Der Mittelstand investiert wieder

13.04.2006
Die Geschäfte der IT-Dienstleister mit mittelgroßen Kunden laufen so gut wie seit Jahren nicht mehr. Doch die großen Service-Provider tun sich mit dieser Klientel schwer.
Das Geschäft mit kleineren Firmen legt in den kommenden Jahren wesentlich schneller zu als das Großkundensegment. Der Mittelstand beginnt zunehmend Innovations- und Outsourcing-Projekte.
Das Geschäft mit kleineren Firmen legt in den kommenden Jahren wesentlich schneller zu als das Großkundensegment. Der Mittelstand beginnt zunehmend Innovations- und Outsourcing-Projekte.

Die Hoffnungen der IT-Dienstleister in die Investitionsfreude mittelständischer Unternehmen wurden in der Vergangenheit oft enttäuscht, doch seit einigen Monaten wendet sich das Blatt. "Das Geschäft entwickelt sich prima bis prächtig", freut sich Udo Faulhaber, CEO der Arxes NCC AG, Köln. "Wenn es so weitergeht, werden wir bis zum Jahresende ein organisches Umsatzwachstum von 20 Prozent erreichen." Die aktuellen Finanzdaten anderer auf dieses Marktsegment ausgerichteter IT-Dienstleister bestätigen die Einschätzung. Den Full-Service- Providern TDS und AC-Services gelang nach langer Zeit der Sprung in die Gewinnzone. Kleinere, spezialisierte IT-Beratungshäuser wie Consol und Clientis berichten von einer enorm gestiegenen Nachfrage. "In Deutschland verzeichnen wir Wachstum in allen Regionen und Segmenten", berichtet auch Herbert Vogel, Vorstandsvorsitzender der Itelligence AG, Bielefeld.

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Die positive Geschäftsentwicklung geht mit Neueinstellungen bei den IT-Anbietern einher. So plant Itelligence, den Mitarbeiterstamm in Deutschland bis Jahresende um fünf bis sieben Prozent auszubauen. Die Arxes-Gruppe, die derzeit rund 900 IT-Experten beschäftigt, sucht bis Jahresende rund 200 neue Fachkräfte. "Wir unterhalten ein komplettes Recruiting-Team wie in den besten Jahren", schildert Faulhaber die Situation. Der Branchenverband Bitkom warnt bereits vor Fachkräftemangel. "Wir könnten noch schneller wachsen, wenn wir qualifizierte Mitarbeiter finden würden", klagt etwa Miodrag Dick, Vorstand der Clientis AG, die ihren Jahresumsatz 2005 um 45 Prozent auf gut fünf Millionen Euro verbesserte.

Das Jammern über fehlendes Fachpersonal hält Christian Glas, Berater des Marktforschungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC), für übertrieben. "In den vergangenen Jahren wurden sehr viele Mitarbeiter ausgestellt, viele haben sich selbständig gemacht und wären froh über eine Festanstellung", wiegelt der Marktbeobachter ab. "Spezialwissen mag in einzelnen Segmenten knapp sein, doch das war schon immer so." Auch PAC hat zuletzt beobachtet, dass die Unternehmen wieder einstellen. Die letzten Erhebungen bestätigen zudem die gute Entwicklung im Geschäft mit IT-Services für mittelständische Anwender (siehe Grafik "Der Mittelstandsmarkt wächst schneller"). Beliebt sind derzeit Beratungs- und Integrationsdienste etwa für das Kunden-Management und zur Anbindung von Partnern und Lieferanten.

Anwender arbeiten lösungsorientiert

Die Projekte zielen neuerdings darauf ab, dem Auftraggeber konkrete Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. "Früher haben die Kunden gefragt: Was können wir in der IT tun, um günstiger zu werden? Heute fragen sie: Was können wir tun, um besser zu werden?", beobachtet Arxes-Chef Faulhaber.

Im Zuge dieses Wandels lagern die Anwender immer häufiger IT-Aufgaben an externe Dienstleister aus. Das ist neu: Bislang hatten die kleineren Betrieb oft nicht den Mut, Outsourcing-Aufträge zu vergeben. Die Anwender wurden offenbar von der Erkenntnis eingeholt, dass sie mit ihrem eigenen, zumeist dünnen IT-Mitarbeiterstamm den steigenden Bedürfnissen nicht länger gerecht werden können. "Das SAP- und IT-Infrastruktur-Outsourcing wird für die Unternehmen immer interessanter", fasst PAC-Analyst Glas zusammen.

