Streitpunkt Arbeitnehmerüberlassung

Der Markt für IT-Freelancer

19.06.2019
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Bei der Vergütung öffnet sich die Schere

Für Stefan Oberdörfer, Chief Brand and Sales Officer von freelance.de, stellt sich der Markt "grundsätzlich positiv" dar, denn die Nachfrage in der IT nach befristeten Personalressourcen sei ungebrochen. "IT-Freelancer mit spezialisierten Kompetenzen oder ausgeprägten Erfahrungen sind weiterhin gut ausgelastet." Bei den Stundensätzen verweist er jedoch auf einen anderen Trend: "Wir stellen fest, dass sich die Schere bei der Vergütung weiter öffnet - spezialisierte Freiberufler werden zunehmend besser bezahlt, Anbieter von Standard- beziehungsweise gering komplexen Dienstleistungen hingegen tendenziell schlechter." Der Rest sei Mathematik, so Oberdörfer, und er empfiehlt angesichts der Frage, wie sich die Stundensätze denn nun entwickeln: "Durchschnittswerte sollte man generell hinterfragen."

Dies gilt angesichts der rechtlichen Rahmenbedingungen umso mehr für die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit IT-Freelancern. Zwar würden gute Partner mittlerweile ausgeklügelte Compliance-Maßnahmen und maßgeschneiderte Systeme für den Freelancer-Einsatz anbieten, sagt Etengo-CEO Reuter. "Leider kursieren im Markt aufgrund der komplexen Situation aber immer noch viele Halbwahrheiten oder vermeintlich schnelle Lösungen." Allgeier-Experts-Go-Geschäftsführer Eckes empfiehlt allen Einsatzunternehmen, ihr Zusammenarbeitsmodell entsprechend anzupassen: "Abgrenzbarkeit der Dienstleistung und Weisungsfreiheit sind die entscheidenden Stichworte, die im Arbeitsalltag richtig zu übersetzen sind."

Unternehmen sollten das Thema Compliance ernst nehmen

Dies sieht auch GULP-Manager Demirel so, und er empfiehlt Auftraggebern, eindeutige Verträge zu schließen, einen angemessenen Compliance-Prozess zu implementieren und sich dabei beraten zu lassen. Wichtig sei, die vertraglichen Regelungen auch umzusetzen und zu leben, berichtet Demirel aus der Praxis: "Die Unterschiede zwischen Freelancern und festangestellten Mitarbeitern dürfen nicht nur auf dem Papier bestehen." Hays-Manager Frischmuth nennt drei Punkte, um auf Nummer sicher zu gehen: "Unternehmen sollten das Thema Compliance sehr ernst nehmen und adäquate Strukturen sowie das notwendige Wissen aufbauen und an ihre Mitarbeiter transferieren, die mit Fremdpersonal arbeiten, und nicht zuletzt alle Akteure, die mit Compliance zu tun haben wie Einkauf, Fachbereiche, Legal sowie HR an einen Tisch bringen und gemeinsam verbindliche Spielregeln vereinbaren."

Carlos Frischmuth, Hays: "Unternehmen sollten das Thema Compliance sehr ernst nehmen und adäquate Strukturen sowie das notwendige Wissen aufbauen und an ihre Mitarbeiter transferieren, die mit Fremdpersonal arbeiten."
Carlos Frischmuth, Hays: "Unternehmen sollten das Thema Compliance sehr ernst nehmen und adäquate Strukturen sowie das notwendige Wissen aufbauen und an ihre Mitarbeiter transferieren, die mit Fremdpersonal arbeiten."
Foto: Frischmuth - Hays

