Der Microkernel

04.03.1994

Moderne Betriebssysteme auf einen moeglichst kleinen Kernel aufzusetzen, scheint ein allgemeiner Trend in der Betriebssystem- Entwicklung zu sein. Die reine Lehre velangt einen sogenannten Microkernel, der nur die wichtigsten Funktionen wie Tasks und Threads, die virtuelle Speicherverwaltung und einen Interprocess- Communications-(IPC-)Mechanismus zur Verfuegung stellt. Alle anderen Teile des Systems befinden sich ausserhalb des Kernels und koennen deshalb auch im User Mode des Prozessors laufen.

Der Kernel tauscht mit seinen Servern Nachrichten aus, wodurch ein modulares, skalierbares und portables System-design moeglich wird. Auch ein ganzes Netzwerk von miteinander kommunizierenden Mi- crokerneln ist denkbar. Durch die Abstraktion des Kernels vom Rest des Systems laesst sich die Rechenlast auf unterschiedliche Prozessoren verteilen, ohne dass der Server etwas davon wissen muss.

Die Carnegie Mellon University entwickelte auf Mach-Basis einen Microkernel, der heute als Mach-3.0-Kernel kostenlos zur Verfuegung steht. Aus Leistungsgruenden weichen die meisten Implementationen allerdings von dieser reinen Lehre ab. Das gilt auch fuer das Nextstep-Betriebssystem, dessen traditioneller Mach-Kernel erweitert wurde. Die IBM verwendet fuer ihr Workplace OS bereits die Version 3.0 des Mach-Mikrokernels. Auch die OSF setzt ihr Unix-Derivat OSF/1 kuenftig als Personality auf Mach 3.0. Bei Microsofts Windows-NT-Kernel, dem sogenannten Executive, handelt es sich dagegen um eine Mischung aus Mikrokernel-Architektur und Schichtenmodell.

Neben Mach hat vor allem der Microkernel Chorus/Mix von der Chorus Systemes S.A., Paris, Bedeutung am Markt. Zum Einsatz kommt er insbesondere im Telekom-Bereich, aber auch fuer fehlertolerante Unix-Systeme von SCO und Novell.