Jürgen Sponnagel, Vorstandsvorsitzender der Mummert Consulting AG:

"Der Markt ist wieder hart umkämpft"

18.07.2003
Das Hamburger IT-Beratungshaus Mummert Consulting AG richtet sich neu aus. Mit dem seit dem ersten Juli amtierenden Vorstandsvorsitzenden Jürgen Sponnagel sprachen die CW-Redakteure Joachim Hackmann und Heinrich Vaske.

CW: Wie ist es zu dem heftigen Umsatzeinbruch bei Mummert im letzten Jahr gekommen?

SPONNAGEL: Die geringe Nachfrage aus Kreditinstituten und Versicherungen hat uns sehr hart getroffen. Wir haben zeitweilig 65 Prozent unserer Einnahmen in diesem Segment erzielt. Daraufhin haben wir Konsequenzen gezogen. Im Rahmen des Kosten-Managements haben wir beispielsweise unsere gesamten Auslandsaktivitäten auf den Prüfstand gestellt, mit dem Ergebnis, dass wir uns ab sofort nur noch im deutschsprachigen Raum mit eigenen Standorten engagieren. Die Büros in New York, Mailand, London und Brüssel wurden geschlossen.

CW: Wie kompensieren Sie die Probleme im Geschäft mit Finanzdienstleistern?

SPONNAGEL: Wir machen traditionell sehr viel Geschäft mit der öffentlichen Hand, und zwar hauptsächlich in der klassischen Management-Beratung. Obwohl dieser Markt sehr eng ist, haben wir es geschafft, unsere Position in den letzten Jahren auszuweiten und durchgängige Dienste - von der Management-Beratung bis hin zur IT-Transformation - anzubieten. Vom Public-Bereich ausgehend, konnten wir in weitere Teilmärkte vorstoßen, etwa in den Markt für Energieversorger. Banken, Versicherungen, der öffentliche Bereich und Energieversorger sind für uns die wichtigen Branchen. Der Telekommunikationsmarkt ist in der Entwicklung.

CW: In der Management-Strategieberatung, deckt Mummert vier Branchen ab. Geht es um die Umsetzung von IT-Projekten, sind Sie nur in der Finanzbranche gut vertreten. Warum haben Sie nicht schon früher diversifiziert?

SPONNAGEL: Hinterher ist man immer klüger. Wir verdanken unsere rasante Unternehmensentwicklung zu einem Gutteil der enormen Erfolgswelle in der Finanzdienstleistungsbranche. Es gab die Sondereffekte wie Euro-Einführung, Jahr-2000-Wechsel, hinzu kamen Vorhaben etwa zum Ausbau des Investment-Bankings oder zur Erweiterung der Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit der E-Business-Welle. Diese Vorhaben haben schlicht und einfach nahezu alle Ressourcen benötigt. In der Tat bemühen wir uns schon seit 1999 intensiv um Diversifizierung.

CW: Werden Sie Ihren Umsatz in diesem Jahr steigern können?

SPONNAGEL: Nein, wir werden etwa auf dem Vorjahresniveau bleiben. Eine Steigerung des Umsatzes verhindern allein schon die Budgetreduzierungen.

CW: Das müssen Sie uns genauer erklären.

SPONNAGEL: Die Budgets unserer Kunden sind zum Teil drastisch verkleinert worden. Die verfügbaren Mittel betrugen 2002 zum Teil nur noch 60 Prozent des Vorjahres. Dieses Jahr gibt es bei einer Reihe von Kunden nochmals Reduzierungen um bis zu 40 Prozent gegenüber 2002.

Gleichzeitig sind die betriebswirtschaftlichen Anforderungen an die Projekte gestiegen: Sie müssen sich heute wesentlich schneller rentieren als noch vor wenigen Jahren. Früher akzeptierten die Unternehmen durchaus fünf Jahre, heute rechnen sie mit zwölf bis 18 Monaten. Dabei kommt es auch zu neuen Wettbewerbssituationen. Die Kunden haben in der Vergangenheit eigene Mitarbeiter angeworben, die beschäftigt werden wollen. Wir konkurrieren heute also nicht allein mit anderen externen Beratungshäusern, sondern auch mit internen Ressourcen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Projekte kleiner geworden sind. Im Vertrieb hat dies zur Folge, dass sich der Verkauf von Projekten aufwändiger gestaltet und eine größere Stückzahl kleinerer Projekte zu akquirieren ist. Insgesamt sind die Honorare im Commodity-Geschäft unter enormen Druck geraten.

CW: Können Sie Tagessätze nennen?

SPONNAGEL: In den Verhandlungen mit Kunden geht es immer weniger um die Höhe von Tagessätzen. Wir betreiben bereits seit Anfang der 90er Jahre Festpreismodelle. Der Gesamtpreis des Projekts ist entscheidend, und darin fließen auch die intern verwendeten Ressourcen ein.

CW: Aber irgendwann werden Sie für sich die Einnahmen pro Mitarbeiter errechnen müssen. Also müssen Sie die Honorare kennen.

SPONNAGEL: Je nach Kundengruppe sind die Honorare insbesondere bei Commodity-Leistungen um zehn bis 15 Prozent gefallen. Das ergibt keine akzeptablen Margen mehr, auch wenn man in der Vergangenheit der Meinung war, die Berater verdienen zu gut. Deshalb weitet Mummert Consulting das Geschäft in der Prozessberatung aus und gibt auf der anderen Seite unrentables Commodity-Geschäft in der reinen IT-Umsetzung.

