man dem Chef mailt. So ist dafür gesorgt, dass auch viel beschäftigten Führungskräften nichts Wichtiges entgeht.

6. An die eigene Nase fassen

Jeder glaubt, er habe einen schwierigen Chef. Schieben Sie bei atmosphärischen Störungen nicht gleich den Schwarzen Peter ihrem Gegenüber zu. Versuchen Sie herauszufinden, warum andere Kollegen besser mit ihm zurechtkommen. Und fragen Sie sich, wodurch Sie sich von denen unterscheiden.

7. Team einschwören

Wer eigene Mitarbeiter hat, sollte sich keinesfalls mit ihnen gegen den Neuen verbünden. Das rächt sich. Besser ist es, die Ziele des Vorgesetzten mit dem Teamwissen zu unterstützen. Das geht, indem Sie die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter, die am nächsten an Kunden und Geschäften dran sind, abfragen und dem Chef vortragen. So machen Sie den Neuen schlau und gestalten wichtige Entscheidungen in Ihrem Sinne mit.