Auf der G7-Konferenz blieben die Funktionäre weitgehend unter sich

Der Mittelstand zeigt wenig Interesse an E-Commerce

18.04.1997

Wenn ein kleiner irischer Käsehersteller seine gesamte Jahresproduktion an einen japanischen Supermarkt verkauft, dann hat er entweder einen Cousin in Yokohama oder einen Internet-Anschluß. In beiden Fällen zählt er zu einer verschwindenden Minderheit. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministers Günter Rexrodt besitzen nur drei Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland einen Internet-Zugang, während 98 von hundert Großunternehmen an das Netz der Netze angeschlossen seien. Wie EU-Kommissar Mario Monti bestätigte, sehen diese Zahlen auf europäischer Ebene kaum anders aus.

Rexrodt und Monti waren die Hauptredner auf der "ersten Jahreskonferenz" der Initiative "Global Marketplace for Small and Medium-sized Enterprises (SMEs)", die im Oktober 1995 von den G7-Staaten initiiert worden war. Und der irische Käsehersteller nimmt teil an dem Projekt "Global Real Order Web", kurz: "Grow", das die Europäische Kommission als Testfall ins Leben gerufen hat. Grow gibt europäischen Kleinbetrieben die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit dem digitalen Marktplatz zu sammeln.

Die Europäer haben innerhalb des G7-Projekts die Aufgabe übernommen, herauszufinden, welche Anforderungen die Unternehmen an ein System für den globalen Marktzugang stellen. In diesen Rahmen gehört auch der Versuch, den die deutsche Industrie- und Handelskammer mit weiteren fünf europäischen Kammern sowie 80 Kleinbetrieben aus wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen gestartet hat.

Das Vorhaben, das im Juni dieses Jahres abgeschlossen werden soll, bestätigte die gängigen Vorurteile: Mittelständler tun sich schwer mit neuer Technik, sie haben keine Zeit für Experimente, sie treffen ihre Entscheidungen schnell und endgültig, zudem bedürfen sie der permanenten Anregung.

So ist es denn auch kaum verwunderlich, daß die Unternehmen, um die sich die G7-Initiative drehen sollte, kaum den Weg in die Bonner Beethoven-Halle fanden. Die 660 Teilnehmer an der Jahrestagung stammten hauptsächlich aus dem staatlichen beziehungsweise dem EU-Bereich oder dem Lager der IT-Anbieter.

Die Internet-Abstinenz der Mittelständler hat aber auch wirtschaftliche Ursachen. Darauf verwies beispielsweise der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl.

Ob sich die Internet-Aktivitäten eines Unternehmens lohnen, hängt, so Stihl, auch von der Höhe der Telecom-Gebühren ab. Zudem könnten es sich die kleineren Betriebe nicht leisten, in aufwendige Sicherheitsvorkehrungen oder in die Überwindung künstlicher Zugangsbarrieren zu investieren. Wie Winfried Materna, Geschäftsfüher des mittelständischen Software-Unternehmens Dr. Materna GmbH, Dortmund, betonte, fragen kleine und mittlere Unternehmen zuallererst nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis einer Technologie.

Dabei sieht die Habenseite nicht schlecht aus: Nach Ansicht der meisten Referenten können vor allem Nischenanbieter ihre Marktposition mit Hilfe des Internet dramatisch verbessern.

Auch Christian Thommessen, als General Manager Europe, Middle East und Africa für den IBM-Bereich Network Services zuständig, betonte die Chancen des Electronic Commerce für kleinere und mittlere Unternehmen. Allerdings müßten sich die Nischenanbieter fragen, ob sie wirklich bereit seien, ihre Ware auch in Neuseeland auszuliefern.

Wo das Internet den Mittelständlern das Leben konkret erleichtern kann, zählte schließlich Hans-Eberhard Schleyer auf. Der Generalsekretär für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) wies beispielsweise auf die Möglichkeit hin, Kooperationsbörsen zu installieren, die kleine Anbieter in die Lage versetzen, gemeinsam Komplettlösungen anzubieten. Auf ähnliche Art und Weise ließen sich auch Mitarbeiter anwerben oder mit Geschäftspartnern austauschen.

Breiten Raum in den Vorträgen und Diskussionen beanspruchte die Frage, inwieweit sich die Staaten oder multinationalen Organisationen überhaupt in das Thema Electronic Commerce einmischen sollten. Den Standpunkt der US-Regierung machte Präsidentenberater Ira Magaziner in seiner Grundsatzrede deutlich. Magaziner stellte die Empfehlungen vor, die er in den vergangenen zwölf Monaten mit seiner Arbeitsgruppe formuliert hat, um sie US-Präsident Bill Clinton zu übergeben.

Im Prinzip läuft die Stellungnahme dieser Experten darauf hinaus, daß staatliche Stellen lediglich den rechtlichen Rahmen des Electronic Commerce abstecken sollten, ohne den Firmen aber vorzuschreiben, wie sie ihre Geschäfte im einzelnen abwickeln. Der Schutz der bürgerlichen Privatsphäre und des geistigen Eigentums sowie der Verbraucherschutz seien Sache des Staates. Ansonsten aber dürfe das globale Medium nicht durch Regierungen beschränkt werden.

Zur Zurückhaltung riet der Amerikaner auch beim Thema technische Standards. Die Fortschritte in der Internet-Technologie seien so rasant, daß sie den Versuch einer Standardisierung schnell ad absurdum führen würden. Das Fazit des Präsidentenberaters: Electronic Commerce soll auf einem industriegetriebenen, nicht auf einem staatlich gelenkten System beruhen.

Hier ist sich die US-Regierung mit dem deutschen Wirtschaftsministerium einig. Wie der FDP-Politiker Rexrodt betonte, habe er als "oberstes Gebot" akzeptiert, daß die Selbstregulierung der Wirtschaft Vorrang haben müsse, denn weitreichende Eingriffe des Staates würden den kleinen und mittleren Unternehmen das Leben unnötig schwer machen.