CW: Wird Mummert im laufenden Jahr Verluste schreiben?

SPONNAGEL: Wir rechnen mit schwarzen Zahlen. Unser Kosten-Management-Programm des letzten Jahres hat dazu geführt, dass das Unternehmen sich verkleinert hat. Die Bäume wachsen in diesem Jahr aber nicht in den Himmel.

Das negative Ergebnis des letzten Jahres ist aus folgenden Komponenten entstanden: Wir haben den operativen Verlust des Auslandsgeschäfts verarbeitet, und die Investitionen, die wir dort getätigt hatten, wurden abgeschrieben - es gab also eine außerordentliche Wertberichtigung. Zudem haben wir die Risikovorsorge deutlich verbessert. Unterm Strich haben wir letztes Jahr im operativen Geschäft einen Gewinn erreicht.

CW: Kosten-Management meint meistens Entlassungen. Ist das Thema nun abgeschlossen?

SPONNAGEL: Die kostengetriebenen Anpassungen sind abgeschlossen.

CW: Ihre Wettbewerber versuchen, den Anteil am Outsourcing-Geschäft zu erhöhen. Ist Mummert auch daran interessiert, Auslagerungsdienste anzubieten?

SPONNAGEL: Das Thema interessiert uns im hohen Maße, wir wollen es aber in einer Mummert-spezifischen Ausprägung. Wir haben in den letzten zwei Jahren geprüft, ob es andere Unternehmen gibt, mit denen eine strategische Partnerschaft denkbar wäre. Am Ende haben wir kein passendes Unternehmen gefunden, die Preisvorstellungen klafften zu weit auseinander.

Im Portfolio führen wir bereits ein ASP-Projekt (ASP = Application Service Providing), außerdem betreibt eine schweizerische Tochter Business Process Outsourcing (BPO). Zunächst werden wir für Kunden kleinere Bereiche pilotieren. Das kann etwa das Inkasso für Versicherungen sein oder Ähnliches. Hierbei sammeln wir Erfahrungen, die wir dann zum Beispiel in Joint Ventures mit Kunden einbringen können. Hardware-Outsourcing wird, kann und soll nicht unser Geschäft sein.

CW: Haben Sie nur für das Outsourcing einen strategischen Partner gesucht?

SPONNAGEL: Nein, wir wollten in eine umfassende strategische Kooperation mit einem Partner einsteigen. Dabei ging es darum, komplementäre Stärken zu verknüpfen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

CW: Das müssen Sie näher erläutern.

SPONNAGEL: Wir haben einen Partner gesucht, um Internationalität und den Zugang zu neuen Geschäftsmodellen wie ASP und BPO zu erlangen.

CW: Ist die Suche nach einem Partner beendet?

SPONNAGEL: Ja, wir werden unsere Stärken gezielt ausbauen und an anderen Stellen mit Kooperationspartnern oder Beteiligungen arbeiten. Wir haben bereits einige Joint Ventures gegründet und werden das auch weiter tun.

CW: Plant Mummert, die Entwicklungskosten durch Offshore-Partnerschaften etwa in Indien zu senken?

SPONNAGEL: Wir werden keine Kapazitäten verlagern, aber wir werden auf die steigende Nachfrage nach Offshoring reagieren müssen. Unsere Geschäftstätigkeit verlagert sich zunehmend weg von den Umsetzungsdiensten hin zu beratenden und managenden Leistungen. Wir müssen unsere Kompetenz dort einsetzen, wo eine größere Werthaltigkeit für den Kunden erzielbar ist.

CW: Um es kurz und bündig zu formulieren: Mummert wandelt sich zum Management-Berater?

SPONNAGEL: Wir sehen uns als Prozessberater mit hoher IT-Kompetenz.

CW: Da stoßen Sie auf die Konkurrenz der Management-Berater, die zunehmend auch IT-Lösungen anbieten.

SPONNAGEL: Wir sind nicht neu in diesem Markt. Die Prozessberatung mit anschließender IT-Transformation ist Mummerts Heimatmarkt, hier können wir eine über 20 Jahre gewachsene Kernkompetenz nachweisen. Strategieberater, die ihre Wertschöpfung in den IT-Bereich ausweiten wollen, stoßen auf uns als einen massiven Wettbewerber.

Mummert erfindet sich auch nicht neu, das Unternehmen bewegt sich um einen harten Kern. Das Geschäft verschiebt sich im Ganzen weg von Commodity-Leistungen hin zu hochwertiger Beratung. Der Kern ist die Schnittstelle zwischen Geschäftsprozessen und IT-Transformation. Zum Teil gibt es bei der IT-Transformation Vorhaben, die weit in den Realisierungsbereich vorstoßen. Dieser Anteil an unserem Geschäft wird schwinden. Verhielten sich Planung und Realisierung früher wie 20 zu 80, wird sich das Mengenverhältnis künftig in Richtung 50 zu 50 oder 60 zu 40 verschieben.Die Planungsanteile werden größer, wir dringen stärker in die Prozess-, Business-, taktische und strategische Konzeption des Kunden vor.

CW: Wird es in Zukunft noch große Projekte geben?

SPONNAGEL: Ja, aber nicht in der Menge wie früher. Ein Geschäft wie Ende der 90er Jahre kommt nicht wieder. Davon träumen wir nicht einmal mehr. Wir richten uns darauf ein, dass der Markt genauso hart umkämpft sein wird, wie er vor der Ausnahmesituation in der zweiten Hälfte der 90er Jahre war.