Oberdörfer von freelance.de empfiehlt zudem, "dass neben den Unternehmen auch Freelancer darauf achten, ihren 'Status' zu wahren". Eine Absage erteilt er hingegen Versuchen der Einsatzunternehmen, die Freien aus rechtlichen Gründen in die Arbeitnehmerüberlassung zu migrieren. Dies sei weder für Freelancer noch für Projektanbieter eine nachhaltige Lösung. "Für einen Selbständigen, der in die Arbeitnehmerüberlassung wechselt und danach wieder als echter Freelancer agieren will, können Probleme entstehen." Etengo-Chef Reuter ergänzt, dass die Wirtschaft - getrieben vom Wunsch einer "Null-Risiko-Politik" - heftige Kollateralschäden zu beklagen habe. "Die Realität hat nämlich gezeigt, dass gerade im hochqualifizierten Bereich und insbesondere in der IT weder die ANÜ noch der Werkvertrag wirklich gangbare Alternativen sind."

Die Bilanz von Modis-Geschäftsführer Abel fällt eindeutig aus: "Insgesamt lässt sich sagen, dass trotz der neuen rechtlichen Vorgaben die Nachfrage im Freelance-Bereich auf einem hohen Niveau bleibt." Der stetig steigende Bedarf an Fachkräften und Experten sei durch die rechtliche Neuausrichtung nicht merklich geschmälert worden. "Auch wenn es vermehrt Stimmen gibt, die eine Orientierung hin zur Arbeitnehmerüberlassung befürworten, sind es doch nur Einzelfälle, in denen sich IT-Freiberufler für ein Projekt in der Vertragsform der ANÜ entscheiden", so Abel.

Künftiger Trend zur Arbeitnehmerüberlassung

Demgegenüber geht Experis-Chefin Pierer davon aus, dass sich der Trend in den kommenden Jahren fortsetzt und die Nachfrage der Unternehmen nach Projektmitarbeitern Richtung ANÜ steigt - gerade in spezialisierten Arbeitsthemen. "Die Einstellung von Experten in die ANÜ ist arbeitsrechtlich einfach die sicherste Lösung für beide Seiten, auch wenn sie gegebenenfalls höhere Kosten verursacht als die direkte Beauftragung eines Freiberuflers." Pierer zufolge könne man so kalkulieren: Je höher die Qualifikation eines externen Spezialisten, umso geringer ist der Kostenunterschied zwischen einem Freiberufler und einem ANÜ-Projektmitarbeiter. Ihre Forderung: "Als Personaldienstleister müssen wir die passenden Lösungen finden und anbieten, die die unterschiedlichen Bedarfe und Anforderungen unserer Kunden, Mitarbeiter und Freelancer erfüllen. Nur so sind wir der perfekte Partner am Markt."

"IT-Freiberufler-Studie 2019"

Die Studie der COMPUTERWOCHE basiert auf einer Online-Befragung, in deren Rahmen im Zeitraum von 25. Februar 2019 bis 15. März 2019 insgesamt 1.016 Interviews durchgeführt wurden. Grundgesamtheit sind zum einen die IT-Freiberufler selbst sowie IT-Projektverantwortliche und IT/TK-Entscheider aus Einsatzunternehmen der DACH-Region zum anderen, also beispielsweise CIOs/IT-Vorstände, IT-Leiter, IT-Projektleiter, Fachbereichsleiter, Einkäufer und vergleichbare Funktionen. Hierzu wurden zwei Stichproben gezogen und zwei unterschiedliche Fragebögen entwickelt. Den Ergebnissen der Studien liegen 625 Interviews mit IT-Freiberuflern sowie 391 Interviews in den Einsatzunternehmen zugrunde.

Partner der Studie

Goldpartner: Experis GmbH

Hays AG

Silberpartner: Allgeier Experts SE

Modis GmbH

Bronzepartner: GULP Information Services GmbH

Etengo (Deutschland) AG

freelance.de

Die Umfrage wurde in Kooperation mit dem Deutschen Bundesverband Informationstechnologie für Selbständige e.V. (DBITS) und dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. (VGDS) durchgeführt.

Link zum Studienshop:

https://shop.computerwoche.de/portal/studie-it-freiberufler-2019-pdf-download-direkt-im-shop-9335