Die positive Marktentwicklung kommt nicht allen Teilnehmern zugute, vor allem die großen IT-Servicekonzerne tun sich nach wie vor schwer in diesem Geschäft. Obwohl auch sie schon vor einiger Zeit den Mittelstand als lukrative Klientel entdeckt haben, fehlt ihnen immer noch das Verständnis für die Eigenheiten der kleineren Betriebe. "Im Mittelstand ist mehr Umsetzungskompetenz gefragt", schildert Andreas Stiehler, Analyst bei Berlecon Research in Berlin. "Diese Firmen arbeiten sehr lösungsorientiert und sind keinesfalls - wie so oft beschrieben - beratungsresistent." Die großen Anbieter unterhalten in der Regel spezielle Vertriebs-, Support-, Beratungs- und Integrationsteams und muten dem Kunden damit eine Vielzahl von Ansprechpartnern zu. Das breite Portfolio zielt am Bedarf des Kunden, der vor allem tiefer gehendes Branchenwissen möchte, vorbei. Die Serviceanbieter können nicht mit dem Spezialwissen der auf zwei oder drei ausgewählte Industriezweige fokussierten kleineren Dienstleistern mithalten. Außerdem stößt die von Anglizismen durchsetzte Sprache der großen Häuser auf Ablehnung, die Kundengespräche verlaufen entsprechend holprig und selten auf Augenhöhe.

Einige der großen Dienstleister haben reagiert und eigenständige Mittelstandstöchter in den Markt geschickt. EDS Midmarket Solutions ist laut PAC-Analyst Glas im Markt ein anerkannter Anbieter, weitere Beispiele sind die IBM Mittelstand Systeme GmbH oder die Orga GmbH, Tochter des Fiducia-Konzerns.

Dienstleister haben ausgemistet

Die T-Systems schickt ihren Geschäftsbereich Business Solutions in dieses Marktsegment, scheut aber den Wettstreit mit den Branchen- und Prozessexperten: Das Angebot beschränkte sich auf IT-Infrastrukturdienste. Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass fokussierte Anbieter derzeit deutlich mehr vom anziehenden Mittelstandsgeschäft profitieren. "Die kleineren IT-Dienstleister bieten die besseren Tagessätze", führt Glas ein weiteres zentrales Argument ins Feld. "Mit ihren hohen Fixkosten tun sich die großen Anbieter hier sehr schwer. In Teilsegmenten können die Spezialisten zu bis zu 20 Prozent geringeren Kosten anbieten."

Von ihrem technischen Portfolio her müssen sich die kleineren Dienstleister vor den Schwergewichten nicht verstecken. Sie haben die mageren Jahre zum Ausmisten genutzt und die weniger gefragte SAP-Modulimplementierung durch Business-Intelligence-Services oder Prozessberatung ersetzt. "Früher haben die Dienstleister sich darauf beschränkt, die eingehenden Aufträge zu verwalten. Heute kann es sich kein erfolgreicher Anbieter mehr erlauben, auf einen professionellen Vertrieb zu verzichten", beschreibt Clientis-Vorstand Dick die organisatorischen Veränderungen.

Geschäfte auf solidem Fundament

Das SAP-Beratungshaus beschäftigt 32 feste Mitarbeiter und hat seine internationale Präsenz mit Büros in den USA und der Schweiz ausgebaut. "Die Bekleidungsindustrie ist international und erwartet von uns Vor-Ort-Präsenz", begründet Dick den Schritt. Das ist kein Einzelfall: Itelligence erzielt nahezu 50 Prozent der Jahreseinnahmen im Ausland.

Zudem haben viele Serviceanbieter ihr Portfolio um Betriebsdienste ausgebaut. Die Geschäfte stehen damit auf einem soliden Fundament, und die sich stabilisierenden Tagessätze tragen ein Übriges zur Hochstimmung der Anbieter bei. Allerdings ist die Euphorie zum Großteil auch der langen Durststrecke geschuldet, die die Anbieter zurückgelegt haben. "Die IT-Dienstleister haben arg gelitten und sind von den Erfolgen der glorreichen Tage noch weit entfernt", schränkt PAC-Analyst Glas ein. "Die Geschäftsbelebung ist aber kein Strohfeuer, wir erwarten einen nachhaltigen Anstieg des Marktumsatzes im hohen einstelligen Prozentbereich."